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Rot-Ärger bei SCR: "Hätten 4:0, 5:0 machen sollen"

Traumstart, Europacup-Sieg - doch für Rapid war gegen Vitesse mehr drin.

Rot-Ärger bei SCR: Foto: © GEPA

Europacup-Sieg, in Wien-Hütteldorf, bei Flutlicht, vor immerhin doch wieder einmal 10.700 Fans.

Es war einer dieser Momente, die sich der SK Rapid herbeigesehnt hat, unterstützt von einer lautstarken Fan-Tribüne, die lange Zeit ihre Kehlen geschont hatte. Am Ende wissen die Grün-Weißen jedoch nicht ganz genau, ob sie sich über den 2:1-Heimspielerfolg gegen Vitesse Arnheim (Spielbericht >>>) freuen oder ärgern sollen.

Denn dank einer mannschaftlich geschlossenen Leistung, dem anfangs perfekten Spielverlauf und einem Plan, der aufging, hätte durchaus ein höherer Sieg herausschauen können. "In erster Linie überwiegt einmal, dass wir das Spiel gewonnen haben. Wir wissen natürlich, dass in der ersten Halbzeit das eine oder andere Tor von uns mehr drin gewesen wäre", stellte Marco Grüll nach dem Schlusspfiff klar.

"Wir nehmen den Sieg gerne mit", freute sich auch Torhüter Paul Gartler, der Rapid in einer brenzligen Schlussphase vor weiteren Gegentoren bewahrte. "Wir wollten das Spiel heute gewinnen, dann ist für das Rückspiel alles möglich, das ist uns gelungen."

Zwiegespaltener fiel da schon das Fazit von Trainer Ferdinand Feldhofer aus. Auf der einen Seite lobte er die Moral der Mannschaft und ein über weite Strecken sehr gutes Spiel: "Es war ein sehr schöner, erfolgreicher Europacup-Abend für die grün-weiße Familie mit vielen Torraumszenen, viel Tempo und viel Hektik, teilweise auch vom Herrn Schiedsrichter unnötig herbeigeführt. Da waren für beide Mannschaften richtig viele unglückliche Entscheidungen."

Zum anderen musste der Steirer dann aber doch zerknirscht feststellen: "Trotzdem waren die ersten 60 Minuten mehr als okay. Wir waren voll im Spiel, haben das so durchgezogen, wie wir wollten. Wir hätten das 3:0, 4:0, 5:0 machen sollen, haben wir aber nicht."

Traumstart, Chancen auf mehrere Tore, und dann: "So war es nicht gewollt"

Besser hätte Rapid nicht in die Partie starten können. Lediglich 33 Sekunden benötigten die Grün-Weißen dafür, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen. 33 Sekunden waren es auch, die Neo-Stürmer Ferdy Druijf bei seinem Startelf-Debüt reichten, um seine Qualitäten unter Beweis zu stellen.

Eine tolle Flanke, super Unterstützung von den Fans - und dann freute sich der Niederländer ausgerechnet gegen seine Landsleute. Es war ein Startschuss, der den SCR entfesselte und die Fans auf seine Seite holte. Mit frühem Pressing und gut herausgespielten Aktionen blieb man am Drücker, Druijf hätte das 2:0 aufs leere Tor nachlegen können, das erledigte dann Grüll bereits nach 15 Minuten.

Weitere Chancen folgten, doch danach zog sich Rapid mehr zurück, war nicht mehr so griffig, ließ den Gegner kommen. "Die erste Halbzeit war sehr gut von uns, wir sind super reingestartet, haben verdient 2:0 geführt und hätten nachlegen können. Zweite Halbzeit wollten wir dann mehr im Block verteidigen. Das war dann auch bis zur Roten Karte sehr, sehr gut", erklärte Grüll die Umstellung.

Anstatt am Drücker zu bleiben, ging so aber ein wenig der Druck verloren. Auf LAOLA1-Nachfrage, ob der Trainer das wieder so machen würde, stellt dieser klar: "So war es nicht gewollt. Wir wollten schon in einem Block agieren, in einem Mittelfeld-Pressing, damit wir auch die Räume hinter ihnen bekommen. Wir wussten, dass wir da große Räume bekommen werden, das war auch so. Ferdy Druijf hat dann an die Latte geschossen. Der Plan hätte schon gepasst."

Gelb-Rot für Stojkovic der Knackpunkt: "Also bitte!"

Wenn dann eben nicht die schon angesprochene Rote Karte laut Grüll "unser Spiel durcheinandergewürfelt" hätte. Einem Routinier wie Filip Stojkovic sollte das zweite Foul gelbbelastet nicht passieren, große Diskussionen löste aber vor allem die erste Gelbe Karte aus.

