„Taktik ist überbewertet“, meinte einmal ein gewisser Didi Constantini in seiner ÖFB-Ära.
Mit „Dreierkette, Achterkette oder Fahrradkette – das ist nicht entscheidend“, fand Peter Pacult.
Aufgrund dessen verwundert es nur wenig, dass die beiden aktuell nichts mehr bzw. nur kurzfristige Engagements bei Profi-Vereinen genießen.
Denn Teamspieler Sebastian Prödl hat eine andere Theorie: „Der Fußball ist viel taktischer, interessanter und vielleicht auch ein bisschen zerfahrener geworden."
"Weil viele Mannschaften am Umstellen, Adaptieren und Weiterentwickeln sind. Deshalb prallen da oft Welten aufeinander. Natürlich brauchen auch wir als erfahrene Fußballer Zeit, das zu lernen.“
Komplexes System nicht im Schnellverfahren zu lernen
Damit nimmt der Watford-Legionär Bezug auf systematische Veränderungen, wie im ÖFB-Team beim 2:0-Erfolg gegen Moldawien – mit Dreierkette.
Diese kennt der 29-Jährige bereits von den „Hornets“, auf der Insel vertraut sein Klub schon seit Saisonbeginn auf diese Ausrichtung. Von der Perfektion ist man aber auch dort noch entfernt: „Daher weiß ich, dass man einige Zeit braucht, um so ein System zu festigen, sich zu verbessern, um die Automatismen zu kennen.“
Fans fordern Einsatz von Le Schladi:
In Bezug auf das Nationalteam schlägt er deshalb vor: „Das System erlernt sich halt nicht in drei Tagen, sondern da müssen wir einige Stunden damit verbringen, nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Taktik-Schulung, weil der Fußball komplexer wird.“
Mit dem Zusatz: „Wenn es für den Teamchef eine Alternative für die Zukunft ist, wäre es sehr ratsam, es auch gegen Finnland anzuwenden.“
Dreierkette? Nicht nur, sondern auch
Prödl weiß aber auch ganz genau, dass man sich nicht darauf versteifen darf, Flexibilität und Variabilität heißen die Zauberworte.
Wie bei Watford müsse es das Ziel sein, unterschiedliche Systeme zu beherrschen und auch während eines Spiels Veränderungen vorzunehmen, um noch schwerer ausrechenbar zu sein oder darauf zu reagieren, wenn etwas nicht nach Wunsch läuft.
Die Viererkette habe genauso ihre Vorteile wie die Dreierkette. Erstere sind die meisten gewohnt, um Letztere zu erlernen muss erst einmal Zeit und Arbeit investiert werden.
Dies zahlt sich jedoch aus. Denn Prödl erklärt in einer Art „Taktik-Schulung“ genau, welche Vorteile eine Dreierkette am Beispiel des gespielten 3-4-3 mitbringt.
Feuerwehrmann für die Tiefe, durchdecken und fallen lassen
Im Mittelpunkt stehen zu allererst die drei Mannen in der Defensivreihe, vorrangig gelernte Innenverteidiger wie eben Prödl in der Zentrale sowie Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger auf den Halbpositionen.
„Im Prinzip, wenn ich jetzt keinen direkten Mann habe, bin ich eigentlich eher der Feuerwehrmann. Ich muss die Tiefe abdecken, das kann ich mit meiner Geschwindigkeit eigentlich ganz gut machen, die zwei neben mir können auf die Stürmer rausschieben. Wenn ich den Stürmer nehme, muss Drago oder Hinti mich absichern. Es ist natürlich ein System, wo wir drei hinten schon sehr gefordert sind.“
Gegen Moldawien bekam es die Abwehr nur mit einem Stürmer zu tun, den man abgesehen von unnötigen Fouls in der eigenen Hälfte unter Kontrolle hatte.
