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Kristall-Krimi um Reichelt: Als 1 Punkt entschied

Die Kugel, an die niemand mehr glaubte: Story hinter letztem ÖSV-Kristall im Super-G.

Kristall-Krimi um Reichelt: Als 1 Punkt entschied Foto: © GEPA

Nach der bereits fixierten Slalom-Kugel von Marco Schwarz haben Österreichs Ski-Herren beim Weltcupfinale in Lenzerheide die Chance auf weiteres Kristall.

Weltmeister Vincent Kriechmayr geht am Donnerstag mit 83 Punkten Vorsprung auf Marco Odermatt in den letzten Super-G der Saison. Selbst bei einem Sieg der Schweizers müsste der Oberösterreicher nur 14. werden, um die erste Kristallkugel seiner Karriere abzustauben.

"Ich werde Vollgas geben. Angriff ist die beste Verteidigung. Nur so halb, das ist nichts", will sich Kriechmayr in gewohnter Manier nicht vorzeitig gratulieren lassen.

Er erinnert nur zu gerne an das Jahr 2008, damals gewannen die ÖSV-Herren in Person von Hannes Reichelt die bis heute letzte Super-G-Kugel – und das völlig überraschend. Denn Reichelt lag vor dem finalen Rennen in Bormio als Dritter der Disziplinen-Wertung ganze 99 Punkte hinter Didier Cuche, Christoph Gruber hatte als Zweiter 89 Punkte Rückstand.

"Diese kleine Kugel wird sich Cuche nicht mehr nehmen lassen", lauteten unisono die Schlagzeilen vor dem finalen Super-G 2008. Die ÖSV-Chancen wurden als rein theoretisch eingestuft.

Doch dann kam alles anders:

Reichelts Riesenfett'n

Cuche verbremste seinen Lauf und landete als 16. außerhalb der Punkteränge der ersten 15. Reichelt gewann auf der Stelvio eine Hundertstel-Sekunde vor dem Schweizer Didier Defago und die Kugel mit einem Punkt Vorsprung auf Cuche.

Der damals 27-jährige Reichelt erhielt dabei auch noch Schweizer Schützenhilfe, denn Daniel Albrecht verdrängte trotz Funksprüchen, dass er bremsen möge, seinen Landsmann Cuche noch aus den Punkterängen.

"Erst komme ich als Führender ins Ziel, dann musste ich warten, und dann musste ich auch immer wieder an die vergangenen Wochen denken", sagte Reichelt nach seinem Triumph mit Tränen in den Augen auch in Gedanken an seinen wenige Tage davor in Kvitfjell so verhängnisvoll gestürzten Teamkollegen Matthias Lanzinger.

"Nach den ganzen Emotionen der letzten Zeit geht es mir jetzt wirklich gut. Ich habe auch eine Riesenfett'n gehabt", gab der Salzburger angesichts des knappen Vorsprungs zu und fügte an: "Ich muss sicher allen ein Bier zahlen, die zwischen mir und Cuche reingefahren sind."

Dicke Luft bei den Eidgenossen

Während im ÖSV-Team das eine oder andere Bier getrunken wurde, herrschte im Lager der Eidgenossen dicke Luft. Nachdem Albrecht seinem Landsmann Cuche noch aus den Punkterängen gefahren hatte, wütete Cheftrainer Martin Rufener. "Der Dani hat den Funkspruch erhalten, dass er etwas zurückstecken soll. Plan B wäre gewesen, zu bremsen. Das hat er nicht gemacht. Manchmal muss man die eigenen Interessen für das Team zurückstecken."

Der Coach entschuldigte sich wenig später für diese Aussage bei Albrecht, der sich wiederum rechtfertigte. "Ich glaube nicht, dass ich verantwortlich bin, dass Didier die Kugel nicht hat." Er habe erst drei Sekunden vor dem Start vom Funkspruch erfahren und sich dann nicht mehr umstellen können.

Cuche hielt sich mit Vorwürfen zurück. "Es ist hart, ich bin zu dosiert gefahren. Der Trottel bin ich selbst und niemand anderer. Ich kann von niemanden verlangen, langsamer zu fahren. Ich verstehe es. Doch ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn er es getan hätte. Aber Skifahren ist ein Einzelsport." Fair verhielt sich Cuche auch gegenüber Reichelt, dem er umgehend gratulierte.

Der damalige ÖSV-Alpinchef Hans Pum erinnerte an eine ähnliche Situation bei den Österreichern beim Finale 1997 in Vail, als Andreas Schifferer den Super-G vor Josef Strobl gewann, womit die kleine Kristallkugel knapp an den Franzosen Luc Alphand ging.

Pums Conclusio lautete also: "Es zahlt sich aus, sich bis zum Schluss reinzuhängen."

Das wird freilich auch Vincent Kriechmayr tun, denn Vorsicht ist trotz des komfortablen Vorsprungs dennoch geboten. Odermatt kommt das Gelände in Graubünden entgegen, ein Ausfall ist im Super-G schnell passiert. Vor allem bei den angesichts des Wetters zu erwartenden schwierigen Bedingungen, vorausgesetzt, es kann überhaupt gefahren werden. 

Deshalb schreiben wir jetzt vorsichtshalber lieber nicht: "Diese kleine Kugel wird sich Kriechmayr nicht mehr nehmen lassen."

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