Es gleicht einer Revolution von oben.
Manche sprechen von einem „Angriff auf das Ehrenamt“, andere befürworten die „Professionalisierung der Vereinsstrukturen“.
Der Vereinslinien-Wartungserlass des Finanzministeriums hat in der österreichischen Sportlandschaft Anfang März dieses Jahres für viel Aufruhr gesorgt. Dieser zwingt Vereine mit Berufs-Mannschaften den Profibetrieb ab dem 1. Jänner 2017 auszulagern.
Harter Tobak für viele Klubs. Denn sie müssen ihre ehrenamtlichen Strukturen nun komplett überdenken.
Was ist ein Wartungserlass?
„Ein Wartungserlass ist keine Gesetzesänderung. Die Finanzverwaltung ändert damit lediglich die Auslegung der bestehenden Gesetze“, erklären Wilfried Krammer und Christoph Hofer von Deloitte gegenüber LAOLA1.
Für die beiden Steuerberater kommen die neuen Richtlinien des Ministeriums keineswegs überraschend. Österreich ist auf dem Gebiet der Besteuerung des Profi-Sports ein Nachzügler. Bereits 2008 hat die EU deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Bisher galt in Österreich so gut wie jeder Sportverein im Sinne des Steuerrechts als „gemeinnützig“. Damit sind die Klubs von der Körperschaft- und Umsatzsteuer befreit. „Rein rechtlich sollte eigentlich nur der Amateursport davon begünstigt sein. Berufssport kann nach dem Gesetz gar nicht gemeinnützig sein. Die Finanzverwaltung hat diesen gesetzlichen Rahmen früher aber sehr großzügig ausgelegt“, erklärt Krammer.
Nur Mannschaftssportarten betroffen
Nun hat das Ministerium aber beschlossen, diese wohlwollende Gesetzesauslegung zu ändern. Sportvereine, die de facto mittelständische Unternehmen sind, müssen nun auch so geführt werden. Ansonsten droht der gesamte Klub, vom Nachwuchs- bis zum Amateurbereich, das steuerrechtlich wertvolle Prädikat „gemeinnützig“ zu verlieren.
Vom Wartungserlass betroffen sind nur Mannschaftssportarten. Mit wenigen Ausnahmen – Sturm und die Austria im Fußball, RB Salzburg im Eishockey – steht die Auslagerung des Profibetriebs so gut wie allen professionellen Vereinen noch bevor. Was macht eine Profi-Mannschaft aber überhaupt zu einer solchen?
Deloitte-Experte Krammer klärt auf: „Laut Wartungserlass gilt als Profispieler, wer von seinem Verein oder einem Dritten für seine sportliche Tätigkeit als Vergütung mehr als 21.000 Euro pro Saison, also 1.500 Euro pro Monat bei 14 Gehältern, erhält. Sind mehr als die Hälfte der nach den Spielberichten einsetzbaren Spieler Profis, so liegt ein Profibetrieb vor.“
Diese Definition kann auch auf Verbandsauswahlen zutreffen, sofern die Spieler für ihre Tätigkeit als Nationalspieler entlohnt werden. Deswegen muss auch der ÖFB den Profibetrieb rund um das Nationalteam auslagern.
Drei Varianten der Ausgliederung
Für die Ausgliederung selbst kommen grundsätzlich drei verschiedene Varianten in Frage. Erstens besteht die Möglichkeit der Bildung eines eigenen Rechnungskreises innerhalb des Vereins, womit eine rein buchhalterische Trennung zwischen Profi- und Amateurbetrieb vorgenommen wird. Zweitens gibt es die Option, einen eigenen Zweigverein zu gründen, in den der Profibetrieb ausgelagert wird.
Schließlich kann der Sportverein auch eine Tochtergesellschaft gründen und der Profibetrieb wird in dieser GmbH oder AG weitergeführt. Diese Variante, im internationalen Fußball längst eine Selbstverständlichkeit, wurde von Sturm (GmbH) und der Austria (AG) gewählt. Die anderen professionellen Fußballvereine werden ihnen Folge leisten.
