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Nicht das letzte Puzzle fiel aus dem Red-Bull-Mosaik

Der Abgang von Stardesigner Adrian Newey könnte der erste Schritt von einem größeren Verfall sein.

Nicht das letzte Puzzle fiel aus dem Red-Bull-Mosaik Foto: © getty

Es war in einem Salzburger Nachtclub mit lauter Musik und coolen Drinks.

Wir schrieben einen Novemberabend 2005. Red Bull hatte den Club für seine "Blue Elements“-Nacht gebucht. Es war genau ein Jahr, nachdem Dietrich Mateschitz Jaguar Racing vom Ford-Konzern gekauft hatte. Der Erwerb von Minardi als „Juniorteam“ unter dem Namen Toro Rosso war praktisch fix.

Der Chef war persönlich anwesend. Und bester Laune.

In einer Ecke, in kleiner Runde, wurde Dietrich Mateschitz (damals 61) gefragt, warum er denn so gut drauf sei. "Wir haben ihn“, war die kurze Erklärung mit breitem Lächeln. Wen, wurde er gefragt. "Den Adrian“, sagte "Didi“ schmunzelnd.

Richtungsweisender Schritt

Es war der Abend, an dem Mateschitz einen richtungsweisenden Schritt der Formel-1-Geschichte verkünden konnte. Wie sehr richtungsweisend, das wusste damals niemand, und auch der Red-Bull-Gründer konnte es noch nicht ahnen. Nur hoffen. Mateschitz (und Helmut Marko) war gelungen, was Niki Lauda vier Jahre zuvor nicht geschafft hatte: Als damaliger Jaguar-Racing-Oberboss den Stardesigner Adrian Newey von McLaren loszueisen. Obwohl er ihn schon fast hatte, aber nur fast, und McLaren-Chef Ron Dennis Newey noch zur Umkehr bewegen konnte.

Dann aber: Newey ging zu Red Bull.

2009 folgten die ersten Siege, ab 2010 wurde die WM bis 2013 dominiert. Und ab 2021 wieder.

Am RB2 für die Saison 2006 konnte der Brite noch kaum Hand anlegen. Ab dem RB3 für 2007 war es seine Handschrift, im wahrsten Sinn des Wortes, die alle Red-Bull-Boliden bis zur aktuellen Saison markierte. Handschrift deswegen, weil Old-School-Newey immer noch mit dem Bleistift am Reißbrett steht und seine handschriftlichen Notizen von diversen Rundgängen in den Startaufstellungen einbringt. Ohne Computer-basiertem Design.

Nun hat der 65-Jährige aus der Shakespeare-Kleinstadt Stratford-upon-Avon seinen Abschied von Red Bull bestätigt. Der bis Ende 2025 abgeschlossene Kontrakt wird, offenbar einvernehmlich, mit dem ersten Quartal 2025 frühzeitig beendet. Wie lang Newey dann wegen Konkurrenz-Ausschlussklausel nicht für andere Arbeitgeber in derselben Branche arbeiten darf („gardening leave“), ist noch unklar. Wo immer er hingeht, wird sein Einfluss für 2026 noch gering sein, wenn überhaupt.

Ferrari als wahrscheinlichste Lösung

Will er weiter Formel-1-Autos zeichnen, wäre Ferrari die wahrscheinlichste Lösung. Aston Martin? Einen Egozentriker als Chef wie Lawrence Stroll wird ein Freigeist wie Newey kaum goutieren. McLaren? Da baute er schon Weltmeister-Autos. Also am ehesten Maranello, trotz der Vorzeichen: Denn außer Ross Brawn (samt seinem südafrikanischen Partner Rory Byrne) im Gefolge von Teamchef Jean Todt sind alle Briten, die in Italien arbeiten sollten, gescheitert (Harvey Postlethwaite, Steve Nichols, Pat Fry, James Allison) oder "flüchteten“ in eine Außenstelle in Britannien (John Barnard).

Wir erinnern uns: Ex-McLaren-Guru Barnard lieferte bei Ferrari so, dass der Steirer Gustav Brunner alles umkrempeln musste, um Gerhard Berger die ersten Siege in Rot zu ermöglichen. Aber klar: Der aktuelle Capo Fred Vasseur wird sich die Chance nicht nehmen lassen, und Lewis Hamilton wird seinen Einfluss geltend machen, um Ferrari ein neues Dreamteam über 20 Jahre nach Todt/Schumacher/Brawn/Byrne zu ermöglichen.

Es ist hypothetisch, aber man darf annehmen: Wäre Mateschitz noch am Leben, hätte es diese Entwicklung niemals gegeben. Das Zerwürfnis zwischen Red Bulls umstrittenem Teamchef Christian Horner und seinem Startechniker ist offensichtlich.

Dazu erzählte mir kürzlich ein Insider sinngemäß, wie schockiert er sei über den von Horner seit einiger Zeit verfolgten Machthunger, das schlechte Klima in Milton Keynes und die Verunsicherung in allen Mitarbeiter-Ebenen.

Neweys Abgang wird nicht das letzte Puzzle-Teil sein, das aus dem redbullschen Formel-1-Mosaik fallen wird.

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