Fünfte Super-Bowl-Teilnahme, bislang drei Vince-Lombardi-Trophys, herausragende Statistiken, so nebenbei mit Gisele Bündchen, einem der begehrtesten Topmodels überhaupt, verheiratet.
Tom Brady ist fraglos eines der populärsten Aushängeschilder dieser Sport-Welt.
Eine Karriere, die jedoch nicht übertrieben glanzvoll begann. Wichtiger Bestandteil des Brady-Mythos ist nämlich das Mysterium, dass er von den New England Patriots im NFL-Draft 2000 erst am Ende der sechsten Runde und als 199. Spieler überhaupt ausgewählt wurde.
Ein Fakt, der den 34-Jährigen heute noch wurmt, auch wenn er ihn längst als historischen Fehler entlarvt hat.
Im Rahmen eines ESPN-Interviews im Jahr 2010 brach er, als den Draft-Tag Revue passieren ließ, selbst zehn Jahre später und im Wissen um seine Weltkarriere vor laufenden Kameras in Tränen aus. Er selbst hatte damit gerechnet, in der zweiten oder dritten Runde auserwählt zu werden.
Die Kunst des Draftens
Nun ist die Wahl der richtigen Spieler im Draft eine Kunst. Sich für den am besten geeigneten Kandidaten zu entscheiden, bedarf eines guten Auges und einer gehörigen Portion Menschenkenntnis, was Motivation, Professionalität, Führungsqualitäten und Siegeswille betrifft.
Wie sich ein Talent letztlich entwickelt, hängt zudem gerade auf der Position des Quarterbacks von zig Faktoren ab: Dem richtigen Umfeld, gutem Coaching, einem passenden Spielsystem, der Qualität der Mitspieler und natürlich jeder Menge Glück.
Faktoren, die im Fall von Brady sicherlich großteils eintrafen. So war es für ihn neben der gekonnten Anleitung durch Head Coach Bill Belichick sicher eine günstige Fügung, erst durch eine Verletzung seines unantastbaren Vorgängers Drew Bledsoe eine Chance zu bekommen.
CHAD PENNINGTON (New York Jets, 1. Runde, Pick 18):
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet jenes Team, das seit Jahren aggressiv aber mehr oder minder erfolglos an der Vormachtstellung von Brady und seinen New England Patriots kratzt, im Jahr 2000 als erstes einen Quarterback gewählt hat. Wobei fairerweise festgestellt werden muss, dass der spätere Superstar kein Thema für die erste Draft-Runde war. Er brachte es bei den prestigeträchtigen Michigan Wolverines nach Anlaufschwierigkeiten zwar auf eine gute College-Karriere, aber keine, die seine späteren Heldentaten auch nur ansatzweise vorhergesagt hätte. Vor allem, dass er in einen Konkurrenzkampf mit der späteren Detroit-Aushilfskraft Drew Hanson gehetzt wurde, ließ seine Draft-Aktien sinken, wie Belichick später zugab. Zudem galt er nie als der athletischste Vertreter seiner Zunft. Pennington wiederum glänzte für die nicht minder traditionelle Marshall University, profitierte aber sicherlich auch davon, dass ein gewisser Randy Moss (später eine Lieblingsanspielstation Bradys bei New England) zu seinen Receivern zählte. Der inzwischen 35-Jährige legte eine respektable NFL-Laufbahn (102 Touchdown-Pässe, 64 Interceptions) hin, war aber letztlich weit davon entfernt, die hohen Erwartungen der Jets zu erfüllen. Vor allem, weil ihn immer wieder Verletzungen aus der Bahn warfen. Vor allem seine Schulter erwies sich als zu fragil. 2008 wagte Pennington in Miami einen neuen Anlauf. Nach starker Debüt-Saison samt Playoff-Qualifikation und Rang zwei in der MVP-Wahl hinter Peyton Manning schlug erneut der Verletzungsteufel knallhart zu. Der Blondschopf sollte in den kommenden zwei Jahren vor seinem Karriereende nur noch vier NFL-Spiele bestreiten…
Trotzdem ist auch mit dem Abstand von zwölf Jahren die Frage zulässig, wie der spätere „Quarterback des Jahrzehnts“ (Starter im All-Decade-Team) bis auf Position 199 rutschen konnte?
Ein Was-Wäre-Wenn-Spielchen
Das fragen sich wohl auch die Fans jener sechs Teams, die damals vor Brady einen Ballverteiler wählten. Noch dazu, wo der 2000er-Jahrgang nicht unbedingt für seine hohe Quarterback-Dichte in die Geschichte eingehen wird.
Auch wenn dieses Was-Wäre-Wenn-Spielchen nur bedingt zulässig und freilich reine Spekulation ist, ist das Gedankenspiel, wie besagte Teams mit Brady abgeschnitten hätten, umso interessanter. Noch dazu, wo ein Gutteil dieser Franchises in den Nuller-Jahren durchaus mit Quarterback-Problemen zu kämpfen hatte.
