Neues System, das eine oder andere ungewohnte Gesicht - ÖFB-Teamchef Marcel Koller hat beim Start ins Länderspiel-Jahr 2017 ein Zeichen gesetzt.
Dies bringt naturgemäß Gewinner und Verlierer mit sich.
Sollte die Dreierkette auch weiterhin eine ernsthafte Option sein, zählt Sebastian Prödl fraglos zu den Gewinnern, tendenziell ist er sogar der größte Sieger.
"Mich hat es wieder an Land gespült", grinst der Watford-Legionär, "mich bringt der System-Wechsel auf alle Fälle zurück in den Konkurrenzkampf."
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Zurück im Notizblöckchen des Teamchefs
"Das heißt nicht, dass dieses System jetzt in Stein gemeißelt ist oder wir es immer spielen werden, aber es bringt mich nicht nur zurück ins Notizblöckchen des Teamchefs, sondern gibt mir persönlich auch Motivation für die Zukunft, dass es wieder einen Platz für mich gibt und ich den auch berechtigt füllen kann", so die Abwehrkraft weiter.
Prödl hat inzwischen die stattliche Anzahl von 61 Länderspielen auf dem Buckel. Spielte das ÖFB-Team mit einer Viererkette, musste er sich zuletzt jedoch meistens hinter Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger anstellen. Bis zum Moldawien-Spiel reichte es für ihn nach der EURO nur zu einem Kurzeinsatz gegen Serbien, wobei er für das Doppel gegen Irland und die Slowakei absagen musste.
Der Steirer ist deswegen der größte Gewinner, weil eine Dreierkette logischerweise einen dritten Innenverteidiger bedingt. Ordnet man alle übrigen Startelf-Mitglieder des Moldawien-Spiels neu und ersetzt Prödl durch einen Linksverteidiger oder defensiven Mittelfeldspieler (je nachdem, wo man David Alaba ansiedelt), kann man umgehend wieder das gewohnte 4-2-3-1 spielen.
"Mir ist es eigentlich egal, ob Vierer- oder Dreierkette. Ich finde beide Systeme gut. Die Viererkette habe ich natürlich zehn Jahre gespielt, da hat man mehr Automatismen als gesamte Mannschaft", hat der 29-Jährige im Prinzip keine persönliche System-Präferenz.
"Dreierkette gegen Finnland wäre ratsam"
Dass er darauf hofft, dass die Dreierkette weiter eine Option ist, liegt jedoch auf der Hand. Auch unabhängig von seiner Person seien weitere Probeläufe notwendig, um eine weitere ernsthafte Alternative zur Verfügung zu haben:
"Vor dem Moldawien-Spiel hatten wir zwei Trainings-Einheiten. Es hat soweit ganz gut funktioniert, aber gegen große Gegner hätten wir so schon noch ein Problem. Das ist kein großes Problem, aber so ein System erlernt sich eben nicht in drei Tagen, sondern damit müssen wir einige Stunden verbringen - nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Taktik-Schulung, um dieses System zu festigen, Abläufe kennenzulernen."
Seine Schlussfolgerung: "Wenn es für den Teamchef eine Alternative für die Zukunft ist, wäre es sehr ratsam, es auch gegen Finnland anzuwenden."
Harnik hat positive Wut in sich
Möglicherweise weniger ein Opfer der Umstellung auf eine Dreierkette, aber eher unter die Kategorie Verlierer des Auftakts in das Länderspiel-Jahr 2017 sind mit Marc Janko und Martin Harnik zwei langjährige Weggefährten Prödls einzuordnen.
Mit 64 (Harnik) beziehungsweise 62 (Janko) Länderspielen hat auch dieses Duo bereits mehr als 60 Länderspiele auf der Visitenkarte stehen. Gut möglich jedoch, dass die beiden auch in einem 4-2-3-1-System von Marcel Sabitzer beziehungsweise Guido Burgstaller vertreten worden wären.
