„Man nimmt Sachen ganz anders wahr“, sagt Tomas Simkovic mit einem glückseligen Lächeln im Gesicht.
Damit mein der 25-Jährige nicht die rosige Tabellensituation der Wiener Austria, sondern seine Rolle als Jungvater.
Im LAOLA1-Interview spricht der Mittelfeldspieler nicht nur über Sohn Kristian, sondern auch über Menschen, die Rubin Okotie beschimpfen, einen bewundernswerten Frank Stronach, sein Interesse für Politik und den Psychologen Peter Stöger.
LAOLA1: Hast du schon realisiert, was euch in diesem Herbst gelungen ist?
Tomas Simkovic: Nach diesem Frühjahr war das so nicht zu erwarten. Da sieht man, was möglich ist, wenn jeder einzelne Selbstvertrauen hat. Wenn jeder das Vertrauen des Trainers spürt, ist fast mit der gleichen Mannschaft wie im Frühjahr sehr, sehr viel möglich. Jetzt sieht man, wie gut wir wirklich sind.
LAOLA1: Wie ist das psychologisch zu erklären? Neuer Trainer, neue Saison und auf einmal geht im Kopf der Knopf auf?
Simkovic: Ich will nichts Schlechtes über Ivo Vastic sagen. Ich respektiere ihn als Mensch sehr. Vielleicht ist es ja auch so, dass wir uns nach den Abgängen von Junuzovic und Barazite erst mit der Zeit besser eingespielt haben. Wir haben jetzt das Selbstvertrauen. Jeder im Kader hat das Gefühl, dass er von Anfang an spielen kann.
LAOLA1: Du musst ja nichts Schlechtes über Vastic sagen. Aber sag‘ etwas Gutes über Peter Stöger.
Simkovic: Ich kenne ihn schon sehr lange. In Wiener Neustadt war ich sein Kapitän und habe mich sehr gut mit ihm verstanden. Ich weiß, wie er tickt. Er ist ein sehr, sehr guter Psychologe. Er sucht in jedem Spieler die Stärken, sieht sehr viel Positives. Man sieht, dass das funktioniert. Es ist ein System dahinter. Und Manfred Schmid trägt auch sehr viel dazu bei.
LAOLA1: In Wiener Neustadt habt ihr gegen den Abstieg gespielt, jetzt spielt ihr um den Meistertitel. Hat sich Stöger verändert? Immerhin ist die Bühne hier am Verteilerkreis eine ganz andere…
Simkovic: Ich war auch sehr neugierig, wie er damit umgeht. Aber er ist derselbe Mensch wie in Wiener Neustadt. Es ist entscheidend, authentisch zu sein und seine Linie voll durchzuziehen. Das schätze ich sehr an ihm.
LAOLA1: Eine Szene, die mir aus dem Herbst in guter Erinnerung geblieben ist, war nach eurem ersten Heimspiel gegen Sturm. Du bist gemeinsam mit Rubin Okotie in Richtung Kabinengang marschiert, ein Fan hat ihn beschimpft, du bist daraufhin sehr emotional geworden und hast dich vor ihn gestellt. Das ist nicht alltäglich.
Simkovic: Ich kenne ihn schon seit der U11, er ist ein sehr guter Freund von mir. Ich finde es unnötig, wenn ein paar Idioten irgendwelche rassistischen Sachen reinschreien. Rubin tut zwar so, als ob es ihm nichts ausmachen würde, aber angenehm ist das für keinen. Egal, wo ein Freund von mir spielt, wenn so etwas passiert, werde ich mich immer vor ihn stellen.
LAOLA1: Hast du manchmal das Gefühl, dass ein paar Fans Vereinswechsel zu ernst nehmen?
Simkovic: Vor allem bei Rubin verstehe ich es nicht ganz. Er ist ja damals zu Nürnberg gegangen und nicht zu Salzburg oder so. Er wollte den nächsten Schritt wagen. Wenn jemand einen Aufstieg machen will, muss man das respektieren. Das ist ja in anderen Branchen nicht anders. Wenn ein Bankangestellter zur Konkurrenz wechselt, weil er dort Filialleiter werden kann, würde das doch auch jeder machen.
LAOLA1: Neben Okotie warst du in der Stronach-Akademie auch mit Markus Suttner und Andreas Schicker in einer Klasse. Im Winter 2003/04 warst du zum ersten Mal bei den Profis dabei. Wie sehr hat sich die Austria seither verändert?
Simkovic: Das war die Stronach-Ära. Damals war Jogi Löw Trainer und undenkbar, dass er jemals deutscher Teamchef wird. Mittlerweile ist alles familiärer, der Klub ist sympathischer und die Infrastruktur besser geworden. Es ist für jeden einzelnen viel angenehmer hier. Damals war viel Geld da, weshalb auch „ältere“ Spieler gekommen sind. Jetzt sind junge, hungrige Kicker am Werk. In der heutigen Zeit – das sieht man etwa auch bei Dortmund – ist das die Zukunft. Die Austria ist ein moderner, zukunftsorientierter Klub geworden.
