Österreich im Slalom-Fieber!
Die aktuellen Erfolge von Marco Schwarz, der mit dem Roten Trikot zum Slalom-Doppel nach Flachau kommt, Manuel Feller und Co. lassen die heimischen Ski-Fans jubeln. So manch einer denkt da an die glorreichen Zeiten um die Jahrtausendwende zurück, als Österreich das stärkste Slalom-Team der Welt stellte.
Einer der größten Erfolge jährt sich am heutigen Tag zum 20. Mal: Der ÖSV-Fünffachsieg im Slalom von Wengen.
Am 14. Jänner 2001, als die heutigen Stars wie Schwarz gerade einmal Taferlklassler waren, sorgten Benjamin Raich, Rainer Schönfelder, Mario Matt, Florian Seer und Kilian Albrecht für einen Triumph, den man gerade im Slalom nie für möglich gehalten hätte und den es bis dahin in dieser Disziplin auch nicht gegeben hat. Was den Speed-Herren der Neunfachsieg am Patscherkofel, ist den Technikern der Fünffachsieg von Wengen - ein Erfolg, der in die österreichische Sportgeschichte eingegangen ist.
Ein Erfolg, den man fast nicht gesehen hat
Einen Haken hatte der Ski-Feiertag in Rot-Weiß-Rot allerdings, denn man hat ihn praktisch nicht gesehen. Vor allem im zweiten Lauf waren die Läufer aufgrund von starkem Nebel über dem Lauberhorn beinahe im Blindflug unterwegs. Doch auch die schlechte Sicht konnte die Sternstunde der Österreicher nicht verhindern.
Den besten Durchblick hatte an diesem Tag Benni Raich, der zwei Mal Laufbestzeit in den Schweizer Schnee zauberte und mit sagenhaften 1,29 Sekunden Vorsprung gewann. Es war zu dem Zeitpunkt der größte Vorsprung in einem Weltcuprennen seit 1995.
Für den damals 22-jährigen "Blitz aus Pitz" war der erste Saisonsieg ein Befreiungsschlag, nachdem er im Slalom zwei Jahre nicht gewonnen hatte. "Die Sicht war schlecht, die Piste war schlecht, aber wenn man in Form ist, dann stört das nicht", gab Raich damals zu Protokoll. "Ich selbst habe nie an mir gezweifelt, auch wenn's nicht leicht war."
Nach dem Sieg in Wengen setzte Raich zu einem Erfolgslauf an und gewann auch die folgenden beiden Slaloms in Kitzbühel und Schladming und sicherte sich die kleine Kristallkugel.
Schönfelder: "Dachte, dass ich eine Panier bekomme"
Fast ungläubig war Rainer Schönfelder über seinen zweiten Platz. "Normalerweise liegt mir Nebel nicht, weil meine Kontaktlinsen dann verrutschen und ich nicht einmal die Tore sehe. Aber ich wollte mich darauf einstellen. Dabei hätte ich gedacht, dass ich im zweiten eine volle Panier bekomme, so schlecht habe ich mich gefühlt. Umso größer war die Freude, als der Platzsprecher dann Bestzeit gerufen hat, denn die Zeit hab' ich durch den Nebel nicht gesehen", erklärte der Kärntner in seiner gewohnt lockeren Art.
Zufriedenheit war an diesem Tag eine Zier, die alle Österreicher an den Tag legten. "Nach meinem Fehler im ersten Lauf und nach zwei Hackern im zweiten hätte ich nicht mehr ans Podest geglaubt", meinte ein erblondeter Mario Matt, der von Halbzeit-Rang vier aus das Stockerl eroberte.
Florian Seer war im Ziel zunächst auch nicht glücklich, stürmte dank zweitbester Laufzeit in der Entscheidung aber noch von Platz 16 auf vier und damit zu seinem besten Karriereergebnis. Unmittelbar vor Kilian Albrecht, der sich nach seinem Bänderriss im Knöchel zwar nicht den Skischuh alleine ausziehen konnte, aber sich dennoch von Zwischenrang elf auf fünf nach vorne kämpfte.
Bester Nicht-ÖSV-Läufer war übrigens der Slowene Mitja Kunc vor dem Schotten Alain Baxter - der von einem Österreicher trainiert wurde.
Fahnen-Panne bei der Siegerehrung
Der Fünffachsieg kam allerdings nicht nur für die Österreicher überraschend, sondern auch für die Veranstalter in Wengen, denn es gab nur zwei österreichische Fahnen für die Siegerehrung. Der damalige OK-Chef Viktor Gertsch hatte in der Mannschaftsführer-Sitzung deshalb vor dem Rennen noch extra gebeten, dass der ÖSV von einem Dreifachsieg absehen möge.
"Wir sind halt einfach undiszipliniert", grinste der damalige Herren-Cheftrainer Toni Giger.
Die Beschreibung "undiszipliniert" traf auf die österreichische Slalom-Truppe freilich am wenigsten zu. "Jung, dynamisch, wild, erfolgreich", titelte die Austria Presse Agentur damals. "Das österreichische Slalom-Team würde jedem Personalchef bei einer Bewerbung wohl Tränen der Rührung in die Augen treiben."
Zwar gehört zu einem Fünffachsieg auch immer eine Portion Glück, die Überlegenheit des jungen ÖSV-Teams - Raich war 22, Schönfelder 23 und Matt 21 – kam aber nicht von ungefähr, sondern war das Ergebnis ausgezeichneter Arbeit. Den Österreichern war die Umstellung auf die Carvingski perfekt gelungen.
"Das Ziel war es, einen möglichst schnellen Schwung zu fahren. Und dafür haben wir ein System entwickelt, das ähnlich ist wie das Inline skaten. Im Schwung wird versucht, Tempo zu machen. Das ist zwar riskant, aber es zahlt sich offensichtlich aus", erklärte ÖSV-Slalom-Trainer Gert Ehn.
Eine perfekte Mischung
Dazu kam auch eine scheinbar perfekte Mischung im Team, die Läufer haben sich schon im Training gegenseitig zu Höchstleistungen angespornt. "Wir sind alle jung und hungrig, kommen aber bestens miteinander aus. Das ist sicher ein Geheimnis", sagte Sieger Raich. Und Schönfelder merkte an, dass man in punkto Material, Technik und Läufer einfach "besser als die anderen" sei.
Das zeigte sich auch kurz darauf bei der Heim-WM in St. Anton. Zwar reichte es nicht zu einem neuerlichen Fünffachsieg, Matt und Raich sorgten mit Gold und Silber aber für Riesenjubel bei den 60.000 Fans am Arlberg.
Trainer Ehn hatte schon zuvor gewarnt: "An Fünffach-Erfolge sollte man sich nicht gewöhnen, die darf man nicht erwarten."
Jener Sieg vor 20 Jahren ist tatsächlich einzigartig, bis heute hat es das im Slalom nie wieder gegeben.