LAOLA1 holt diese Teams und vor allem jene Quarterbacks, die auf diese Art und Weise immer mit dem Namen Brady verbunden sein werden, ins Rampenlicht – auch um zu verdeutlichen, wie schicksalsträchtig der Draft-Tag für die weitere Entwicklung einer Mannschaft sein kann:
GIOVANNI CARMAZZI (San Francisco 49ers, 3. Runde, Pick 3):
Quarterback Nummer zwei in diesem Draft wurde erst sehr spät, zu Beginn der dritten Runde, gewählt. Aktueller Vergleich: 2011 waren alleine vier der ersten zwölf Erstrunden-Picks Spielmacher. Dafür entbehrt auch dieser Pick in Bezug auf Brady nicht einer Ironie – und zwar aus diversen Gründen, die diesem „Was-Wäre-Wenn-Spielchen“ eine gewisse Relevanz geben. Erstens: Auch wenn Alex Smith gerade seine erste ansprechende Saison hinter sich gebracht hat, wurden die Niners während Bradys Hochblüte von immensen Quarterback-Sorgen geplagt. Zweitens hätte Brady nur allzu gerne geholfen, wuchs er doch in Kalifornien als glühender 49ers-Fan auf. Dass sein Lieblingsteam ihn überging, schmerzte ihn, wie er später zugab, mehr als bei allen folgenden Franchises, die Quarterbacks wählten. Drittens war Mister Carmazzi ein unglaublicher Reinfall, an den sich vermutlich nicht einmal mehr eingefleischte 49ers-Fans erinnern können. NFL-Spiel bestritt er jedenfalls nicht ein einziges. Heute lebt er zurückgezogen und züchtet Ziegen. Viertens draftete San Francisco 2000 nicht einen, sondern gleich zwei Quarterbacks – in Runde sieben fiel die Wahl auf Tim Rattay, der sich immerhin kurzzeitig als Starter etablieren konnte. Die Patriots wiederum plagte fünftens – der Kreis schließt sich - die Qual der Wahl zwischen Rattay und Brady – die letzten beiden verbliebenen Kandidaten auf Pick Nummer 199. Die Entscheidung für Brady war tendenziell keine falsche…
CHRIS REDMAN (Baltimore Ravens, 3. Runde, Pick 13):
Die NFL-Karriere des 34-Jährigen entspricht ungefähr dem, was man von einem Drittrunden-Pick definitiv verlangen kann. Zum Starter reichte es nie, dafür ist er ein verlässlicher Backup und als solcher bei Atlanta, wo er schon seit Jahren Matt Ryan den Rücken freihält, immer noch in der Liga. In Baltimore, das sich traditionell nicht auf die ganz großen Glanzleistungen auf der Quarterback-Position verlassen darf, blieb Redman vier Jahre. Er verließ die Stadt mit einem Super-Bowl-Ring (2001), der jedem Kadermitglied zusteht. 2005 hätte er übrigens der Ersatzmann von Brady bei New England werden sollen, wurde jedoch noch während der Vorbereitung wieder entlassen.
TEE MARTIN (Pittsburgh Steelers, 5. Runde, Pick 34):
Die größten AFC-Rivalen New Englands während der Brady-Ära? New York Jets, Baltimore und Pittsburgh. Auch die Steelers wählten 2000 einen Quarterback – letztlich kein Glücksgriff. Martin stand nur in drei NFL-Spielen auf dem Feld, das dafür für zwei Teams (Pittsburgh und Oakland). Wenigstens bekamen die Steelers die Quarterback-Position später mit Ben Roethlisberger auf Jahre hinaus in den Griff. Martin wiederum hat eine Connection zum Patriots-Konkurrenten Nummer vier während der letzten Jahre, den Indianapolis Colts. An der University of Tennessee war er erst der Backup von einem gewissen Peyton Manning, ehe er sein College zur National Championship führte…
MARC BULGER (New Orleans Saints, 6. Runde, Pick 2):
Es macht den 2000er-Draft nicht minder kurios, dass die sechste Runde gleich zwei Pro-Bowl-Quarterbacks hervorbrachte. Bulger gehörte in den Nuller-Jahren durchaus zu den Fähigeren seiner Zunft, allerdings nicht in Diensten der Saints (die zogen Jahre später mit Drew Brees ohnehin das große Los), die sich bald von ihm trennten, sondern in der damals Quarterback-freundlichen Offense der St. Louis Rams. Dort entthronte er mit starken Leistungen immerhin einen gewissen Kurt Warner. Eine erfolgreichere Karriere verhinderte letztlich seine Verletzungsanfälligkeit. Nach einem Jahr als Nummer zwei der Baltimore Ravens beendete er im Sommer 2011 seine Karriere.
SPERGON WYNN (Cleveland Browns, 6. Runde, Pick 17):
Ja, Sechsrunden-Quarterbacks sind meist Experimente. Während Brady voll aufging, griff Cleveland kräftig daneben. Der gute Herr Wynn beendete seine NFL-Karriere, die ihn neben den Browns noch nach Minnesota führte, mit nur einem Touchdown-Pass, dafür aber gleich sieben Interceptions. Eine konstante Lösung auf der Quarterback-Position konnte Cleveland in all den Jahren nicht anbieten. Wobei die berechtigte Frage natürlich lautet, ob Brady in einem solch schwierigen Umfeld nicht ebenfalls gescheitert wäre. Wynn selbst beantwortet sie mit einem klaren Nein: „Als ich aus dem College kam, habe ich nicht verstanden, welch riesige Sache es ist, in der NFL zu spielen. Ich war jung und naiv. Aber Tom hatte das gewisse Etwas. Er konnte mit dem Druck umgehen. Ich werde immer gefragt, was wäre, wenn ich in New England und er in Cleveland gelandet wäre. Ich denke, er ist einer der wenigen, wo es keinen Unterschied gemacht hätte. Gib in nach Cleveland, Minnesota, Tampa Bay oder wohin auch immer, es würde funktionieren. Er hätte überall einen Weg gefunden, den Job hinzukriegen.“ Eine These, die es für die Fans aller Teams, die Brady übergingen, nicht leichter macht…
Peter Altmann