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Anorthosis Famagusta: Rapids größter Europa-Schock

Böse Erinnerungen: Famagusta wurde zum blamablen CL-Stolperstein.

Anorthosis Famagusta: Rapids größter Europa-Schock Foto: © GEPA

Anorthosis Famagusta!

Ein Name, bei dem Rapid-Fans selbst bei 30 Grad das grün-weiße Blut gefriert, das ihnen durch die Adern zieht.

Der nächste Gegner in der Europa-League-Qualifikation hat sich vor 13 Jahren in die jüngere Hütteldorfer Historie gebrannt, als die Zyprer als vermeintlicher No-Name zur Endstation der Champions-League-Träume des damaligen Meisters wurden.

Dass sich die Inselkicker aus Europas Süden in weiterer Folge auch in der Gruppenphase bei größeren Kalibern bekannt machten, war zum damaligen Zeitpunkt kein Trost.

LAOLA1 blickt nicht nur auf sportliche Highlights, sondern auch auf manch große Enttäuschung zurück. Und weiß noch, wie die dunkle Stunde Rapids auf der internationalen Bühne zustande kam:

Die Vorzeichen

Anorthosis musste vor dem Rapid-Duell noch über Pjunik Jerewan drüber, einem 1:0-Heimsieg folgte ein 2:0 in Armenien. Schon vor diesem Duell schickten die Zyprer Selbstvertrauen vor, das sich am Ende als nicht so haltlos herausstellen sollte: "Ich glaube, dass wir ein besseres und stärkeres Team als in den vergangenen Jahren haben. Wir sind in der Lage, den Sprung auf die große Bühne zu schaffen", träumte Anorthosis-Präsident Andreas Pantelis von der CL-Gruppenphase.

Und das Selbstvertrauen kam nicht aus dem Nichts: Den Titel sicherte sich Famagusta im Vorjahr ohne Niederlage (20 Siege, 12 Remis).

"Die Zyprioten mit einigen erfahrenen Spielern waren weitaus kompakter und zeigten höhere Spielkultur", berichtete Pacult-Spion Fritz Riedmüller nach dem Hinspiel gegen Jerewan.

Und die "erfahrene Truppe", die Co-Trainer Zoran Barisic sah, wurde vor dem Aufeinandertreffen noch erfahrener: Mit Traianos Dellas, Europameister von 2004 mit Griechenland, wurde ein damals 32-jähriger und namhafter Routinier verpflichtet, der bei AEK Athen ausgemustert wurde. Beim Hinspiel fehlte er aber noch.

(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

Pacult bereitete der Ex-Europameister aber kein Kopfzerbrechen: "Anorthosis ist eine sehr routinierte Mannschaft, die praktisch mit zehn Ausländern spielt. Sie ist gefährlich bei Standard-Situationen und lässt den Ball gut laufen. An der Ausgangslage ändert Dellas nichts. Dann spielt halt noch ein Zypriote weniger." Auch der 31-jährige Franzose Cedric Bardon (früher u.a. Lyon, Guingamp, Rennes, Lewski Sofia) wurde als Spielmacher als Gefahr ausgemacht, aber Pacult sah auch Schwächen: "Wir haben in den letzten Trainings schon geübt, wie wir Anorthosis Probleme bereiten können."

Die Vorzeichen waren für Rapid eigentlich nicht schlecht: In der Bundesliga beendeten die Hütteldorfer mit einem 1:0 eine fünfjährige Unserie in Mattersburg, bei dem sich allerdings Branko Boskovic einen schweren Knochenbluterguss zuzog und in weiterer Folge fehlte. Fatal, wie sich später herausstellte. Außerdem setzten sich in fünf Duellen mit Klubs aus Zypern zuvor viermal die ÖFB-Klubs durch.

"2008 war das eine ausgekochte Mannschaft – damals der Altersschnitt 29,7, so weit ich mich noch erinnern kann. Vorne ein polnischer Stürmer mit 17 Toren in der Liga, in der Abwehr ein Teil der griechischen Nationalmannschafts-Abwehr. Also es war eine ganz ausgefuchste Mannschaft, haben uns irrsinnig schwer getan."

