„Es ist gut, dass ich im Bundessportförderungsfonds (BSFF) drinnen gesessen bin, damit ich gesehen habe, was da für ein Blödsinn passiert.“
Peter Schröcksnadel ist wahrlich nicht bekannt für diplomatisches Gespür.
Seinen Sitz in der dem BSFF vorsitzenden Bundes-Sportkonferenz wolle der Ski-Zampano ohnehin aufgeben. „Ich brauche keinen Diskutier-Klub“, regt er sich über seiner Meinung nach fehlgeartete bürokratische Hürden sowie realitätsverweigernde Berechnungs-Methoden auf.
Geht es nach dem Ansinnen von Hans Peter Doskozil, wird es den BSFF und andere österreichische Förder-Institutionen in vier Monaten aber sowieso nicht mehr geben.
Denn der Sportminister bekräftigte am Dienstag gegenüber Medienvertretern sein bereits in Rio de Janeiro geäußertes Vorhaben, alle Geldgebe-Stellen in einer ausgelagerten GmbH zusammenzuführen. Das Ende des rot-weiß-roten Förder-Dschungels wäre ein lang gehegter Traum.
In den kommenden Wochen sollen die ersten Maßnahmen zu Papier gebracht werden. „Im Idealfall starten wir mit 1. Jänner 2017 bereits in die neue Struktur“, spricht Doskozil von positiven Signalen des Koalitions-Partners ÖVP. Inwieweit die Bundes-Sportorganisation (BSO) davon betroffen sein wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar.
Missverständnis mit den Dachverbänden
Doskozils Pläne bedeuten, dass das Sportministerium erstmals auf eine Mitbestimmung in der Förder-Vergabe verzichtet. „Das Recht mitzuentscheiden war bis dato mitunter auch ein politisches Instrument“, führt der seit Jänner als Minister tätige Politiker aus. Die 40 Mio. Euro aus dem eigenen Haus sollen demnach in die GmbH fließen.
Eine historische Gelegenheit tut sich also auf, um endlich die längst überfällig gewordene Reformierung der verkrusteten österreichischen Sportstrukturen voranzutreiben.
Wenngleich sich die historische Chance nun als "Light-Version" herausstellt. Denn wie Doskozil bemüht ist zu betonen, werden die heftig kritisierten politischen Dachverbände (ASKÖ, Union, ASVÖ) weiter bestehen bleiben. Das in Rio medial entstandene Bild, dass diese dem angekündigten Aufwasch auch gleich zum Opfer fallen würden, sei falsch. „Dem ist nicht so. Uns geht es hier um die Neu-Ausrichtung des Spitzensports“, berichtigt Doskozil. Den Dachverbänden obliegt bekanntermaßen die Breitensport-Agenda.
"Es kann hier nicht immer nur von einer Bring-Schuld des Fördergebers, sondern muss auch von einer Hol-Schuld der Verbände gesprochen werden."
Schröcksnadel bleibt doch. Irgendwie.
In der Vorstellung des Ministers soll sich die Politik aus der angedachten GmbH heraushalten, die Leitung sollen Experten aus dem Sport überhaben. Konkrete Namen wollte Doskozil angesichts des frühen Zeitpunkts verständlicherweise noch nicht nennen. Nur so viel: „Ein paar (Namen; Anm.) schwirren in meinem Kopf bereits herum.“
Dem Bundesministerium sollen infolge nur noch logistische Aufgaben zukommen.
Um nach dem Auslaufen des Projektes Rio „keinen Leerlauf“ zu haben, will es der Minister bis zum Start der neuen Struktur vorerst fortführen. „Ich würde mir wünschen, dass Peter Schröcksnadel in dieser Übergangsphase dem Projekt weiter vorsteht“, schätzt Doskozil das Knowhow des 75-Jährigen. „Er weiß, wie man Sport organisiert.“
Schröcksnadel, der seine Mission beim Projekt Rio vor zwei Wochen als erfüllt erklärte, signalisiert Bereitschaft für eine Mitarbeit.
Paradigmen-Wechsel
Gerade in puncto Ausrichtung des Spitzensports verdeutlichte die vergangene Olympiade, in der mittels Projekt Rio insgesamt 20 Mio. Euro in Österreichs größte Hoffnungen gepumpt wurden, dass (Förder-)Geld keine Medaillen gewinnt.
Daraus leitet sich ab, dass der Fördergeber künftig von den Fachverbänden ein höheres Leistungs-Niveau verlangt, bevor überhaupt Geld fließt. „Es kann hier nicht immer nur von einer Bring-Schuld des Fördergebers, sondern muss auch von einer Hol-Schuld der Verbände gesprochen werden“, so Doskozil. Daraus resultiert eine künftige Konzentration auf sogenannte Prime-Sportarten. Sportarten, in denen Österreich tatsächlich global vorne mitmischen kann.
Weniger konkurrenzfähige Fachverbände müssten somit die Nachwuchsarbeit forcieren. „Erst wenn sich dann etwas entwickelt, muss man die Sportler abholen“, denkt Doskozil voraus. Um die Zahl an Profi-Sportlern zu erhöhen soll die Zahl an Heeressportlern angehoben werden. Aus den aktuell 190 Planstellen sollen alsbald „weit über 200“ werden. Mit 1. Oktober rücken zudem die ersten fünf paralympischen Sportler im HSZ ein.
Zwischen Hoffnung und gelernter Resignation
Durch die angedachte Neu-Ausrichtung würden Spitzen-Athleten für Fachverbände noch wichtiger werden und dadurch weiter in den Fokus rücken. Im Umkehrschluss wäre eine Vernachlässigung der Breitenarbeit zu befürchten. „Man kann nun mal die Kuh nicht doppelt erfinden“, verweist Schröcksnadel auf den vorherrschenden Wunsch nach Medaillen.
Die politische Willensbekundung alleine gibt jedenfalls bereits Anlass zur Hoffnung. Wenngleich nur Worte beim gelernten Österreicher noch keine Jubelstürme auslösen.
Oder wie es Österreichs erfolgreichster Olympionike Felix Gottwald bei „ServusTV“ resignierend formulierte: „Ich habe zehn Sportminister miterlebt und keiner hat etwas geändert.“
Historische Chance hin oder her: Es ist Zeit zu handeln. Und dann warten die Dachverbände.
Reinhold Pühringer