Bei Harnik ist es kein neuer Trend, er musste sich bereits im Herbst bisweilen hinter Sabitzer anstellen. Mit seinem Joker-Tor hat er immerhin ein lautstarkes Lebenszeichen von sich gegeben. Für Janko ist indes mit dem bei Schalke stark aufspielenden Burgstaller ernsthafte Konkurrenz aufgetaucht.
"Es wäre traurig, wenn wir im Nationalteam keinen Konkurrenzkampf hätten. Es ist gut, dass der Trainer aus so vielen Spielern wählen kann. Wir haben auch einige Spieler, die mit viel Selbstbewusstsein und einigem sportlichen Erfolg angereist sind und das Momentum auf ihrer Seite haben", ist Harnik bewusst.
Der Hannover-Legionär betont, dass ihn die Bankrolle anspornen würde: "Als ich erfahren habe, dass ich auf der Bank Platz nehme, habe ich dem Trainer gesagt, dass ich eine positive Wut in mir habe. Wenn ich nicht den Anspruch hätte zu spielen, wäre ich nicht hier. Aber natürlich nicht in dem Sinne, dass ich der Mannschaft den Erfolg nicht gönne, denn wir haben ein gemeinsames Ziel, und dazu möchte ich natürlich so viel wie möglich beitragen."
Hatte Koller bei Janko die EURO im Hinterkopf?
Janko betont, dass er schon in der Vergangenheit auch im Nationalteam das eine oder andere Spiel als Reservist begonnen hätte, die Situation für ihn daher kein Neuland sei. "Ich habe ein bisschen damit gerechnet, um ehrlich zu sein", erklärt der Basel-Legionär, der glaubt, dass die System-Umstellung weniger mit der Entscheidung gegen ihn zu tun hatte.
Vielmehr vermutet er seine Muskelverletzung bei Basel als Grund. Der 33-Jährige hatte erst am Wochenende vor dem ÖFB-Camp sein Comeback für die Schweizer gefeiert.
"Ich glaube, das hat bei seiner Entscheidung mitgespielt, weil er vielleicht noch die EURO ein bisschen im Hinterkopf hatte. Damals war ich vor dem Turnier lange Zeit verletzt. Dass die Situation nie ideal ist, wenn man ohne großen Spielrhythmus zu einer intakten Mannschaft stößt, liegt auf der Hand", betont Janko.
Sorgen macht sich der Goalgetter noch keine, schließlich sei er in vier von fünf Quali-Spielen in der Startelf gestanden. "Keiner sitzt gerne auf der Bank, aber Guido hat in den letzten Wochen eine super Form bewiesen, ich hatte aber auch nicht einen wahnsinnigen Unlauf. Der Trainer hatte die Qual der Wahl und sich für Guido entschieden. Das ist absolut legitim und in letzter Instanz die Entscheidung des Teamchefs, der wir uns zu fügen haben. Aber natürlich möchte ich immer spielen, wenn ich komme, das ist auch klar."
Nur keine schlechte Stimmung!
Wichtig sei laut Janko die richtige Reaktion, wenn der Sprung in die Startformation nicht gelingt: "Je mehr Spieler der Teamchef für eine Position zur Verfügung hat, desto besser. Konkurrenzkampf belebt immer die Performance am Platz. Wichtig ist nur, keine schlechte Stimmung zu machen, wenn man weiß, dass man die zweite Geige ist. Das ist einfach fehl am Platz, weil wir gemeinsame Ziele erreichen wollen. Da wird jeder gebraucht. Bei uns hat auf jeden Fall jeder das große Ganze im Blickfeld."
Ob er damit rechnet, im Test gegen Finnland zu beginnen? "Ich gehe nicht davon aus, aber ich hoffe es."
Man darf gespannt sein, wie sich der ÖFB-Personal-Poker im weiteren Verlauf des Länderspiel-Jahres entwickelt. Konnte man in der Vergangenheit die Startelf bisweilen schon zu Beginn des Lehrgangs in weiten Zügen erahnen, scheinen die Karten nun ein wenig mehr gemischt zu sein, ohne die Vorteile eines eingespielten Stamms komplett zu vernachlässigen.