Peter Pacult erinnert sich

Und es ging um viel: Im Gegensatz zu 2021, wo sich Rapid selbst zweifaches Scheitern leisten könnte und trotzdem noch europäisch engagiert wäre, bedeutete ein Aus gegen Famagusta das Ende der internationalen Saison. "Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass wir zwei große Ziele haben, die wir unbedingt erreichen wollen. In der Meisterschaft einen internationalen Startplatz zu holen und die zweite Runde in der Champions-League-Qualifikation zu überstehen", meinte Pacult.

Budgetiert wurde offen kommuniziert mit 500.000 Euro aus dem Europacup. Dazu wäre nur ein Weiterkommen gegen Famagusta nötig gewesen. Weil zuvor Ümit Korkmaz für 2,3 Mio. Euro an Eintracht Frankfurt verkauft wurde, war Geld aber ein sekundäres Thema.

Gedacht wurde an weitere Aufgaben natürlich trotzdem: Schon bei größeren Gegnern in der Qualifikation war ein Wechsel ins Happel-Stadion angedacht. Ein Ausbau des Hanappi-Stadions wäre in den nächsten zwei bis drei Jahren Thema, aber Sache des Eigentümers - der Stadt Wien.

Die kalte Dusche in der Hitze Zyperns

Das grün-weiße Unheil begann bereits im Hinspiel auf Zypern vor 9.300 Zusehern. Anstelle mit "einem positiven Resultat nach Wien zurückzukommen" - wie es Barisic erhoffte - bissen die Hütteldorfer gleich drei Mal in den sauren Apfel. Anstatt einer soliden Basis fürs Rückspiel, reiste Rapid mit einem 0:3 in die Heimat. Ein echter Schock. Gefühlt war die Europacup-Saison vorbei.

So lauteten die Aufstellungen im Hinspiel:

Anorthosis: Begaj - Ocokoljic, Katsavakis, Constantinou, Leiwakabessy - Skopelitis, Dobrasinovic, Bardon (76. Samaras), Nikolaou (66. Tiqinio) - Zitajschwili (46. Laban), Sosin

Rapid: Koch - Dober, Tokic, Patocka, Katzer - Hofmann, Heikkinen, Kulovits, Kavlak - Maierhofer (61. Jelavic), Hoffer (77. Ketelaer)

Tore: Skopelitis (35.), Sosin (47., 92.)

Gelbe Karten: Laban bzw. Patocka, Kavlak, Ketelaer

Rapid begann zögerlich, das rächte sich nach 35 Minuten durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, die Giannis Skopelitis nutzte. Kurz nach Wiederbeginn der nächste Nackenschlag, als Lukasz Sosin Jürgen Patocka entwischte - dessen Innenverteidiger-Kollege Mario Tokic blieb einfach stehen und spekulierte auf Abseits.

Auch danach blieb Famagusta gefährlicher, das fatale dritte Gegentor fing sich Rapid erneut durch Sosin in der Nachspielzeit (92.). Zu allem Überdruss schied Jimmy Hoffer verletzt aus, was Marcel Ketelaer zum Debüt verhalf - für das Rückspiel wurde er wieder fit.

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"Wir haben verdient verloren", brachte es Rapids letzter Meistertrainer Peter Pacult auf den Punkt. "Die Leistung werde ich intern besprechen. Bis zum 0:1 haben wir eigentlich fast alles richtig gemacht, aber dann haben wir zu viele Abspielfehler gemacht. Das ist eine Niederlage, die für mich schwer verdaulich ist."

Rapid blieb nach der schwachen Vorstellung für das Rückspiel nur die Hoffnung auf ein Fußball-Wunder und die Erinnerung an 1998. In der UEFA-Cup-Qualifikation 1998/99 hatte Grün-Weiß das Hinspiel gegen eine zypriotische Mannschaft mit zwei Toren Unterschied verloren. Nach dem 1:3 bei Omonia Nikosia gewannen die Wiener das Heimspiel 2:0 und stiegen auf.

Auch Pacult ließ die Hoffnung leben: "Ich war schon einmal dabei, wie Rapid so ein Ergebnis umgedreht hat" - 1985, 5:0 daheim nach 0:3 auswärts gegen Dynamo Dresden.

