Vom Nationalteam in die Hobby-Liga.
Robert Lembacher, im April noch mit dem ÖEHV-Team bei der Eishockey-WM der Division I im Einsatz, fand nach seinem Vertragsende beim Dornbirner EC keinen neuen Klub in der EBEL. Und das im besten Eishockey-Alter von 27 Jahren.
"Ich hatte das beste Jahr in meiner bisherigen Karriere. Es ist pervers, dass ich nach so einer Saison aufhören muss", übt der Verteidiger, nun Spielertrainer bei Hobby-Verein WEV Lions, bei LAOLA1 Kritik am EBEL-Punktesystem.
Wie es zu seinem kuriosen Wechsel kam, woran es dem österreichischen Eishockey krankt, wer die Schuld trägt und welche Lösungsvorschläge er hat, verrät Robert Lembacher im LAOLA1-Interview:
LAOLA1: Vom Nationalteamspieler und WM-Teilnehmer in die Hobbyliga. Wie kam dein Wechsel vom Dornbirner EC zu den WEV Lions zustande?
Robert Lembacher: Leider sind die Verhandlungen mit Dornbirn geplatzt. Auch sonst habe ich in der EBEL kein Vertragsangebot erhalten. In der Nationalliga war auch nicht wirklich konkretes Interesse vorhanden. Da ich Familie habe, ist es nicht so einfach, ewig zuzuwarten. Somit habe ich den Beschluss gefasst, den Schritt zurück nach Wien in unsere Heimat zu gehen und ins "normale" Berufsleben einzusteigen. Dann kam das Angebot von den Lions. Ich habe noch genug Zeit für meine Familie, das war das Wichtigste. Ich habe sofort zugesagt, Spielertrainer zu sein, und freue mich schon darauf.
LAOLA1: Woran sind die Verhandlungen mit Dornbirn gescheitert?
Lembacher: Offiziell waren es finanzielle Aspekte. Wir waren aber eigentlich nicht so weit auseinander. Vielleicht gab es noch andere Gründe – ich weiß es nicht.
LAOLA1: Wie kann es sein, dass in der EBEL kein Interesse an einem aktuellen Nationalteamspieler im besten Eishockey-Alter besteht?
Lembacher: Das ist eine gute Frage. Ich kann es wirklich nicht sagen. Ich hatte das beste Jahr in meiner bisherigen Karriere. Es ist pervers, dass ich nach so einer Saison aufhören muss. Ich kann es aber nicht einmal verallgemeinern und sagen, dass kein Bedarf an Österreichern bestand. Es bestand einfach kein Bedarf an mir. Das ist schon sehr speziell in der EBEL. Mit Bernhard Starkbaum gibt es bei den Torhütern einen einzigen Österreicher, der Starter ist. Bei den Verteidigern hast du im Schnitt vier bis fünf Ausländer, die meisten Trainer spielen mit sechs Defendern. Somit bleiben pro Verein ein bis zwei Plätze für einheimische Verteidiger. Das sind dann 14 bis 15 Spots für Österreicher. Für einen siebten oder achten Verteidiger nimmt jeder Null-Punkte-Spieler. Das Angebot ist sehr limitiert, klarerweise wird dann nach dem billigsten Spieler gesucht. Wer es für das wenigste Geld macht, wird genommen. Ich habe gesagt, dass ich da nicht mitmache. Ich habe meinen Preis, wenn es jemand anders für weniger Geld macht, soll er es tun. Ich nicht.
LAOLA1: Zeigt so ein Fall wieder einmal, wie fehlerhaft das Punktesystem in der EBEL ist?
Lembacher: Dass dieses System unglücklich und falsch ist, hat mittlerweile ohnehin jeder verstanden. Wir wissen auch, dass es langfristig zu nichts führt. Die Vereine sind gesund, das ist für die Liga am wichtigsten. Deswegen wird sich am System leider nichts ändern. Die österreichischen Spieler oder das Nationalteam sind der Liga egal, so lange die Zuschauerzahlen stimmen, die Sponsoreneinnahmen passen und die Vereine gesund wirtschaften.
LAOLA1: Hättest du ohne das Punktesystem einen neuen Klub gefunden?
