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"Ich bin auch kein Rasen-Doktor"

„Fußball ist die wohl größte Sache der Welt.“

Preisfrage: Woher stammt dieses Zitat?

Da es so gut wie unmöglich ist, die richtige Antwort zu erraten, gleich vorweg die richtige Antwort: Es ist der Homepage der Messe Congress Graz entnommen.

Unter dem Titel „Wenn Fußball in Graz Emotionen entfacht“ wirbt der Stadionbetreiber der UPC-Arena für seinen Fußballplatz in Liebenau – unter anderem mit diesem Satz.

Und ja, Emotionen hat der Fußball in Graz dieser Tage einige entfacht. Sportlich war der Schlager zwischen Sturm und Rapid ein wahres Wechselbad der Gefühle.

Ruft man sich die Platzbedingungen am vergangenen Sonntag in Erinnerung, kann man indessen getrost von Rasen(der)-Wut sprechen.

Deftige Reaktionen

Die Spielfläche war in einem derart peinlichen Zustand, dass man den Eindruck bekommen konnte, dass Fußball für so manchen Verantwortlichen in der steirischen Landeshauptstadt die unwichtigste Nebensache der Welt ist, und ganz bestimmt nicht die größte Sache der Welt.

Die Reaktionen waren ebenso vielschichtig wie emotional und deftig. Nur einige Beispiele:

LAOLA1-User „nestelberg“ postete in unserem Forum folgenden offenen Brief, den er an den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl und Sportstadtrat Kurt Hohensinner gerichtet hat:

Lieber Hr. Bürgermeister Nagl ! Schön, dass sie gestern auch im Stadion waren.
Lieber Hr. Sportstadtrat Hohensinner, vielleicht erzählt ihnen ihr Bürgermeister auch von diesem gestrigen Tag.
Die Fußballfans haben ein spannendes, packendes Spiel gesehen. Der Fußballverein Sturm Graz ist nun einmal das sportliche Aushängeschild unserer Stadt und beweist dies immer wieder aufs neue.
Und findet auch Anerkennung österreichweit bei fußballinteressierten Fans.
Natürlich gibt‘s sportliche Höhen und Tiefen, und es ist schön, oft stolz auf Verein und Mannschaft zu sein.
Leider kommt zu diesem Stolz nun auch vermehr etwas anderes dazu: Scham nämlich!!!
Österreichweit in allen Medien, Fernsehen, Zeitungen, Internetportalen usw. wurde und wird der katastrophale Zustand des Rasens in der UPC-Arena erwähnt.
Graz ist die zweitgrößte Stadt Österreichs, hat einen der führenden Clubs in diesem Land und muss seine Heimspiele auf einem derart ramponierten Spielfeld austragen. Der Spott von Fußballfans aus ganz Österreich ist uns gewiss!!
Ich als Grazer schäme mich für die Stadt Graz.
Hr. Nagl, Hr. Hohensinner, ich frage Sie beide: Ist es für sie o.k., dass ich mich für meine Heimatstadt schämen muss ???
Wie sehen sie die Angelegenheit??

Auch medial wurde nicht mit Kritik gespart. So schrieb etwa Kollege Michael Schuen in seiner Kolumne in der „Kleinen Zeitung“:

„Und doch gibt es einen Skandal in Graz: Der Rasen der UPC-Arena ist und bleibt ein Acker. Höflich formuliert. Es ist traurig, wie wenig sich der Stadionbetreiber darum schert. Erschreckend, mit welcher Kontinuität man den desolaten Rasenzustand ignoriert, keinen Finger rührt. Schade, dass die Leidenschaft für Fußball in Graz offenbar beim Rasen endet.“

Barisic: „Eine Katastrophe“

Und wie berichtet sparten auch die beiden Trainer nicht mit heftiger Kritik. Rapid-Coach Zoran Barisic sprach von einer „Katastrophe, zwei solche Mannschaften auf solch einem Rasen spielen zu lassen“ und fügte einen begrüßenswerten Aufruf hinzu:

„Ich würde mir in Österreich generell wünschen, dass man sich mehr bemüht und wirklich gute Plätze schafft, um den Zuschauern auch ein attraktives Spiel zu bieten. Das ist schon sehr an der Grenze gewesen.“

Die Spielfeld-Beschaffenheit ist ein wichtiges Mosaiksteinchen im fußball-österreichischen Dauer-Aufreger Infrastruktur. Gerade in Graz ist dieses Thema ein Dauerbrenner.

Sturm selbst lässt sich in dieser Causa der „Schwarze Peter“ kaum zuschieben. Eigentümer des Stadions ist die Stadt Graz, verwaltet wird es von der Messe. Deren Geschäftsführer Armin Egger wird schon seit längerer Zeit nicht gerade die größte Kooperationsbereitschaft nachgesagt. Sturm sind als Mieter die Hände gebunden. Der Verein ist auf den guten Willen des Eigentümers angewiesen.

„Dem Platzwart ist ein Fehler in der Bearbeitung passiert“

Dieser gute Wille wird im Umfeld des Klubs immer wieder in Frage gestellt. Und dies wohl auch nicht ganz zu Unrecht. In der öffentlichen Meinung kommt die Stadt Graz als Eigentümer der Spielstätte überschaubar gut weg.

