Was denkt man eigentlich in dem Moment, in dem man österreichische Fußball-Geschichte schreibt?
"Na, des woa ma eigentlich wuascht", grinst Romano Schmid in feinem Steirisch, "daran habe ich gar nicht gedacht. Aber mich freut's, dass ich der Erste bin."
Das historische Bewusstsein kam erst später und wird ihn nicht so bald verlassen: Denn den Rekord, der allererste in den 2000er-Jahren geborene Torschütze der Bundesliga zu sein, kann dem Juwel des SK Sturm Graz naturgemäß für alle Ewigkeit niemand mehr abspenstig machen.
Am 27. Jänner 2000 erblickte Schmid in Graz das Licht der Welt. 17 Jahre, 6 Monate und 3 Tage später profitierte er von einer Unzulänglichkeit von Austria-Goalie Osman Hadzikic.
Das Tor, das in die Geschichte eingeht, auf Video:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Schmid: "Ein geiles Gefühl"
Damit erzielte er das so wichtige 3:1 für die Steirer, das beim 3:2-Erfolg am Ende den Unterschied ausmachen sollte. Dass er angesichts der Wichtigkeit des Tores und der Emotionen des ersten Bundesliga-Treffers nicht seine historische Relevanz im Kopf hatte, ist natürlich mehr als verständlich.
"Es war ein geiles Gefühl", resümiert der Teenager den Augenblick, "ich bin auf Verdacht in die Tiefe gelaufen, weil ich wusste, dass ich 'Hussi' (Philipp Huspek) im Training auch immer so schicke, jetzt hat er es im Match halt so bei mir gemacht. Ich habe gesehen, dass der Tormann vielleicht außerhalb vom Sechzehner den Ball annehmen muss, das hat er gemacht, und er hat ihn schlecht angenommen. Ich habe spekuliert und gesehen, dass der Ball weiterfliegt. Dann bin ich schnell aufgestanden und habe ihn reingeschossen."
Am Ende sei es noch einmal knapp geworden: "Aber das ist ja wurscht. Tor ist Tor!"
Schmid kennt keine Nervosität
Sturm-Fans geht bei guten Leistungen von hauseigenen Talenten schnell einmal das Herz auf. Wenn sie auch noch so kaltschnäuzig und frech wie Schmid agieren, dann umso mehr.
Schon in Runde 1 gegen den SKN St. Pölten rettete er im Prinzip den Sieg, als er nach seiner Einwechslung den siegbringenden Elfmeter herausgeholt hat. Auch im Heimspiel gegen Fenerbahce durfte er in der Schlussphase aufs Feld und pfiff sich auch gegen die bekannten Namen bei den Türken nichts.
Kein Anflug von Nervosität, wenn es gegen solche Kontrahenten geht, oder er in riesigen Arenen wie dem Happel-Stadion ran darf? "Nein, ich bin eigentlich nie nervös. Anspannung und Vorfreude sind immer da, aber nervös bin ich nicht."
Lob für den "Frechdachs"
"Er ist ein kleiner Frechdachs, spielt einfach unbekümmert und selbstbewusst", lobt Trainer Franco Foda seinen Jungspund, der auch bei seinen Kollegen Eindruck geschunden hat.
"Der 'Klane' scheißt sich nix", weist auch Peter Zulj auf die Unbekümmertheit des 17-Jährigen hin, "er kommt aufs Spielfeld, zeigt seine Qualität, ist schnell, quirlig, hat eine super Technik. Uns tut es richtig gut, wenn er reinkommt und Unruhe ins Spiel bringt. Das hat man gegen die Austria gesehen. Ich denke, dass nicht jeder der Kugel so nachgeht wie er. Mich freut es richtig, dass er sein erstes Bundesliga-Tor gemacht hat."
Auch Fabian Koch lobt: "Er gibt immer alles, haut alles rein und zurzeit schaut sehr viel dabei raus. Das ist wichtig für ihn, aber auch für uns als Mannschaft. Ich als Mitspieler bin sehr zufrieden mt ihm."
Beim Blick auf das Geburtsjahr des jungen Kollegen kann aber auch die Mitspieler ein gewisser Neid ereilen. Bei den ersten beiden Meistertiteln der Vereinsgeschichte 1998 und 1999 war Schmid noch gar nicht auf der Welt, beim dritten Coup im Jahr 2011 war er elf Jahre alt.
Bei Sturm kann man sich mit 24 "alt" fühlen
"Gegen die Austria war ich unser Ältester. Mit Christian Gratzei und Christian Schulz haben wir nur noch zwei Ältere als mich im Kader", merkt auch Koch (Jahrgang 1989) mit seinen 28 Jahren, dass die Zeit verfliegt.
Selbst Zulj (Jahrgang 1993) hob mit seinen 24 Jahren den Altersschnitt von 23,3 Jahren gegen die Austria ein klein wenig an. "In diesem Kader fühle ich mich allgemein schon ein bisschen älter, weil wir schon sehr viele junge Spieler haben", lacht der Oberösterreicher, "aber mich freut es, wenn die Jungen raufkommen, sich zeigen und gut präsentieren."
"Sicher bin ich im Gegensatz zu ihm jung, aber er ist ja auch noch nicht der Älteste", spendet Schmid augenzwinkernden Trost.
Neben Schmid haben in dieser Saison mit Dario Maresic und Sandi Lovric drei weitere Youngster bereits wertvolle Akzente gesetzt. Während für den 19-jährigen Lovric schon länger Chancen eingefordert wurden, wird die viele Spielzeit der beiden 17-Jährigen durch die zahlreichen Ausfälle begünstigt.
"Man sieht von Woche zu Woche, welche Qualität Dario, Sandi und 'Schmidi' haben. Aber sie müssen im Training weiter gut arbeiten, dann haben sie noch eine große Karriere vor sich", meint Zulj.
Nur nicht hypen
So sehr sich alle Beteiligten bei Sturm freuen, dass der eigene Nachwuchs aufzeigt, kennt man in Graz neben dem Potenzial natürlich auch die Gefahren. Man dürfe Schmid noch nicht hypen, warnte Geschäftsführer Sport Günter Kreissl nach dem Austria-Spiel.
Auch Foda ist bemüht, die Erwartungshaltung nicht zu früh zu groß werden zu lassen.
"Eigentlich war der Plan, dass wir dem einen oder anderen jungen Spieler Einsatzzeiten geben, aber jetzt müssen sie schon Verantwortung übernehmen", meint der Coach im Hinblick auf Lovric, Maresic und Schmid, "das ist gut, aber ich weiß, dass es eine sehr lange Saison ist, in der junge Spieler Leistungsschwankungen haben werden. Daher darf man das jetzt nicht überbewerten. Sie müssen wissbegierig bleiben, müssen immer dazulernen wollen. Dann wird der eine oder andere Junge auch seinen Weg gehen."
Wenn es um die eigenen Ansprüche geht, regiert beim "Frechdachs" ohnehin die Bescheidenheit. "Ich gebe einfach in jedem Spiel mein Bestes und schaue, dass ich der Mannschaft auch mit 17 Jahren helfen kann", sagt Schmid und verspricht: "Wenn ich für 20 Minuten reinkomme, gebe ich einfach alles, was ich habe. Bis jetzt habe ich mich für die harte Arbeit belohnt."