Ashley Elizabeth Fliehr hat Wrestling im Blut – ist sie doch die Tochter von Legende Richard Morgan Fliehr, besser bekannt als Ric Flair.
Der bereits zurückgetretene 67-Jährige ist 16-facher World Champion, zweifacher Hall-of-Famer und gilt als eine der größten Persönlichkeiten im Business.
Es dauerte jedoch 26 Jahre bis sich Ashley, die unter dem Ringnamen Charlotte auftritt, dazu durchringen konnte, in die riesengroßen Fußstapfen ihres Vaters zu treten.
„Ich wollte eigentlich nie wrestlen“, gesteht die 30-Jährige im exklusiven Interview mit LAOLA1. Im Mai 2012 unterschrieb sie einen Vertrag bei der WWE und arbeitete sich über die NXT (Entwicklungs-Liga der WWE) bis nach oben.
Die Blondine gehört als bereits vierfache Titelträgerin zur absoluten Spitze der Frauen-Division, die derzeit einen noch nie dagewesenen Hype erlebt.
War das Frauen-Wrestling vor einigen Jahren nicht mehr als ein optischer Aufputz, liefern die weiblichen Protagonistinnen mittlerweile im Ring ähnliche Höchstleistungen wie ihre männlichen Pendants.
Bei LAOLA1 spricht Charlotte über die „Women’s Revolution“, ihren TV-Charakter und das Verhältnis zu ihrem legendären Vater.
LAOLA1: Vor knapp eineinhalb Jahren startete in der WWE die „Women’s Revolution“. Wie beurteilst du die Entwicklung?
Charlotte Flair: Die Fans waren immer schon stark an den Frauen interessiert, wollten mehr weibliche Matches sehen - die Company jedoch nicht. Wir wurden in den letzten Jahren unheimlich von den Fans gepusht. Dadurch standen wir mehr im Fokus. Und so kam der Stein ins Rollen. Ich glaube aber, dass diese „Revolution“ schon viel früher losgegangen ist. Es gab nicht wirklich einen Zeitpunkt, sondern es hat sich eben bis heute hin entwickelt. Auch vor Lita oder Trish waren tolle Frauen im Einsatz. Wir haben jetzt jedenfalls mehr Möglichkeiten, können zeigen, was wir können.
LAOLA1: Du hast letztes Jahr mit Sasha Banks Geschichte geschrieben. Euer Match im Oktober beim „Hell in a Cell“-PPV war nicht nur das erste Frauen-Aufeinandertreffen in diesem Käfig, sondern auch der erste weibliche Headliner. Hast du bereits realisiert, was du da erreicht hast?
Charlotte: Nein, das braucht immer noch einige Zeit. Möglicherweise blicke ich in fünf Jahren zurück und denke mir: WOW. Bei uns geht es aber einfach Schlag auf Schlag, da ist es schwierig, das zu realisieren. Ich bin ja gleich nach dem Event auf eine 17-tägige Europa-Tour gefahren - also war es schwer, das Ganze zu verarbeiten. Aber ich bin sehr stolz, diesen Titel nach dem Match in den Händen gehalten zu haben. Dass ich Hell in a Cell geheadlined habe, heißt aber nicht, dass ich ausschließlich Geschichte schreiben will. Es war nur einer von vielen Schritten, die ich gehen möchte.
LAOLA1: Glaubst du daran, dass es irgendwann in absehbarer Zukunft einen weiblichen Headliner bei Wrestlemania geben wird?
Charlotte: Definitiv! Das wird eines Tages passieren. Davon bin ich überzeugt.
LAOLA1: Wie wichtig ist es für dich, für alle Frauen, dass die Company den „Divas Titel“ in die „Women’s Championship“ umbenannt hat?
Charlotte: Ich war der letzte Divas Champion und bin dementsprechend stolz und geehrt auf diese Regentschaft. Aber es war unglaublich, dass die Company die Transformation des Titels als absolutes Highlight verkauft hat. Es ist eine Veränderung. Wir werden ab jetzt auch Superstars genannt – keine Divas mehr. Es war ein Update. Ich bin als Raw Women’s Champion aber genauso stolz wie als Divas Champion.