„Es gibt eine typisierende Betrachtungsweise im Wartungserlass, dass die obersten zwei Klassen im Fußball verpflichtend diesen Weg gehen müssen, weil man davon ausgeht, dass hier der Profibetrieb überwiegt. Bei allen anderen Vereinen, auch von anderen Sportarten, kommt es darauf an, wo der überwiegende Ressourceneinsatz liegt. Wenn in den Profibetrieb am meisten investiert wird, muss eine Tochtergesellschaft gegründet werden, sonst reicht eine der beiden anderen Varianten“, erklärt Steuerberater Hofer.
Mehr Geld für den Staat
Die Auswirkungen dieser Umstrukturierung sind enorm. Alleine aufgrund der neuen steuerlichen Belastungen.
25 Prozent des Gewinns müssen die Vereine als Körperschaftssteuer an den Staat abgeben. Zum größeren Problem könnte jedoch die Umsatzsteuer werden, die vor allem den Verkauf von Tickets und das Sponsoring betrifft.
„Bisher sind Eintrittskarten komplett ohne Umsatzsteuer verrechnet worden, jetzt müssen 13 Prozent draufgeschlagen werden. Hier ist jedenfalls mit Einnahmeeinbußen zu rechnen“, erklärt Krammer. Ursprünglich wäre die Belastung mit 20 Prozent sogar noch höher gewesen, im Zuge der Steuerreform wurde dieser Wert jedoch heruntergesetzt.
Die Fans müssen deswegen eine Erhöhung der Kartenpreise fürchten. Der Deloitte-Experte rechnet aber nicht damit, dass die Klubs die zusätzlichen Kosten zur Gänze an ihre Kunden weitergeben werden: „Sehr viele Sportvereine, mit denen wir gesprochen haben, sagen, dass sie die Preise schon angehoben hätten, wenn das möglich wäre.“
Zusätzliche finanzielle Belastungen
Hinzu kommen weitere finanzielle Nachteile. So ist die pauschale Reisekostenentschädigung – 540 Euro im Monat, die den Sportlern bisher lohnsteuerfrei ausbezahlt werden konnten – im Profibetrieb steuerpflichtig. Auch im Bereich des Sponsorings ergeben sich Kosten. Viele Finanzunternehmen sind nicht vorsteuerabzugsberechtigt, weswegen in diesen Fällen 20 Prozent Umsatzsteuer für den jeweiligen Sponsorenbetrag anfallen, die wiederum in vielen Fällen die Vereine tragen werden müssen.
Vereine fürchten Bürokratisierung
Weitaus negativer bewertet so mancher Sportfunktionär die Folgen des Vereinsrichtlinien-Wartungserlass. „Man entzieht dem Sport das Geld und steckt es in die Administration“, kann in etwa Handballverband-Generalsekretär Martin Hausleitner die Entscheidung des Finanzministeriums überhaupt nicht verstehen.
„Diese Richtlinien richten sich gegen unsere ehrenamtlichen Helfer. Diese Form der Rechnungslegung kann ich einem Ehrenamtlichen nicht mehr zumuten. Deswegen muss ich jemanden anstellen. Woher nehme ich das Geld? Vom Jugendtrainer“, führt Hausleitner die Folgen für den sportlichen Betrieb aus.
Kein Handballverein in Österreich sei ein florierendes Wirtschaftsunternehmen, deswegen könne man den administrativen Mehraufwand nur schwer stemmen. Schätzungen über die genauen finanziellen Einbußen will der ÖHB-Generalsekretär jedoch keine vornehmen.