Stefan Maierhofer beschwor ein "Wunder": "Jetzt müssen wir im St. Hanappi auf ein Wunder hoffen. Aber dort sind schon einige Wunder passiert."

Anorthosis-Coach Temuri Ketsbaja sah hingegen einen "großen Sieg nicht nur für Famagusta, sondern für den gesamten zypriotischen Fußball."

Drazan debütierte
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Präsident Rudi Edlinger musste sich schon nach dem Hinspiel der Frage nach den finanziellen Konsequenzen stellen, beruhigte aber: "Wir haben in unserem Budget einen Überschuss eingeplant, weil wir Altlasten abbauen wollten. Dieser Abbau der Altlasten würde bei einem Ausscheiden in geringerem Maße passieren", erklärte der frühere Finanzminister und betonte: "Unsere Liquidität wäre bei einem Ausscheiden nicht gefährdet. Und bei einem Budget von zwölf Millionen Euro ist es nicht schwierig, 200.000 oder 300.000 Euro einzusparen."

Dass in der Zwischenzeit Olympiakos als Drittrunden-Gegner ausgelost wurde, kümmerte im Klub kaum jemanden. Nur Goalie Georg Koch bemerkte ironisch: "Super, die können wir packen."

Das "Wunder von St. Hanappi" knapp verpasst

Immerhin: Den Glauben wollte niemand so ganz aufgeben. Mit einem 3:1 über Kapfenberg wurde zwischen den Famagusta-Spielen die Tabellenspitze erklommen und Moral bewiesen.

Rapid trat im Hanappi an, die 23 Jahre alte Dresden-Sensation zu wiederholen - das einzige Mal, dass ein ÖFB-Klub einen 0:3-Rückstand noch drehte.

Als Veteran dieser Sternstunde bemühte auch Pacult die jahrzehntealte Erinnerung zur Motivation. "Der eine muss für den anderen hundertprozentig da sein, muss Wege gehen, die wehtun. Das war 1985 nicht anders."

Dass Branko Boskovic zurückkehrte, kostete einem gewissen Christopher Drazan seinen Platz in der Startelf. Der 17-Jährige debütierte erst am Wochenende in der Bundesliga. "Lassen wir einen so jungen Spieler einmal entwickeln", lautete die Forderung des Trainers.

So lauteten die Aufstellungen im Rückspiel:

Rapid: Koch - Dober (33. Thonhofer), Tokic, Patocka, Katzer - Hofmann, Heikkinen, Boskovic (57. Drazan), Kavlak (66. Jelavic) - Maierhofer, Hoffer

Anorthosis: Begaj - Ocokoljic, Katsavakis, Constantinou, Leiwakabessy (46. Nikolaou) - Dellas (59. Tiquinho), Dobrasinovic - Skopelitis, Laban, Bardon (46. Samaras) - Sosin

Tore: Hoffer (22.), Maierhofer (63., 67.) bzw. Laban (13.)

Gelbe Karten: Hofmann bzw. Dobrasinovic

Statt des erhofften frühen Tors gab es auch in Wien erst einmal einen Nackenschlag: Laban bereitete den Hoffnungen schon nach 13 Minuten mit dem Auswärtstor quasi ein Ende. Goalie Koch sah nicht gut aus, gab sich früh geschlagen.

Der Jubel war nicht nachhaltig
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"Maierhoffer" retteten mit einem baldigen Ausgleich (22.) und einem späteren Doppelpack binnen vier Minuten (63., 67.) zumindest 25 Minuten dieser Hoffnung und den Abend, aber nicht die EC-Saison Rapids. Chancen gab es vor 17.000 Zuschauern aber genug, selbst diese Mammutaufgabe zu bewältigen.

Auch die fehlende Chance für Drazan rächte sich: Er wurde nach 57 Minuten eingewechselt, brachte viel Schwung und beide Assists zu den folgenden Toren.

Steffen Hofmann war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben: "Wir haben alles gegeben, aber uns hat das Glück gefehlt, das Famagusta im ersten Spiel gehabt hat. Normalerweise müssten wir gegen so ein Team weiterkommen", meinte er über die "bitterste Situation" seiner Rapid-Zeit.

