Nachdem Gregor Schlierenzauer nicht für den WM-Einzelbewerb von der Großschanze nominiert worden war, nahm der 27-jährige Tiroler die Entscheidung des ÖTV-Trainerteams zu Gunsten von Youngster Markus Schiffner sehr sportlich auf.
"Die Erwartungshaltung bei einer WM ist immer, Medaillen zu machen. Diesen Anspruch hat jeder Spitzensportler", so Schlierenzauer bei einem Medientermin in Vierumäki.
"Aber die mentale und emotionale Situation ist eine ganz andere, weil ich natürlich jetzt auch gelernt habe, mich in Geduld und Demut zu üben. Dass nicht immer alles so leicht geht. Dass auch ich kämpfen muss."
Sturz warf Schlierenzauer zurück
In Wisla war er am 13. Jänner dieses Jahres nach 376 Tagen Auszeit auch wegen einer schweren Knieverletzung in den Weltcup zurückgekehrt. Schon im zweiten Bewerb landete Schlierenzauer wieder in den Top Ten. Ein Sturz in Oberstdorf am 5. Februar warf den 53-fachen Weltcupsieger wieder zurück, und doch saß er nur 16 Tage danach mit seinem Teamkollegen im Flugzeug nach Lahti.
Wie Schlierenzauer die Entscheidung Kuttins nun zur Kenntnis nahm, zeugte von Größe. Schlierenzauer wünschte Schiffner Glück, nur aufgrund seines Namens nominiert zu werden, interessiert den Tiroler nicht. "Einen Bonus hat keiner nötig und ich schon gar nicht."
"Mental und emotional so gut wie nie"
Er bestätigte damit den Eindruck, den er schon zuvor hinterlassen hatte. Eine Mentaltrainer- und Kommunikations-Ausbildung im vergangenen Sommer sowie viel Arbeit an seiner Psyche hat Schlierenzauer verändert.
"Ich glaube, dass ich mental und emotional so gut bin wie noch nie, und so gefestigt und geerdet wie noch nie. Was fehlt ist die skisprung-technische Seite, wo ich noch nicht am Punkt bin", erklärte der insgesamt zehnfache Weltmeister. Doch dies sei auch ganz klar. "Ich habe mich erst Ende September entschieden, meine Karriere überhaupt wieder neu zu starten, war das erste Mal im November wieder auf der Schanze und im Jänner schon wieder im Weltcup."
Obwohl auch sein Ziel nach wie vor Medaillen sind, übt sich Schlierenzauer in Geduld. "Mein Weg hat ja erst begonnen. Entweder er geht in Lahti weiter oder er geht bei der 'Raw Air' weiter." Raw Air ist die neue norwegische Weltcup-Serie, in der vom 10. bis 19. März an vier Schauplätzen insgesamt sechs Bewerbe ausgetragen werden.
"Ich habe nach wie vor den Killerinstinkt. So darf ich mich auch nicht leugnen und verstellen, es hat mich jahrelang ja auch ausgezeichnet, immer weiterzugehen, immer dem Erfolg sehr viel unterzuordnen."
"Habe nach wie vor den Killerinstinkt"
Schlierenzauer hat in seiner Zeit abseits des Sports gelernt, dass es andere "viel wichtigere Themen" im Leben gibt und sich auch Zeit genommen, seine Erfolgsserie zu verarbeiten. Obwohl er nun einen demütigeren Zugang hat, hat er immer noch den Erfolgshunger in sich.
"Ich habe nach wie vor den Killerinstinkt. So darf ich mich auch nicht leugnen und verstellen, es hat mich jahrelang ja auch ausgezeichnet, immer weiterzugehen, immer dem Erfolg sehr viel unterzuordnen." Doch der Abstand hat ihn eben gelehrt, die Dinge gelassener zu sehen. "Es gehört jetzt auch zu meiner Karriere dazu, diese emotionalen Erfahrungen auch zu sammeln. Das hat bis jetzt jeder einmal durchmachen müssen, warum soll ich es mir ersparen?"
Er sieht seine Rückkehr als geglückt an und hängt es nicht an Ergebnissen, Medaillen oder Weltcupsiegen auf. "Ja, das Comeback ist mehr als geglückt. Von einem Gregor Schlierenzauer, der 53 Weltcupsiege hat, erwartet man es, wieder ganz oben zu stehen, ich erwarte das von mir selbst natürlich auch. Ich werde mir Zeit geben, in Ruhe wieder meinen Sprung zu finden."
Der Überflieger in seiner Mannschaft ist aktuell Stefan Kraft, den er selbst auf Schultern nach dessen Normalschanzen-Gold durch den Auslauf getragen hat. "Er hat die gewisse Lockerheit, er kann seine Sprünge um 03.00 Uhr in der Nacht abrufen. Das ist super schön zu beobachten, und es kommt mir irgendwie auch bekannt vor", meinte Schlierenzauer schmunzelnd.