Einst war Thierry Henry die Nummer eins, dann Theo Walcott und jetzt ist es Hector Bellerin.
Jahr für Jahr hält der FC Arsenal bei den Leistungstests vor der Saison einen 40-m-Sprint ab. In der Kabine gilt das Rennen längst als eine Sache von hoher Prestige.
Dementsprechend wurmte es Walcott, als im letzten Sommer ein Milchgesicht seinen Rekord um eine Hundertstel unterbot: „Hatte er günstigen Wind? Ging es bergab?“
Nein, Bellerin ist einfach nur unglaublich flink auf den Beinen. Nicht nur deswegen sehen viele in ihm das Potenzial zum besten Außenverteidiger der Welt.
Sagna-Abgang genützt
Vor etwas mehr als einem Jahr war das noch ganz anders. Für den Champions-League-Auftakt gegen Dortmund suchte Arsene Wenger nach einem Rechtsverteidiger. Bacary Sagna hatte die Gunners im Sommer verlassen. Seine etatmäßigen Nachfolger Calum Chambers und Mathieu Debuchy waren beide verletzt.
Also musste Wenger auf einen 19-jährigen Katalanen zurückgreifen, den er 2011 um eine halbe Million Euro höchstpersönlich vom FC Barcelona loseiste. Bellerin legte beim 0:2 gegen die Borussen eine erste, wenn auch teilweise fehlerhafte Talentprobe ab.
Seitdem zeigt die Leistungskurve aber beständig nach oben. Der 20-Jährige wusste den Sagna-Abgang zu seinen Gunsten zu nutzen. Längst hat er sich bei Arsenal einen Stammplatz erkämpft.
England die bessere Liga als Spanien?
Dabei könnte der La-Masia-Schüler momentan genauso gut im Camp Nou auflaufen. „Arsenal hat mir damals einen attraktiven Weg geboten. Natürlich wächst du bei Barca mit einem großartigen Spielstil auf, aber ich wollte etwas Neues kennenlernen“, sagt Bellerin, der gemeinsam mit Mittelfeldspieler Jon Toral (derzeit auf Leihe bei Birmingham) zu den Gunners wechselte.
Ein Vorbild auf diesem Weg sei Cesc Fabregas gewesen, der einst selbst aus Katalonien Richtung London aufbrach. Generell zieht Bellerin aber die englische Liga der spanischen vor.
Aber hey! Das ist das Schöne am englischen Fußball!
Er begründet: „Ich mag es, um einen Sieg hart zu kämpfen. In England musst du sogar gegen den Tabellenletzten immer ans äußerste Limit gehen. Das ist eine gute Sache, auch wenn man manchmal selbst draufzahlt. Aber hey! Das ist das Schöne am englischen Fußball!“
Er liebt Call of Duty
Bellerins entscheidende Waffe, um im engen Kampf der Premier League zu bestehen, ist seine Schnelligkeit. Ein Attribut, das auf seiner Position ganz besonders gefragt ist.
„Ich habe dafür eine ganze Menge im Training investiert. Es ist die Arbeit, die du nicht siehst. Die Arbeit im Schatten, die sich letztlich am Platz bezahlt macht“, so Bellerin, der dafür auch Statistiken nützt: "Die Zahlen können dir dabei helfen, zu sehen, wo du im Vergleich mit den Besten stehst. Wenn du der Beste sein willst, willst du wissen, wo du noch besser werden musst."
Der Call-of-Duty-Freak („Ich spiele es gerne nach den Matches, um runterzukommen“) weiß seine Schnelligkeit sowohl offensiv als auch defensiv zu nutzen.
Bei eigenem Ballbesitz reißt er mit seinen Läufen gerne Löcher in die gegnerischen Abwehrreihen. Bellerin ist sowohl im Stande, seinen Vorderspieler außen zu hinterlaufen, als auch selbst den Weg in den Strafraum zu suchen - so gesehen beim 4:1 gegen Liverpool in der letzten Saison, als er das Führungstor erzielte.
Wenger: „Er hat sich enorm gesteigert“
„Hector war schon immer gut darin, anzugreifen“, sagt sein „Boss“ Wenger und ergänzt: „Gleichzeitig wurden seine Defensiv-Qualitäten stets hinterfragt. In diesem Bereich hat er sich zuletzt aber am meisten verbessert, ohne seine Fähigkeiten in der Offensive einzubüßen. Ich würde sagen, im Spiel gegen den Ball hat er sich enorm gesteigert.“
Wengers Lob kommt nicht von ungefähr. Beim 2:0-Sieg gegen die Bayern am 3. CL-Spieltag gab der Spanier seine erste echte Bewährungsprobe auf internationalem Niveau ab. Er bekam es mit dem nicht minder flinken Douglas Costa zu tun. Zwar hatte Bellerin bei einem Dribbling des Brasilianers, das später zum Internet-Hit avancierte, das Nachsehen, alles in allem konnte er den Flügelflitzer aber ruhig halten.
Graphic: Hector Bellerin vs Douglas Costa [@WhoScored]. #afc pic.twitter.com/QYsHSrjYfE
— afcstuff (@afcstuff) October 22, 2015
Am Ende hatte er sogar mehr Socererpunkte am Konto als sein Gegenspieler. Denn in der letzten Minute sprintete der 20-Jährige in einen Pass von David Alaba, um anschließend mustergültig Mesut Özils Tor zum 2:0-Endstand vorzubereiten.
Schneller als Bolt
Bei Arsenal wächst mit Bellerin also ein kompletter Außenverteidiger moderner Schule heran. Schon jetzt besitzt er für sein Alter eine außergewöhnlich hohe Spielintelligenz.
Angesichts dessen erinnert er ein wenig an den jungen Alaba, der bei den Bayern einst als aufstrebendes Talent außen in der Viererkette auf sich aufmerksam machte.
Mittlerweile auf mehreren Position im Einsatz, stellt der ÖFB-Star den jungen Spanier von seiner Klasse und Flexibilität her freilich noch klar in den Schatten. In Puncto Schnelligkeit kann aber selbst Österreichs Fußball-Gott nicht mit dem wieselflinken Gooner mithalten.
Kein Wunder, hat doch sogar Usain Bolt das Nachsehen. Der ManUnited-Fan benötigte bei seinem 100-m-Weltrekord für die ersten 40 m 4,64 Sekunden.
Bellerins Arsenal-Rekord auf derselben Distanz steht bei 4,41 Sekunden. Ganze 23 Hundertstel schneller.
Jakob Faber