Lembacher: Nein, das will ich gar nicht sagen, auf keinen Fall! Es kommt darauf an, was dann die Rahmenbedingungen wären. Wenn es einen offenen Markt ohne Ausländerbeschränkung gegeben hätte, hätte ich auch keinen Klub gefunden. So ehrlich muss man sein. Wenn es hingegen eine Ausländerbeschränkung auf sechs bis neun Legionäre gegeben hätte, hätte ich sehr wohl einen Arbeitgeber gefunden.
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LAOLA1: Wäre die Variante mit der Ausländerbeschränkung die Ideallösung?
Lembacher: Auf alle Fälle, es braucht eine Beschränkung. Man kann das sicher nicht radikal einführen, aber schrittweise. Ich habe mir die Olympia-Quali angesehen und mir gedacht: "Wow, so weit haben wir es gebracht." Spätestens da sollte jeder erkannt haben, dass wir uns total in die falsche Richtung bewegen. Schon bei der B-WM in Katowice war es eigentlich augenscheinlich. Ich würde die Legionäre beschränken. Das Argument, dass es nicht genügend Leute gibt und die Qualität so stark fallen würde, lasse ich nicht gelten. Seien wir ehrlich, den meisten Leuten würde nicht auffallen, ob die Qualität ein bisschen sinkt.
LAOLA1: Apropos Olympia-Quali: Was sagst du generell zum Abschneiden des ÖEHV-Teams?
Lembacher: Es ist überall gescheitert. Vier erzielte Tore in drei Spielen sind nicht viel, 14 Gegentore in drei Spielen sind auch nicht toll. Die Schlüsselspieler haben einfach nicht ihr Potenzial abrufen können. Man hat gesehen, dass solche Turniere für beide Tormänner – David Kickert und David Madlener – ohne Erfahrung im Liga-Betrieb zu früh kommen. Obwohl ich keinem der beiden irgendeinen Vorwurf machen will. Generell will ich das bei keinem Spieler tun. Das sind nämlich die ärmsten Schweine. Ich weiß ja, wie es in Polen war. Wir haben unser Bestes gegeben und von draußen heißt es "Warum spielen die nicht besser?" Weil es nicht besser geht! Woher sollten wir es besser können, wenn wir es in der Saison nie versuchen können? Das hat man jetzt bei den Goalies gesehen. Die hatten vielleicht 10 bis 20 Einsätze im vergangenen Jahr und auf einmal sollen sie in einer ausverkauften Halle in Riga die Kohlen aus dem Feuer holen. Teilweise sind dann noch haarsträubende Fehler in der Defensive dazugekommen. Den Spielern mache ich den wenigsten Vorwurf. Wie ich die Burschen kenne, hat jeder alles gegeben und versucht. Mehr war leider nicht drin.
LAOLA1: Wem kann man dann einen Vorwurf machen?
Lembacher: Wenn ich das wüsste. Man macht es sich zu leicht, wenn man sagt, dass alles was die Liga macht schlecht für das österreichische Eishockey ist. Die machen es sich sicher auch nicht leicht. Es spielen sicher mehrere Faktoren mit. In erster Linie kommen unsere Spieler auf zu wenig Eiszeit. Man sieht es in Norwegen, Dänemark, oder Slowenien – da spielen die Leute. Sie kommen in jungen Jahren zu Spielzeit, selbst wenn die Liga an sich schwächer ist. Dort spielen sie mit 17, 18 oder 19 Jahren in der höchsten Liga. Wenn sie dann zu gut sind, können sie ins Ausland wechseln. Deshalb sind uns diese Nationen voraus. Von der Schweiz rede ich gar nicht, die sind uns sowieso Lichtjahre voraus. Bei uns spielst du bis 20 in der Jugendliga, von 20 bis 22 sitzt du auf der Bank, mit 23 kommst du in der vierten Linie sporadisch hinein – fünf Mal pro Spiel. Mit 24 hast du Punkte, dann schaut man auf die Statistik und es wird gesagt: "Naja, in den letzten drei Jahren hast du nur zwei Tore geschossen, wirklich viel ist das nicht – wir nehmen den nächsten." Da beginnt es schon. Bei uns werden Spieler viel zu spät im Erwachsenen-Eishockey eingebaut.