Kleinere Sportverbände trifft es am härtesten
Harald Stelzer wird da schon konkreter. „Wir erwarten einen zusätzlichen Mehraufwand von 50.000 bis 70.000 Euro“, sagt der sportliche Leiter der Gmunden Swans. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns das leisten können.“
Im letzten Dezember drohte der oberösterreichische Basketballklub, den Profibetrieb zusperren zu wollen, sollte der Wartungserlass Wirklichkeit werden. Mittlerweile gibt sich Stelzer zurückhaltender: „Diese Entscheidung müssen wir nächstes Jahr treffen. Momentan haben wir genau so viele Profis, dass die Regelung auf uns nicht zutreffen würde. Wir werden aber mit Sicherheit keine Firma gründen.“
Kleine Vereine an der Grenze zwischen Profi- und Amateursport scheint der Wartungserlass am härtesten zu treffen. Gut möglich, dass viele Handball-, Volleyball- und Basketballklubs ab der Saison 2016/17 versuchen werden, die Ausgliederung zu umgehen, indem einfach gerade so viele Profis beschäftigt werden, um nicht in die Definition als Profi-Mannschaft zu fallen. Andere könnten dem professionellen Sport überhaupt den Rücken kehren.
Auf der anderen Seite bringt die Ausgliederung des Profibetriebs jedoch steuerlich auch eine positive Wirkung mit sich. „Durch die Vorsteuerabzugsberechtigung der Gesellschaften werden Investitionen in die Infrastruktur um rund 17 Prozent billiger“, rechnet Krammer vor.
Gleichzeitig weist er aber daraufhin: „Der größte Ausgabenposten bei Sportvereinen sind in der Regel die Personalkosten. Da gibt es aber keine Vorsteuern, die ich mir holen kann. In Summe ist daher von einem negativen Effekt auszugehen, zumindest beim laufenden Geschäft.“
Weg vom Vereinskaisertum
Die beiden Steuerberater sehen den Wartungserlass trotz der erhöhten steuerlichen Belastung als Chance für die Sportvereine. „Es ist ein Schritt hin zur zusätzlichen Professionalisierung“, meint Krammer.
Überspitzt formuliert: Weg vom Vereinskaisertum hin zu modernen Unternehmensstrukturen. Die Hauptverantwortung für das Wohlergehen des Betriebs liegt nicht mehr bei einem ehrenamtlichen Präsidenten, sondern beim hauptamtlich beschäftigten Vorstand der GmbH oder der AG.
„Vereine sind grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet, ein Business zu führen. Bei vielen großen Klubs sind jene Leute, die Verträge abschließen, der Geschäftsführer zum Beispiel, nicht dieselben Leute, die dafür die Verantwortung tragen. Bei einer Kapitalgesellschaft ist dagegen die Verantwortung klar verteilt. Das Vereinsgremium fungiert als Kontrollinstanz“, so Hofer.
Die beiden Experten von Deloitte gehen zudem davon aus, dass der Wartungserlass dazu beiträgt, die Finanzgebarung der österreichischen Sportvereine transparenter zu machen. Zumal eine Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet ist, den Jahresabschluss einmal pro Jahr offenzulegen.
„Das hat uns schon ein wenig irritiert“
Jedenfalls entsteht der Eindruck, die Finanzverwaltung hätte bei der Ausarbeitung der neuen Richtlinien vor allem an finanzkräftige Fußballvereine gedacht und weniger an Sportarten wie Handball oder Basketball. „Fünf Jahre hat man über diesen Wartungserlass mit den Fußballern verhandelt. Erst danach hat man uns informiert. Das hat uns schon ein wenig irritiert“, sagt ÖHB-Generalsekretär Hausleitner.
Im Eishockey sieht man die Sache etwas differenzierter. „Es ist eine maximale Herausforderung für uns. Schon in den letzten Jahren haben wir versucht, uns bestmöglich darauf vorzubereiten. Für manche Klubs ist es ein großes Problem, manche schauen dem gelassener entgegen“, meint EBEL-Geschäftsführer Feichtinger. Er räumt gleichzeitig aber ein: „Wir tun uns da vielleicht leichter als kleinere Sportverbände.“
Momentan führen die meisten Vereine gerade Evaluierungen durch, ob und wie der Profibetrieb ausgegliedert wird. Schätzungen über die Anzahl der betroffenen Klubs lassen sich nur schwer treffen.
Die Zeit drängt jedenfalls. Der Wartungserlass ist beschlossene Sache. Bis 1. Jänner 2017 müssen die Vereine eine Entscheidung über ihre Zukunft treffen. Die Revolution läuft.
Jakob Faber / Peter Altmann