LAOLA1: Vor ein paar Jahren war Frauen-Wrestling ein netter, optischer Aufputz. Mittlerweile hat sich das drastisch geändert. Ihr seid nicht nur schön zum Ansehen, sondern bietet unglaubliche Leistungen im Ring. Wie stolz bist du auf die Anerkennung?
Charlotte: Es zu beurteilen ist richtig schwer, denn ich stecke ja mittendrin. Ich war aber richtig stolz auf Becky Lynch, als sie den Smackdown-Titel geholt halt. Ich kenne ihre Geschichte und weiß, wie viele Strapazen sie für ihr Ziel aufnehmen musste. Sie hat unheimlich hart gearbeitet. Ich bin eigentlich auf alle Girls stolz. Ich würde beispielsweise nicht hier sitzen, hätte ich nicht dieses eine Match gegen Natalya bei NXT vor ein paar Jahren gehabt. Dann die „Four Horsewomen“ (Anm.: Charlotte Flair, Sasha Banks, Becky Lynch und Bayley) oder der Sieg über Nikki Bella. Es gab so viele unterschiedliche und magische Momente. Ich bin stolz, Teil der Veränderung zu sein und dankbar, das große Interesse am Frauen-Wrestling mitzubekommen.
LAOLA1: Apropos Natalya. Du hast einmal gesagt, dass erst Sie dir Selbstvertrauen gegeben hat. Wodurch?
Charlotte: Ich hatte zu Beginn meiner Karriere natürlich noch nicht viele Matches in den Beinen. Natalya kam irgendwann zu mir und sagte: Hör zu. Das tat ich. Sie hat mir einfach irrsinnig geholfen. Ich habe mir dank unserer Duelle einen Namen machen können. Es hat vielen Leuten die Augen geöffnet, zu was ich fähig bin, was ich im Ring alles zeigen kann. Nachher haben mich die meisten als Wettkämpferin gesehen – nicht mehr als Ric Flairs Tochter. Hätte mir Natalya nicht diese Möglichkeit gegeben – und sie wollte das unbedingt, obwohl sie es nicht musste – hätte ich wohl nicht diesen steilen Karriereweg hingelegt.
LAOLA1: Sport war immer schon ein Teil deines Lebens. Du hast Volleyball gespielt, bist zertifizierte Personal-Trainerin. Mit dem Wrestling hast du allerdings erst 2012 begonnen. Was hat dich so lange aufgehalten?
Charlotte (lacht): Weil ich eigentlich nie wrestlen wollte. Ich habe früher nie darüber nachgedacht. Wenn dein Vater Ric Flair, der Größte aller Zeiten ist, siehst du dich nicht in diesem Rampenlicht.
LAOLA1: Das heißt, du willst nicht mit deinem Vater verglichen werden, oder?
Charlotte: Mittlerweile stört es mich nicht mehr, denn ich glaube, ich führe sein Vermächtnis fort. Das habe ich früher nicht gedacht.
LAOLA1: War es schwierig als Tochter von Ric Flair aufzuwachsen?
Charlotte: Nein. Er war ein toller Vater.
LAOLA1: Deinem Ringnamen (Charlotte) wurde zuletzt Flair hinzugefügt. Wer traf diese Entscheidung und warum?
Charlotte: Es war eine Weiterentwicklung meines Charakters. That’s it!
LAOLA1: Zurzeit verkörperst du einen Heel (Bösewicht)-Charakter. Magst du es, den Bösewicht zu spielen oder wärst du lieber eine von den Guten?
Charlotte: Ich hoffe einfach, dass sich mein Charakter immer weiterentwickelt. Die Charlotte, die ihr Debüt feierte, ist nicht mehr die Charlotte Flair von heute. Ich sehe jedenfalls keinen Babyface-Turn in absehbarer Zukunft (lacht). Ich mag es, der große, böse Fiesling zu sein.
Das Gespräch führte Martin Wechtl