„Aber wenn du mit drei Innenverteidigern hinten spielst und du hast nur einen Stürmer, muss theoretisch einer von uns durchschieben auf den Zehner. Deren Zehner war aber immer auf dem eigenen Sechzehner. Wenn du als Innenverteidiger ganz durchschiebst, gibst du komplett deine Seite auf. Wenn der Zehner im Mittelfeld steht, kannst du vorschieben, aber hast immer noch die Möglichkeit, rechts einzugreifen oder dich fallen zu lassen, wenn der Spieler nicht angespielt wird.“
Außenstürmer/-verteidiger im Fokus
Prödl geht ins Detail und spricht gerne die Vorteile und Nachteile an. „Es ist ein bisschen schwierig, aber wie man herauslesen kann, ist es ein sehr komplexes System.“
Eine besondere Aufgabe kommt auch den Außenbahnspielern zu. Trotz aller Offensivkraft müssen diese auch die Räume nach hinten schließen. Was gegen Moldawien nicht so sehr ins Gewicht fiel, kann gegen spielerisch stärkere Gegner zur Herausforderung werden.
„Es müssen lauffreudige Spieler sein, es müssen schnelle Spieler sein – es muss für diese Position kein neuer Spielercharakter erfunden werden, aber es ist schon eine komplexe Position. Du bist teilweise Außenstürmer, aber auch Außenverteidiger. Du musst im Zweikampf bestehen können, du musst die Laufleistung bringen, du musst schnell sein, du musst die Flanken bringen.“
Tino Lazaro und David Alaba füllten diese Positionen gut aus. Auch Martin Harnik oder Marcel Sabitzer wären vorstellbar gewesen. Gegen Teams, die über die Seite jedoch mehr Druck machen, fehlt es diesen im Vergleich an der Erfahrung im Defensivspiel.
Übergewicht, Druck über die Seiten und Unruhe stiften
Wie sehr das ÖFB-Team diese neue Variante schon verinnerlicht hat, wird sich erst gegen stärkere Teams weisen – bei allem Respekt Moldawien gegenüber.
Denn gegen Teams mit zwei oder drei Stürmern ist definitiv mehr defensive Geschlossenheit gefordert. Die Orientierung am Gegner scheint wichtig, aber das eigene Spiel steht im Vordergrund. Denn mit Dreierkette bieten sich neue Möglichkeiten.
„Man kann Übergewicht im Mittelfeld schaffen, man kann über die Seiten extrem Druck machen, indem man Unruhe stiftet – wie man auch am Freitag gesehen hat, vor allem auf der linken Seite mit David (Alaba) und Marko (Arnautovic), die eine sehr gute Achse gebildet haben. Da weiß der Gegner eigentlich selten, wenn er mit Viererkette spielt, mit welchem Spieler man unseren Außenspieler zudeckt, sprich, ob der Rechtsverteidiger oder rechte Mittelfeldspieler auf David geht. Man besetzt Räume, die es einer Viererkette nicht einfach machen, Pressing zu spielen oder durchzudecken. Das heißt, man stiftet beim Gegner Verwirrung.“
Doch nicht nur das. Zu wissen, was hinter den einzelnen Systemen steckt, verschafft dem Kollektiv auch einen Wissens-Vorsprung, wie man am besten damit umgehen kann.
Wissen über andere Systeme ist Macht
Eigene Erfahrungen kann man somit auf den jeweiligen Gegner umlegen.
„Parallel macht es uns auch flexibler im Einsatz gegen ein System. Wenn wir mit einer Viererkette gegen die Iren spielen und sie spielen mit Dreierkette, sollten wir ungefähr wissen, wie der Gegner mit so einem System agiert. Es macht uns nicht nur flexibler in unserer eigenen Art und Spielweise, sondern auch in der Anpassung an den Gegner.“
Trotzdem darf die Dreierkette jetzt nicht als Allheilsmittel abgefeiert werden. Wie Teamchef Marcel Koller aus eigener Erfahrung weiß, benötigt die Verinnerlichung bis zu zweieinhalb Jahre mit einem Nationalteam, bei einem Klub ungefähr ein halbes.
Wichtig ist jedoch, dass nach dem unzufriedenstellenden Jahr 2016 neue Wege eingeschlagen wurden. Und Flexibilität kann für die Zukunft definitiv nicht schaden.