Ob dieser erneute Aufreger einen Anlassfall für Besserung darstellt? Man darf gespannt sein.

Hohensinner verspricht in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber LAOLA1 zumindest: „Ich werde mich als Sportstadtrat natürlich dafür einsetzen, dass die Stadionsanierung rasch ins Laufen kommt und bald sichtbare Ergebnisse vorliegen.“

Altenburger prüft die Liebenauer Wiese

Sichtbare Ergebnisse könnten zur Definitionssache werden. Von Seiten des Stadionbetreibers war Egger für LAOLA1 für eine Erklärung nicht erreichbar. Stattdessen schildert mit Karl Altenburger der technische Leiter der Messe Congress Graz seine Sicht der Dinge in dieser Problematik.

„Fakt ist, dass wir den ganzen Sommer auch in der spielfreien Zeit den Rasen gut gepflegt haben und eine tolle Wiese hatten. Dann ist dem Platzwart ein Fehler in der Bearbeitung passiert, der sich in Kombination mit den Hitzebedingungen schlecht ausgewirkt hat. Wir arbeiten jetzt daran, das zu korrigieren. Das geht leider nicht von heute auf morgen. Es dauert jetzt leider ein bisschen, bis sich das wieder in guten Zustand bringen lässt.“

Wie lange es konkret dauern wird? „Das kann ich nicht abschätzen, ich bin auch kein Rasen-Doktor. Aber ich sage einmal, sicher 14 Tage bis drei Wochen.“

„Brandflecken, die beim Düngen entstanden sind“

Welcher Fehler dies konkret gewesen sei, möchte Altenburger für sich behalten, die Platzwarte seien jedoch „todunglücklich, dass es so ist, wie es ist. Die machen das ja nicht absichtlich. Die wollen auch lieber eine schöne Wiese haben als eine, die nicht in Ordnung ist.“

Ein durchschnittliches Ergebnis also, aber immerhin eine Steigerung im Vergleich zur Saison 2013/14, als Sturm mit einem desaströsen Wert von 5,55 den neunten und somit vorletzten Rang unter den zehn Bundesligisten einnahm.

„Wenn Sie sagen, das ist keine neue Geschichte, dann widerspreche ich dem, muss ich ganz ehrlich sagen. Wir arbeiten zusätzlich mit einem Experten, der uns in der Rasenbearbeitungsfrage berät und uns auch bestimmte Vorgaben, wie wir mit dem Rasen umgehen, empfiehlt. Wir hatten wirklich einen tollen Rasen. Das einzige, was er nicht ist, er ist nicht einfärbig, weil er schon lange genug drinnen liegt und bestimmte Grassorten eine andere Farbe haben. Er ist eben, hat eine entsprechende Struktur gehabt“, verteidigt Altenburger die zwischenzeitlich erzielten Fortschritte.

Ein gröberes Problem habe man seiner Auffassung nach nur einmal gehabt: „Nach der Nutzung des Stadions durch American-Football-Spiele haben wir längere Zeit gebraucht, dass wir wieder alles auf gleich gekriegt haben. Das stimmt. Seit diesem Zeitpunkt bedienen wir uns des externen Beraters.“

Das Verhältnis zu Sturm

Wie sehr diese Bemühungen in der Öffentlichkeit ankommen, sei dahingestellt. „Es ist halt so: Wenn die Wiese in Ordnung ist, redet keiner darüber. Wenn sie nicht in Ordnung ist, ist es ein Drama. Ich verstehe es eh“, meint Altenburger.

Zur Wehr setzt sich der technische Leiter der MCG auch gegen den Eindruck, dass es mit Mieter Sturm bisweilen Kommunikationsprobleme gibt: „Das kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Fakt ist, dass Sturm als unser Mieter natürlich Ideen und Wünsche hat. Wir als Stadionbetreiber sind am Montag wieder drei Stunden mit Sturm wegen der Gestaltung des Stadions zusammengesessen. Wir sind in einem ständigen Kooperationsprozess. Es ist ja nicht so, dass wir nicht miteinander reden. Und was Sturm nicht passt, sagen sie uns auch.“

Wie sehr man auf diese Wünsche des SK Sturm eingehen könne? Die Antwort kommt zögernd: „Es ist ja auch immer die Frage, welche Auswirkungen finanzieller Art das hat. Sturm ist Mieter und wir müssen schauen, dass wir ein ordentliches Stadion zur Verfügung stellen. Das ist unser Job und den nehmen wir wirklich sehr ernst.“

Vielleicht hilft der derzeitige öffentliche Gegenwind, die Bemühungen in und rund um das Stadion zu intensivieren. Allen schönen Worten zum Trotz kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Motivation, Rahmenbedingungen auf professionellem Niveau zur Verfügung zu stellen, in Fußball-Österreich bisweilen überschaubar hoch ist – diesbezüglich ist Graz wohl kein Einzelfall.