"Bei uns spielst du bis 20 in der Jugendliga, von 20 bis 22 sitzt du auf der Bank, mit 23 kommst du in der vierten Linie sporadisch hinein – fünf Mal pro Spiel. Mit 24 hast du Punkte, dann schaut man auf die Statistik und es wird gesagt ‚Naja, in den letzten drei Jahren hast du nur zwei Tore geschossen, wirklich viel ist das nicht – wir nehmen den nächsten‘"
LAOLA1: Woran liegt das? Nur am fehlenden Mut der Trainer?
Lembacher: Vielleicht ist die EBEL zu gut. Es ist eine künstlich aufgeblähte Liga. Sie entspricht nicht dem Niveau des österreichischen Eishockeys. Kein Spieler schafft aus der U20 sofort en Sprung in die Bundesliga, das ist fatal! Da ist das Niveau mittlerweile so weit auseinandergedriftet, dass man das nicht schafft. Wenn man die Liga etwas ausdünnt, könnten die Spieler früher eingebaut werden. Oder es gibt das Kommando von oben, dass Trainer junge Spieler über drei, vier Jahre einbauen – egal, wie es sportlich aussieht. Für die Vereine ist das aber schwer, es geht um viel Geld. Das Geld kommt nur mit dem Erfolg. Es ist eine verzwickte Situation, das Allheilmittel ist schwer zu finden.
LAOLA1: Wie war es in den letzten Jahren für dich? Hattest du immer den Gedanken im Hinterkopf, dass die Profi-Karriere gleich vorbei sein könnte?
Lembacher: Seit ich Punkte hatte, wusste ich jedes Jahr, dass es mein letztes sein könnte. Eine schlechte Saison und du weißt, es ist vorbei. Du wirst ersetzt.
LAOLA1: Wie ist es dann für junge Spieler, die wissen, in zwei oder drei Jahren haben sie Punkte und werden es schwer haben? Fragt man sich da nicht, wozu man sich das alles überhaupt antut?
Lembacher: Bingo! Frag nach bei jungen Spielern, genau so denken sie. Man fragt sich, wozu man das alles macht, nur um seine drei Wechsel zu bekommen und in drei Jahren ohne Verein da zu stehen.
In diesem Video zeigt Robert Lembacher, dass er Sniper-Qualitäten besitzt:
(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)
LAOLA1: Wie war die Situation im Sommer bei dir, speziell emotional?
Lembacher: Am Anfang war es ein riesiger Schock, für mich ist eine kleine Welt zusammengebrochen. Da sich die Verhandlungen gezogen haben und ich immer mehr mitbekommen habe, dass es wohl nichts mehr wird, hatte ich lange Zeit, mich damit abzufinden. Deshalb war die endgültige Entscheidung nicht so schlimm. Sicher ist es ein Traum, der plötzlich platzt. Ich habe jetzt aber gesehen, dass das Leben weiter geht. Ich hatte oft Angst davor, wie es wohl weitergeht, wenn ich einmal keinen Vertrag bekomme. Jetzt ist es so und ich lebe trotzdem nicht schlechter als vorher.
LAOLA1: Mit 19 Jahren bist du nach Schweden gewechselt. Hattest du damals Träume vom ganz großen Durchbruch?
Lembacher: Damals gab es schon dasselbe Problem wie heute. Ich war 18 Jahre alt, mit der Schule fertig und habe meinen ersten Vertrag bei den Vienna Capitals unterschrieben. Ein Jahr lang habe ich keinen Einsatz bekommen und war im Prinzip nur Trainingsgast. Ich habe in der zweiten Liga beim WEV gespielt, da es eine Kooperation gab. Mit 19 habe ich mir gedacht, dass mich das nicht weiterbringt. Die Chance auf die Bundesliga habe ich nicht gesehen, die zweite Liga hat mich nicht mehr gereizt. Deshalb hat sich das mit Schweden gut angeboten. Natürlich habe ich gehofft, mich für höhere Aufgaben zu beweisen. Es war aber nicht so, dass ich nach Schweden gegangen bin, um den großen Durchbruch in die NHL zu schaffen.
LAOLA1: Rückblickend: Würdest du irgendetwas anders machen oder sogar gleich sagen, du lässt das mit dem Eishockey?
Lembacher: Nein. Das haben mich viele Leute gefragt, aber Eishockey-Profi zu sein ist einer der schönsten Jobs, die es gibt. Es gibt bittere Zeiten, aber auch viele schöne Momente. Ich bereue eigentlich gar nichts, ich würde alles genauso wieder machen.