Sebastian Ofner ist die große Überraschung des bisherigen Wimbledon-Turniers.
Aus der Qualifikation heraus schaffte es der 21-jährige Steirer beim ersten Grand-Slam-Event seiner Karriere mit vier Siegen in Folge bis in die zweite Runde des Hauptbewerbs.
Noch dazu ist sein Auftritt im All England Club sein allererster Ausflug auf Rasen überhaupt.
Eine Leistung, vor der auch sein Coach Wolfgang Thiem im Gespräch mit LAOLA1 das Tennis-Kapperl zieht: „Er hatte ja quasi keine Vorbereitung, weil er kurz vor dem Qualifikations-Bewerb von einem Sandplatz-Challenger gekommen ist. Wir haben nur einen Tag auf dem Fußballplatz in der Südstadt herumgeschupft.“
Trotzdem überzeugte Ofner bei seinen ersten Rasen-Matches mit starken Leistungen und machte in der dritten Quali-Runde sogar einen 0:2-Satz-Rückstand gegen einen britischen Lokalmatador wett. Das Tüpfelchen auf dem "i" setzte er schließlich mit seinem Erstrunden-Sieg im Hauptbewerb über den Weltranglisten-55. Thomaz Bellucci.
Thiem: "Er hat seine Chance genützt"
„Für mich ist es sehr erfreulich, dass er seine Chance genützt hat“, freut sich Wolfgang Thiem, der die Erfolge seines Schützlings von der Südstadt aus verfolgt.
„Bellucci hatte heuer zuvor noch kein Match auf Rasen gespielt und ist auch sicherlich nicht der große Rasen-Spezialist. Trotzdem steht er auf Platz 55 der Welt. Wenn du ihn dann so souverän rausnimmst, ist das schon gut. Sebastian ist mit der ganzen Situation sehr gut umgegangen.“
Ofner-Spielstil für Rasen ideal
Die schnelle Umstellung auf Rasen ist für Thiem im Spielstil des 1,91 Meter großen Rechtshänders aus Bruck an der Mur begründet.
„Sein Spiel kommt ihm auf Rasen sicher entgegen. Er serviert und retourniert sehr gut. Auch seine flache Rückhand kommt ihm hier zu Gute. Diese drei Dinge sind auf Rasen schon einmal nicht unwesentlich.“
Das sieht auch Ofner selbst so: „Der Aufschlag ist auf Rasen sicherlich einer der wichtigsten Schläge. Wenn ich gut serviere, muss mich einmal einer breaken."
Seit eineinhalb Jahren in der Bresnik-Akademie
57.000 Pfund (65.000 Euro) Preisgeld hat sich der junge Steirer in Wimbledon schon erspielt und damit bereits mehr, als in seiner gesamten Karriere (46.193 Dollar). Für Thiem ist dieser Erfolg eine Belohnung für die letzten Monate. „Da hat er wirklich konsequent gearbeitet.“
Seit etwa eineinhalb Jahren ist Ofner in der Tennis-Akademie von Günter Bresnik in der Südstadt, wo neben dem berühmten Vorbild Dominic Thiem mit Dennis Novak auch eine weitere rot-weiß-rote Nachwuchs-Hoffnung stationiert ist.
Außerdem stehen im Süden von Wien auch immer wieder die Spitzenspieler Jerzy Janowicz und Ernests Gulbis als Trainingspartner zur Verfügung. „Das ist natürlich super, wenn du solche Trainingsmöglichkeiten hast.“
„Sebastian kam damals vom ÖTV direkt zu uns. Im Prinzip haben sich für ihn nur die Trainer verändert. In den ersten Monaten ist er noch mit Stefan Hirn zu den Turnieren gefahren“, erzählt Thiem, der von dem jungen Mann sehr angetan ist.
Matura dank spätem Wachstum
„Er ist ein recht angenehmer Zeitgenosse, der ein gesundes Selbstvertrauen hat und sich selbst recht gut einschätzen kann. Außerhalb vom Tennis hat er wenig Blödheiten im Kopf“, stellt ihm sein Coach ein gutes Zeugnis aus.
Ofner betreibt erst seit etwa zwei Jahren professionelles Tennis. Im Gegensatz zu Dominic Thiem, der sich bereits mit 16 Jahren voll auf den Sport konzentrierte und seine Schulkarriere vorzeitig beendete, machte der Youngster zuerst noch die Matura fertig. Diese Entscheidung hatte allerdings auch körperliche Gründe, wie Wolfgang Thiem erzählt.
„Für ihn hat das gepasst, weil er relativ spät gewachsen ist. Mit 14 war er noch sehr klein, der Wachstumsschub ist erst zwischen 16 und 18 passiert. Deshalb hatte er eigentlich keine Jugendkarriere, weil er da mehr verletzt als am Platz war. Es waren aber keine schlimmen Verletzungen, sondern wachstumsbedingte Geschichten. Deshalb konnte er auch die Schule fertig machen. Wenn er damals fit gewesen wäre und mehr spielen hätte können, wäre es sonst schwierig gewesen.“
„Ich bin der Meinung, dass sich Schule und Tennis ab 16 oder 17 Jahren nicht vereinbaren lassen. Bei ihm hat es aber gut gepasst. Wenn er Zeit hat, kann er ja lernen und muss nicht vor dem Computer sitzen", sieht es Thiem pragmatisch.
Fallen heuer noch die Top 100?
Durch seinen Zweitrunden-Einzug in Wimbledon wird sich Ofner im Ranking von Position 217 um etwa 50 Plätze verbessern. Thiem ist überzeugt, dass der Aufwärtstrend in den nächsten Monaten anhalten wird.
„Er hat heuer schon einige ehemalige Top-100-Spieler geschlagen. Mein Ziel ist es, dass er im kommenden Jahr schon im Hauptfeld der Australian Open stehen könnte“, spekuliert er in diesem Jahr sogar noch mit dem Sprung in die Top 100. „Das wäre ein schöner Jahresanfang. Bei 120, 130 würde ich mich auch nicht aufregen. Es ist aber durchaus möglich.“
„In den nächsten zwei Jahren müssen die Top 50 das Ziel sein. Dann wird man eh sehen, wohin die Reise geht.“
Vielleicht geht auch die Reise in Wimbledon noch ein Stückchen weiter. Am Donnerstag kämpft Ofner gegen Jack Sock um den Einzug in die dritte Runde.
Auch gegen den an 17 gesetzten US-Amerikaner sieht sich der Youngster im "Sky"-Interview nicht chancenlos: „Es ist alles möglich. Wenn ich sehr gut spiele, ist sicher alles drin.“