Die Frage nach der Zielsetzung gehört zum medialen Standard-Repertoire vor einer Saison, ist aber gerade in der österreichischen Bundesliga bisweilen keine sonderlich spannende.
Denn mit dem FC Red Bull Salzburg ergibt sich der logische Titelanwärter ohnehin von selbst. Dass die beiden Wiener Vereine Rapid und Austria sowie Sturm Graz Ansprüche auf die Plätze dahinter anmelden, ist auch logisch.
Rapid brach vor der vergangenen Saison aus dem gewohnten Schema aus, nahm vollmundig die "Mission 33" ins Visier und legte statt eines Höhenflugs zum ersten Titel seit 2008 eine spektakuläre Bruchlandung hin.
Und schon ist sie spannend, die Frage: Was kann Rapid in der Spielzeit 2017/18 erreichen?
Der Spagat
Die Grün-Weißen gehen definitiv als eine große Unbekannte in die Saison. Denn so ganz genau wagt man sich auch in Hütteldorf nicht einzuschätzen.
Mut oder Demut bei der Zielsetzung? Ist ein Spagat zwischen Understatement auf der einen und trotzdem Hoffnungen schüren auf der anderen Seite notwendig?
Vor einem Jahr erschien es zu dieser Zeit angesichts von drei Vizemeistertiteln in Serie und des Umzugs ins Allianz Stadion legitim, die Ansprüche nach oben zu schrauben und offensiv die Meisterschaft anzustreben. Ebenso legitim ist, dass sich Rapid derzeit in die Defensive zurückzieht.
Die Mut-oder-Demut-Frage lässt sich daher leicht beantworten.
Hofmann demütig
"Wir wissen, dass wir mehr Qualität haben als das, was wir letzte Saison gezeigt haben, aber wir werden sicher nicht irgendwelche Ziele in den Raum schmeißen, die uns danach wieder auf den Kopf fallen", stellt Steffen Hofmann klar.
Die Devise des Altstars: "Natürlich werden wir demütig in die Saison gehen. Das letzte Jahr hat uns gezeigt, dass es schnell in die falsche Richtung gehen kann. Aber wir wissen auch, dass wir nicht so schlecht sind. Dementsprechend werden wir unsere Ziele setzen."
Die offizielle Sprachregelung im Verein: Geschäftsführer Fredy Bickel wird mit Trainer Goran Djuricin und der Mannschaft im Trainingslager die genaue Zielsetzung ausarbeiten.
Diese wird wohl Top 3 oder Top 4 lauten und das M-Wort offiziell nicht beinhalten. Schließlich hat Djuricin schon klargestellt, dass die Euphorie, mit der vergangenen Sommer vom Meistertitel gesprochen wurde, zu viel Druck erzeugt habe.
Das Salzburg-Argument
"Ich will unsere Besprechungen nicht vorwegnehmen, aber Top 4 muss einfach sein, auch wenn man selber weiß, dass Platz eins etwas utopisch ist", sagt Bickel. Das Argument der übermächtigen Salzburger zieht nun auch im Westen Wiens wieder.
"Wenn Salzburg dabei ist, geht man nie als Favorit in die Meisterschaft", betont Thomas Murg. Dem Mittelfeldspieler ist jedoch auch klar, dass das Pendel bei Rapid wohl nie zu sehr in Richtung Understatement ausschlagen kann:
"Wenn man bei einem Verein wie Rapid spielt, mit diesen Zuschauern, dann will man in die Top 3 kommen, das ist eh klar. Wenn es dann wie letztes Jahr nicht klappt und man sogar weit hinten mitspielt, ist natürlich jeder enttäuscht. Aber ich glaube schon, dass es realistisch ist, dass wir in die Top 3 kommen."
Chance für unveränderten Kader
Interessant ist, dass ein mehr oder weniger unveränderter Kader (nur Boli Bolingoli ist neu) die Chance zur Wiedergutmachung bekommt. Ein Kader, den viele vor zwölf Monaten noch für titelreif hielten.
Zwar wird es bis Ende August noch Adaptionen am Aufgebot geben, aber diese werden sich in Grenzen halten. Wie sehr die alte Saison noch in den Köpfen steckt oder ob tatsächlich demselben Personal ein Befreiungsschlag gelingt, werden tendenziell die ersten Meisterschaftsrunden erahnen lassen. Vorerst regiert also weiter die Ungewissheit.
"Wir gehen in eine Saison, wo wir selbst nicht genau wissen, wo wir stehen. Wir sind gespannt, was beim Kader noch passiert, aber im Großen und Ganzen steht die Mannschaft. Gegen Ende der letzten Saison haben wir gesehen, dass wir besser spielen können. Davor hatten wir einen langen Durchhänger, der viele Punkte gekostet hat. Das darf uns nicht mehr passieren. Es ist wirklich schwer zu sagen, wo wir uns hinorientieren müssen", rätselt auch Stefan Schwab.
Djuricin als "neuer" Faktor
Einen "neuen" Faktor gibt es jedoch mit Djuricin. Der leitet seine erste Vorbereitung als Cheftrainer und darf daher durchaus als Hoffnungsträger auf bessere Zeiten bezeichnet werden.
"Der Trainer hat die Mannschaft zu einem ganz schwierigen Zeitpunkt übernommen und es richtig gut gemacht, uns die Sicherheit zurückgegeben", betont Hofmann. Auch Schwab lobt den Turnaround unter dem neuen Übungsleiter und meint:
"Wir als Mannschaft trauen dem Trainer sehr viel zu. Er geht sehr gut mit uns um, wir können sehr gut mit ihm. Schon gegen Ende der letzten Saison haben wir teilweise wieder guten Offensivfußball gezeigt. Dafür stehen Rapid und auch das jetzige Trainer-Team."
Positiv ist, dass der Pfeil fast nur nach oben gehen kann. "Ich bin überzeugt, dass wir nicht mehr eine solche Saison spielen wie die letzte", betont Bickel.
Angesichts der Ansprüche von Rapid nicht ganz unwichtiger Nachsatz: "Wobei das auch nicht so schwierig ist, das weiß ich natürlich."
Zu viel Tiefstapelei wäre dann wohl auch unglaubwürdig.