LAOLA1: Zu dir persönlich: Wie bist du mit deinem Herbst zufrieden?
Simkovic: In den ersten zehn Runden war ich zufrieden. Dann war ich wegen einer Gelb-Sperre und einer Verletzung drei Spiele außer Gefecht – das hat mich ein bisschen aus dem Rhythmus gebracht. Insgesamt ist es in Ordnung. Nur mit der Torausbeute bin ich nicht zufrieden. Ich hatte fast in jedem Spiel eine Großchance. Das ist wiederum auch positiv, weil ich im Gegensatz zu früher immerhin zu vielen Chancen komme.
LAOLA1: Dann lass‘ uns lieber über deine Assists sprechen. Fünf sind dir gelungen, davon vier aus Standardsituationen. Damit bist du hinter Michael Liendl (fünf Torvorlagen aus Standards) die Nummer zwei der Liga. Hast du ein Erfolgsgeheimnis?
Simkovic: Die Übung macht’s. Wir trainieren das oft und nach den Einheiten schieße ich zusätzlich Freistöße. Ich habe immer gewusst, dass ich Freistöße schießen kann, jetzt habe ich auch das Vertrauen, sie schießen zu dürfen. Aber die vier Assists haben freilich auch viel mit den Mitspielern zu tun. Wir haben die Laufwege gut einstudiert.
LAOLA1: Was statistisch noch auffällig ist: Du bist im Herbst 41 Mal gefoult worden. Das ist der höchste Wert bei der Austria und der siebthöchste der Liga. Ziehst du irgendwie die Aggressionen deiner Gegenspieler an?
Simkovic: (lacht) Das weiß ich nicht. Ich gehe oft ins Dribbling und versuche, Risiko zu nehmen. Vielleicht liegt es ja daran. Aber manchmal ist das auch schlecht, weil es ein Zeichen dafür sein kann, dass ich den Ball zu lange halte.
LAOLA1: Du fühlst dich also nicht mehr „abgeklopft“ als andere?
Simkovic: Eigentlich nicht. In dem einen oder anderen Spiel ist mir aber schon aufgefallen, dass ich öfter gefoult wurde. Für mich ist das überhaupt kein Problem.
LAOLA1: Wenn dein Sohn in ein paar Jahren zu dir kommt und sagt, dass er Profi-Fußballer werden will. Wie würdest du reagieren?
Simkovic: Ich werde ihn sicher nicht zum Fußball zwingen. Das Wichtigste bei Kindern ist, dass sie Spaß an dem haben, was sie machen. Das ist auch im Nachwuchs-Fußball das Allerwichtigste. Ich sehe überhaupt nicht ein, wenn die Kinder von der U8 bis zur U14 Liegestütze machen oder Runden laufen müssen. In dieser Phase sollte man sie einfach spielen lassen. Wenn mein Sohn Spaß am Fußball hat, wäre ich froh, wenn er Fußballer wird.
LAOLA1: Dein Vater ist Bürgermeister und Jurist.
Simkovic: Richtig. Er ist seit etwa zehn Jahren Bürgermeister von Zahorska Ves in der Slowakei. Wir telefonieren fast täglich. Meine Mutter lebt in Hainburg und ist dort Krankenschwester, auch mit ihr stehe täglich in Kontakt. Mir ist Familie sehr, sehr wichtig.
LAOLA1: Wollte dein Vater nie einen Sohn, der auch studiert?
Simkovic: Er war tschechoslowakischer U21-Teamspieler, hat für die Profis von Slovan Bratislava einige Liga-Spiele gemacht und ist dort immer noch hoch angesehen. Ein Achillessehnenriss und weitere Verletzungen haben ihn dann aber zurückgeworfen. Vielleicht hat ihm danach auch der Biss gefehlt. Jedenfalls hat er einen anderen Weg gesucht. Er wollte nicht wirklich, dass ich studiere. Er ist schon froh, dass ich dort bin, wo ich bin. Wir sprechen detailliert über jedes Spiel und er sieht das immer sehr kritisch.
LAOLA1: Nachdem dein Vater Lokalpolitiker ist: Interessierst du dich für Politik?
Simkovic: Schon. Ich verfolge das Geschehen über die Zeitungen. Auch was in der Slowakei passiert, interessiert mich sehr. Ob ich selbst einmal politisch etwas mache, weiß ich nicht. Das hat noch Zeit. Es ist wichtig, dass man sich auch abseits des Fußballs für Sachen interessiert, um abschalten zu können.
LAOLA1: Da können wir die Brücke zu Stronach schlagen. Was sagst du zu seinem Einstieg in die Politik?
Simkovic: Für mich ist das unerwartet gekommen. Ich hätte nie geglaubt, dass er eine eigene Partei gründet. Aber wie gesagt: Für mich ist er ein großer Mann, dem man Respekt schenken sollte. Sein Wille und sein Einsatz sind ebenso bemerkenswert wie das, was er mit Magna erreicht hat. Ein bewundernswerter Mensch. Viele sehen das aber nicht so. Auch nach seinem Auftritt in der ZiB2 – ich denke, das Gespräch wurde auch ein bisschen provoziert. Manchmal wird er unglücklich dargestellt, anders, als er wirklich ist. Man sollte hinnehmen, dass er viel Positives nach Österreich bringen möchte und ihn nicht als Mensch, der nur Schlechtes will, darstellen.