Pacult beklagte auch das "fehlende Quäntchen Glück": "Es gibt im Fußball schöne und weniger schöne Tage, und heute war ein weniger schöner Tag. Es hat in zwei Spielen nicht gereicht. Wo wir es verloren haben, ist letztlich egal." Dass sich die Mannschaft nach dem 0:1 nicht hängen ließ, zeuge von "gutem Charakter".

Zur Frustbewältigung musste der SCR Altach herhalten: In Vorarlberg wurde das nächste Spiel nach der bitteren Stunde mit dem benötigten Tor-Feuerwerk von Wien gewonnen - 7:2.

Famagusta zeigt auf

Famagusta ärgerte auch Olympiakos und Inter
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Retrospektiv liest sich das Aus gegen Famagusta nicht mehr so katastrophal, wie es sich damals anfühlte. Anorthosis zog mit Ex-Real-Spieler Savio wenige Tage später den nächsten dicken Transfer-Fisch an Land - und wusste auch sportlich zu überzeugen.

Olympiakos erlitt auf Zypern nämlich das gleiche Schicksal wie Rapid: Eine 0:3-Niederlage. Ein 1:0 aus dem Rückspiel war auch für die Griechen zu wenig, erstmals stand ein zypriotischer Klub in der CL-Gruppenphase.

"Ein kleines Team aus einem kleinen Land steht in der Champions League. Soweit es mich angeht, haben diese Burschen bereits gewonnen", jubelte Trainer Ketsbaja.

Und dabei blieb es nicht. Mit sechs Punkten zeigte Anorthosis auch in der Gruppenphase auf, verlor bei Panathinaikos und Inter nur knapp 0:1, schlug die Griechen daheim 3:1 und kam daheim gegen Inter zu einem 3:3, gegen Werder Bremen zu einem 2:2 und zudem in Deutschland zu einem 0:0 - nur knapp Rang vier, einen Zähler hinter Bremen.

Pacult erinnert sich

Nun also die Neuauflage, aber unter deutlich harmloseren Vorzeichen. Es geht nicht um die Champions-, sondern "nur" um die Europa League. Zudem würde ein Ausscheiden nicht das absolute Aus im Europacup bedeuten.

Eine große Parallele gibt es, denn nicht nur Anorthosis Famagusta, sondern auch Temur Ketsbaja kehren nach Hütteldorf zurück: Der Georgier hat 2019 eine zweite Amtszeit als Trainer angetreten. Nunmehr betreut er aber nicht den Meister Zyperns, sondern den Cup-Sieger - in der Liga reichte es nur zu Platz vier.

Kvilitaia ging Famagusta verloren
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Außerdem kamen im Sommer viele Spieler abhanden - unter anderem ein gewisser Giorgi Kvilitaia, von Genk an APOEL weiterverliehen.

Famagusta ist nicht mehr das Team von damals - ja, nicht einmal das Team vergangener Saison. Dessen ist sich auch der nunmehrige Klagenfurt-Trainer Pacult bewusst, als er am Wochenende von "Sky" über seine Erinnerungen befragt wurde.

"2008 war das eine ausgekochte Mannschaft – damals der Altersschnitt 29,7, so weit ich mich noch erinnern kann. Vorne ein polnischer Stürmer mit 17 Toren in der Liga, in der Abwehr ein Teil der griechischen Nationalmannschafts-Abwehr. Also es war eine ganz ausgefuchste Mannschaft, haben uns irrsinnig schwer getan", so der 61-Jährige, der auch an Abgänge und den Boskovic-Ausfall erinnerte.

"Nichtsdestotrotz war es schon eine Niederlage, mit der wir sehr gehadert haben. Wir haben natürlich im Rückspiel alles auf eine Karte gesetzt, hatten auch sehr gute Möglichkeiten. Trotz allem war das Ausscheiden sehr enttäuschend."

Eine Enttäuschung wäre es diesmal auch - wohl aber nicht eine denkwürdige Niederlage, die sich dermaßen in die Vereinshistorie brannte wie jenes Duell 2008.

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