Sport- und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil ist erstmals bei Olympischen Spielen dabei. Der Burgenländer will in Brasilien so viele Eindrücke wie möglich sammeln.
Der 46-Jährige hat einige Wochen gebraucht, um die undurchsichtigen Strukturen und Förder-Richtlinien im heimischen Sport zu verstehen.
Doskozil ist unzufrieden und will die Kompetenz seines Ministeriums an Experten abgeben: "Die Politik hat im Sport nichts verloren!".
Im "Austria House" auf dem Gelände des Fußballklubs Botafogo lud Hans Peter Doskozil zu einem "runden Tisch" mit Journalisten und nannte seine Pläne, wie Breiten- und Spitzensport in Österreich künftig organisiert werden könnten und sollen.
LAOLA1 saß beim Minister am Tisch und notierte dessen wichtigste Aussagen.
Also sprach Hans Peter Doskozil...
…das Thema Sicherheit haben die Veranstalter hier in Rio sehr gut im Griff. Die Zutrittskontrollen zu allen Wettkampfstätten sind rigoros und ich habe am eigenen Leib verspürt, dass die Brasilianer da keine Ausnahmen machen und auch nicht nachlassen. Die Spiele sind bestmöglich abgesichert.
…das Umfeld ist sehr beeindruckend und verstörend zugleich, wenn man sieht, wie eng beisammen Arm und Reich leben, das habe ich so noch nie erlebt und aus Österreich kennt man so etwas nicht. Das sollte uns auch ein wenig zu denken geben.
…zum Sportlichen: Ich weiß und habe in Österreich auch miterlebt, dass der Druck und das Verlangen nach einer Medaille vorhanden ist. Es ist mir wichtig zu sagen, dass sich alle österreichischen Athleten hier sehr bemühen. Man kann ihnen in keinster Weise einen Vorwurf machen. Das Quäntchen Glück fehlt einfach noch. Ich hoffe, dass die Segler da begünstigt sind und doch noch für eine Medaillenfeier sorgen. Was mich freut, ist, dass sehr viele junge Teilnehmer dabei sind und erstmals das spezielle Gefühl bei Olympia erleben dürfen. Ich kann da vielleicht Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger hervorheben, mit dem ich gesprochen habe. Er hat eine tolle Einstellung zum Sport, ist sehr fokussiert und in der Leichtathletik eine Riesenhoffnung. Ich glaube, diese Dinge muss man auch im Hintergrund sehen.
…wenn man die gesamte Situation dann kritisch diskutieren will, dann sehe ich die größten Herausforderungen – und das ist nicht neu - in den Strukturen. Ich habe selbst sehr lange gebraucht und zwar einige Monate, um die gesamte Sport-Strukturen zu durchblicken und die Zusammenhänge zu erkennen. Da gibt es, wenn ich es positiv formuliere, Verbesserungspotenzial. Es ist unser aller Interesse, dass wir die Strukturen nach einer klaren Vorstellung, durchziehen. Ein ganz wesentlicher Faktor ist - das merke ich immer öfter - auch wenn ich als Politiker und als Sportminister hier sitze, dass die Politik im Sport und in den Sport-Strukturen nichts verloren hat. Es sollte unser Ziel sein, dass wenn wir über neue Strukturen reden, dass wir auch über neue Strukturen ohne Politik reden. Das meine ich ganz ehrlich.
…wenn wir über neue Strukturen reden, dann müssen wir hier die Sport-Experten Verantwortung übernehmen lassen und sicher keine politischen Funktionäre. Ich bin gerne bereit, die Möglichkeiten des Sport-Ministeriums, die Förder-Möglichkeiten des Sportressorts, zu opfern, auch diese Kompetenzen aufzugeben, wenn es gelingt, wirklich klare und auf den Sport fokussierte Strukturen zu schaffen. Das ist unser und mein Ansatz.
…man kann dann auch über die Rolle der Dach- und Fachverbände diskutieren. Wie kann man die zusammenfassen? Wie schafft man es, dass sie sich gegenseitig ergänzen? Das wird unser Fokus sein. Das diskutieren wir nicht nach Rio, in dieser Diskussion sind wir mittendrin und haben schon einige Zeit vor Olympia damit angefangen. Das ist eigentlich mein wichtigster Ansatz in diesem Zusammenhang.
LAOLA1 fragt nach: ÖOC-Chef Karl Stoss möchte nach Rio gerne bei der "Stunde Null" beginnen. Nicht irgendwo nachjustieren, sondern vielleicht alles neu aufsetzen. Sind Sie dafür zu haben?
Minister Doskozil: Richtig, das ist auch mein Zugang. Wir haben das schon intern überlegt. Wenn wir unsere gesetzliche Struktur anschauen und an den Rädchen drehen, dann kommt man nach der ersten Runde eigentlich gleich zum Ergebnis, dass man das vergessen kann. Wenn man es gesetzlich löst, dann muss man das einerseits technisch neu auf-, und neue Inhalte dahintersetzen. Die neuen Inhalte sind für mich eine klare Förderstruktur. Eine einzige, nicht verschiedene aus den unterschiedlichsten Ecken, wo der Sportler vielleicht gar nicht mehr weiß, wohin er sich wenden soll.
Die Wechselwirkungen zwischen Breiten- und Spitzensport verschwimmen auf der praktischen Ebene. Man wird keinen Spitzensportler finden, der nicht irgendwo aus der Basis kommt und dem Breitensport zugerechnet ist. Diese Verschränkung muss man schaffen. Ob das per Gesetz gelingt, weiß ich nicht. Das muss man sich überlegen. Was den Spitzensport-Bereich betrifft, ist das, was jetzt mit dem Projekt Rio sanft begonnen hat, für mich eine Basis, die institutionalisiert werden muss. Das muss auf ein gesetzliches Fundament gestellt werden und die Verantwortlichen dort müssen wirkliche Sport-Experten sein, keine Politiker.
Wenn es uns gelingt, wirklich eine Struktur zu schaffen und das alles neu aufzusetzen, dann brauchen wir kein Projekt Rio mehr, denn sonst hätten wir etwas falsches kreiert. Wir müssen versuchen, ein fix implementiertes, gesetzlich verankertes System zu schaffen, mit einer Linie, mit welcher Struktur auch immer. In dieser Struktur muss sich alles wiederfinden. Es muss alles aus einem Guss kommen und in einer Verantwortung liegen.
Da gibt es viele "Player" am Tisch. Wenn es uns gelingt, die angesprochenen neuen Strukturen zu schaffen, bin ich gerne bereit, alle Möglichkeiten, die wir im Ministerium haben, die vielen Millionen Euro für Sportstättenförderungen und sonstige Dinge, die aus unserer Sektion heraus vergeben werden, nicht mehr im Sportministerium lässt. Sondern ebenfalls dort, wo das neue Kompetenz-Zentrum entsteht, implementiert.
Kurz: Der Sportminister steht für eine komplette Entflechtung seines Hauses in eine klare Struktur ein und will künftig auch nicht mehr für diverse Förderungen zuständig sein. Das gehöre alles dort konzentriert, wo künftig der Sport zu Hause sein soll.
Aus Rio berichtet Peter Rietzler