Neuer Rasen im Sommer 2016

Im Worst Case gilt es in der steirischen Landeshauptstadt bis Sommer 2016 zu warten, ehe die Schützlinge von Trainer Franco Foda auf einem zufriedenstellenden Untergrund auflaufen können.

Platz Verein Durchschnittsvertung
1. Rapid Wien 8,88
2. Red Bull Salzburg 8,00
3. Austria Wien 7,16
4. SV Ried 7,11
<span style=\'color: #ff0000;\'>5. <span style=\'color: #ff0000;\'>Sturm Graz<span style=\'color: #ff0000;\'> <span style=\'color: #ff0000;\'>7,08
6. SCR Altach 6,58
7. SV Grödig 6,25
8. Admira/Wacker 5,83
. SC Wiener Neustadt 5,83
10. Wolfsberger AC 5,16
Platz Verein Durchschnittswertung
1. SV Ried 8,30
2. Red Bull Salzburg 7,66
3. Austria Wien 7,33
4. FC Wacker Innsbruck 6,66
5. Rapid Wien 6,50
6. SC Wiener Neustadt 6,27
7. Admira/Wacker 5,75
8. Wolfsberger AC 5,72
<span style=\'color: #ff0000;\'>9. <span style=\'color: #ff0000;\'>Sturm Graz<span style=\'color: #ff0000;\'> <span style=\'color: #ff0000;\'>5,55
10. SV Grödig 5,30

Passiert ist der Fauxpas beim Düngen, wie Hohensinner offenbart: „Durch die Brandflecken, die beim fehlerhaften Düngen entstanden sind, ist natürlich die Optik des Rasens nicht gut. Dieser wird in den nächsten Wochen nachgrünen.“

Menschliches Versagen, das einen erneuten Imageschaden zur Folge hat. Die Betonung liegt auf „erneut“. Der Eindruck, dass die „Wiese“ in Graz nicht immer dem im Profibetrieb erwarteten Standard entspricht, hält sich nun schon seit geraumer Zeit.

Ein Urteil,  gegen den sich Altenburger vehement zur Wehr setzt. In den vergangenen drei Jahren habe man wesentlich mehr Geld in die Rasenpflege investiert als in den Jahren davor. Vor allem mit den Resultaten der abgelaufenen Spielzeit zeigt er sich zufrieden: „Wir hatten die ganze letzte Saison einen super Rasen. Das sage nicht ich, das sagt uns Sturm und das haben auch die gegnerischen Mannschaften bestätigt.“

Verbesserung von desaströs auf durchschnittlich in der „Pitch Competition“

Auch hier ist „super“ wohl eine Definitionssache. In der „Pitch Competition“ der Vereinigung der Fußballer, in welcher die Spieler der Gastmannschaften nach jeder Partie den Platz beurteilen, belegte der Rasen in der UPC-Arena in der Vorsaison mit einem Durchschnittswert von 7,08 (Höchstnote 10) den fünften Platz (siehe Tabellen)

„Wenn die jetzige Saison abgelaufen ist, machen wir sowieso einen neuen Rasen rein. Das ist schon beschlossene Sache“, meint Altenburger.

Hohensinner konkretisiert: „Das Stadion wird in einem ersten Schritt um fünf Millionen Euro saniert und modernisiert, dabei wird auch der Rasen mit dem Unterbau und der Rasenheizung komplett getauscht, was natürlich längere Planungsarbeiten und Vorlaufzeiten erfordert. Aus diesem Grund waren diese Arbeiten nicht vor der aktuellen Saison möglich. Dies wurde mit Sturm auch so besprochen.“

Bis dahin kann man nur hoffen, dass die Sofortmaßnahmen greifen. Denn sonst droht die Gefahr, dass der Fußball in Graz weiterhin nicht nur positive Emotionen entfacht.

„Schämen braucht sich für die Grazer Sportstätten niemand“

Wobei Hohensinner den Imageschaden für Graz nicht erkennen kann: „Schämen braucht sich für die Grazer Sportstätten niemand. Die UEFA hat das Stadion vor dem Qualifikations-Spiel zur Europa League überprüft und keine Mängel festgestellt.“

Überprüfen wird dafür die Öffentlichkeit, ob die schönen Worte aus Politik und vom Stadionbetreiber auch tatsächliche Handlungen nach sich ziehen, oder unter die Kategorie Ausreden fallen. Fakt ist ohne Zweifel: Nach diesem schlagzeilenträchtigen Fauxpas werden die Verantwortlichen wohl auch an ihren Worten gemessen werden.

Gerade in Graz, wo Vertreter der Politik im VIP-Klub hofiert werden, Stadionsprecher-Durchsagen bezüglich der einflussreichen Ehrengäste zum guten Ton gehören – am Sonntag wurde beispielsweise Bürgermeister Nagl höflichst begrüßt.

Man kann auch den Fußball-Fans unter den Politikern nur wünschen, dass sie früher als später nicht nur kulinarische Leckerbissen im VIP-Klub, sondern auch sportliche auf einem würdigen Rasen genießen können.

Einen Vorteil hätten sie: Sie könnten politischen Druck erzeugen – und zwar wirklich, und nicht nur durch wohlmeinende Worte in der Öffentlichkeit.


Peter Altmann