"Bei der ersten Gelben spielt er den Ball drei Meter weg vom Gegner, dann ist der Rasen nass und er zieht die Füße ein. Wo soll er denn hin? Hat er ihn getroffen? Also bitte. Und wenn man schon über solche Szenen spricht, dann habe ich davor eventuell eine Rote Karte wegen einem Ellbogen an Moormann gesehen. Das Spiel hätte ganz anders ausgehen können", ärgerte sich Feldhofer über die Entscheidungen des Schiedsrichters.

Auch Grüll musste seinen Teamkollegen verteidigen: "Die erste Gelbe Karte ist für mich ein Wahnsinn. Er spielt ganz klar zuerst den Ball weg. Auf einem nassen Boden kann man nicht zwei Zentimeter später einfach stehenbleiben. Das ist halt leider nicht möglich. Die zweite Gelbe Karte muss er dann wahrscheinlich geben."

Souveränität ließ der Schiedsrichter aus Litauen des Öfteren vermissen, elf Gelbe Karten inklusive einmal Gelb-Rot sprechen eine deutliche Sprache. "Es waren zu viele Gelbe Karten auf beiden Seiten, das Spiel kam selten in Schuss, es waren zu lange Pausen. Das war nicht gut an so einem Europacup-Abend - für beide Seiten nicht. Da kann man eine bessere Leistung bringen."

"Das hätte Vitesse dann noch richtig wehgetan"

Deshalb wendete sich das Blatt in Unterzahl extrem. Vitesse witterte seine Chance, drängte, und Rapid hatte auch Glück. Ein Tor von Adrian Grbic kurz nach der Pause zählte nicht, obwohl er wohl nicht im Abseits stand. Da es jedoch bis zum Finale keinen VAR in der Europa Conference League gibt, konnte Rapid durchatmen.

"Natürlich hat ihnen die Rote Karte reingespielt, wir hätten sonst mehr Räume bekommen. Mit Fountas, eventuell Knasmüllner und Arase hätten wir richtig Speed gekriegt, das hätte ihnen dann noch richtig wehgetan. So ist es leider anders gekommen", hätte Feldhofer gerne das Spiel in der Endphase mit elf gegen elf gesehen.

"Ab der Roten Karte waren es dann extrem weite Wege. Jeder Ball wurde aus dem Halbfeld in den Strafgraum gehaut. Das war dann für unser Mittelfeld schwierig zuzulaufen. Wichtig ist aber im Endeffekt, dass wir es drübergebracht haben", war Grüll, der mit einem Tor und einem Assist wieder einmal herausstach, glücklich.

Dass Vitesse der Ausgleich trotz Riesenchancen nicht mehr gelang, lag an der schwachen Chancenverwertung der Gäste, am eisernen Willen der Hütteldorfer und an Schlussmann Paul Gartler. "Es freut mich, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Dafür bin ich da als Tormann, dass ich der Mannschaft in schwierigen Situationen helfen kann. Wir waren extrem kompakt trotz der Roten Karte, haben es gut wegverteidigt. Mit einem Mann weniger ist es schwer, und wenn man so viel investiert, noch einmal schwieriger, die Wege zu gehen."

Feldhofer hebt Moral und Zusammenhalt hervor

Deshalb musste auch Feldhofer seiner Mannschaft Respekt zollen, wie sie sich auch mit einem Mann weniger in jeden Ball warf und sich den Sieg schlussendlich erarbeitete und erkämpfte.

"Ich kann nur die Moral der Truppe hervorheben, den Zusammenhalt. Auch wir hatten jetzt nicht die einfachste Phase, haben uns das mit der Jugend und dem Selbstvertrauen im Trianing immer wieder erarbeitet. Deshalb bin ich überglücklich über den heutigen Sieg."

Zufrieden geben wird sich der engagierte SCR-Coach damit aber nicht. Trotz der starken 60 Minuten gäbe es noch an vielen Schrauben zu drehen und sich zu verbessern, wie der 42-Jährige selber zugibt

"Heute haben wir über weite Strecken ein sehr gutes Spiel gemacht, aber es waren auch Dinge dabei, die wir verbessern müssen, sonst hätten wir das 3:0 oder 4:0 gemacht – wer weiß? Aber ich bin sehr glücklich, dass wir so agieren können."

Die 90 Minuten, plus sieben Minuten Nachspielzeit, sind damit Geschichte. Auf ein "Was-wäre-wenn-Spielchen" ohne Rote Karte oder mit einer 3:0- oder 4:0-Führung lässt sich Rapid gar nicht ein. Viel mehr darf man den Europacup-Sieg genießen. Abgerechnet wird aber erst in einer Woche in Arnheim.


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