LAOLA1: Was denkst du über Frank Stronach?
Simkovic: Seine Zeit im Fußball wird immer schlecht geredet. Aber wenn man sich den Output in der Akademie ansieht, muss man das positiv sehen. Nicht jeder steckt so viel Geld in den Fußball, weshalb man solche Leute immer mit offenen Armen empfangen sollte. Für mich ist Stronach ein großer Mann.
LAOLA1: Ärgert es dich, gerade zu dieser Zeit ein junger Spieler bei der Austria gewesen zu sein? Heutzutage hättest du schon früher Bundesliga-Erfahrung sammeln dürfen.
Simkovic: Damals waren sehr viele Nationalspieler da, es war schwerer, in der Mannschaft Fuß zu fassen. Im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass ich damals noch nicht soweit war. Ich habe einen Schritt zurück gemacht und dann drei nach vorne. Wenn die Karriere ein bisschen stockt, muss man das einfach machen. Also nein, ich ärgere mich nicht.
LAOLA1: Du bist im Frühjahr Vater geworden. Wie hat dich das als Mensch verändert?
Simkovic: Man wird viel verantwortungsbewusster. Man wird auch bodenständiger. Außerdem hat man eine ganz andere Motivation für seinen Beruf. Wenn mein Sohn älter ist, soll er sagen können: „Das ist mein Papa. Das macht mich stolz.“ Ich will, dass er zu mir aufschaut. Die ganze Situation verändert einen positiv, man wird erwachsener. Es ist das Schönste, das bisher in meinem Leben passiert ist.
LAOLA1: Ich hatte vorher nicht den Eindruck, du seist kein bodenständiger Typ.
Simkovic: Nein, nein. Vielleicht war bodenständig das falsche Wort. Ich will darauf hinaus, dass man Sachen ganz anders wahrnimmt. Man hat den Drang, die freie Zeit immer mit der Familie zu verbringen – früher war das ein bisschen anders. Wobei mir meine Freunde natürlich immer noch sehr wichtig sind.
LAOLA1: Zurück zur Slowakei. Du hast dort gelebt, bis du mit fünf Jahren nach Österreich gekommen bist.
Simkovic: Genau. Wir haben in der Umgebung von Tulln gelebt, sind viel hin und her gezogen. Ich war in vier verschiedenen Volkschulen.
LAOLA1: Konntest du schon Deutsch, als du nach Österreich gekommen bist?
Simkovic: Mein Bruder, der zwei Jahre älter ist und jetzt im Tiergarten Schönbrunn arbeitet, und ich konnten kein Wort Deutsch. Meine Schwester ist 1994 schon in Tulln auf die Welt gekommen. Als kleines Kind habe ich den Umzug nicht so mitbekommen. Man lernt die neue Sprache leicht. Bei meinen Geschwistern und mir hört man ja auch keinen Akzent. Es ist wichtig, wenn man schon als Kind viele Sprachen lernt. Ich ziehe meinen Sohn zweisprachig auf.
LAOLA1: Du hast gerade erzählt, dass du in vier verschiedenen Volkschulen warst. Das ist ein Schicksal, das deinem Sohn auch drohen könnte, weil man als Fußballer ja schnell einmal hin und her wechselt. Ist das etwas, das du unbedingt vermeiden willst?
Simkovic: Nein. Das will und kann ich auch gar nicht. Ich will mich sportlich weiterentwickeln. Man kann in einer Fußballer-Karriere nie genau planen, wo es einen hinzieht. Aber zurzeit fühle ich mich hier sehr wohl. Wenn ich noch zehn Jahre hier spiele, bin ich sehr glücklich. Aber das Ausland hat schon einen großen Reiz und ist auch mein Ziel. Ich werde alles dafür tun, damit mir das gelingt. Die Familie geht dann mit und wo der Kleine in die Volkschule geht, werden wir sehen.
LAOLA1: Gibt es ein Land, in dem du unbedingt einmal spielen willst?
Simkovic: Deutschland ist am naheliegendsten. Auch von der Mentalität her. Mittlerweile sind sehr viele Spieler dort, die Österreich sehr gut repräsentieren. Die Nationalmannschaft besteht fast nur noch aus Legionären. Meiner Meinung nach ist es das beste ÖFB-Team seit langem. Ich würde in jede gute Liga gehen. Ich habe kein Problem, mich zu verändern und mich anzupassen.
LAOLA1: Aber tendenziell nicht nach Thailand, oder?
Simkovic: (lacht) Nein, eher nicht. Wobei ich den Roli Linz verstehe. Er ist auch schon älter und ein experimentierfreudiger Mensch. Ich wünsche ihm nur das Beste dort.
Das Gespräch führte Harald Prantl