Die Floskel vom „amerikanischen Traum“ mag abgedroschen klingen, für Sarah Zadrazil (22) und Simona Koren (21) ist er dennoch irgendwie Realität.
Vor etwas mehr als zwei Jahren ist das Duo, das im ÖFB-Nationalteam spielt, ausgezogen, um an der East Tennessee State University für die Buccaneers College-Fußball zu spielen.
„Das Ansehen, das man in den USA als Fußballerin genießt, ist viel, viel höher – da liegen Welten zwischen den USA und Europa“, berichtet Koren.
"Hier spielen fast alle Mädchen Fußball"
Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Männer-Fußball am College praktisch keine Konkurrenz ist. „Fußball ist hier ein Frauensport. Mein Freund, ein Baseball-Profi, sagt etwa: ‚Fußball soll nur eine Frau spielen.‘ Hier spielen wirklich fast alle Mädchen Fußball.“
Und sie spielen es anders als man es aus Europa gewohnt ist. „Es wird viel schneller und athletischer gespielt als in Europa. Die Umstellung war groß“, so Koren, die früher bei LUV Graz aktiv war.
Ex-Bergheim/Hof-Kickerin Zadrazil erlebt es genauso: „Es wird sehr körperbetont gespielt, ich bin aber eher eine Technikerin. Für mich ist das gut, weil ich in Österreich sowieso eine technisch gute Ausbildung genossen habe und mich danach körperlich weiterentwickeln wollte.“
Eine "Persönlichkeit", die lieber Vorlagen gibt
Die Liga, in der die „Bucs“ spielen, sei sehr ausgeglichen. Wobei es keine Übertreibung ist, zu behaupten, dass die beiden Österreicherinnen regelmäßig herausstechen. Zadrazil hat in der abgelaufenen Saison acht Tore und den Bestwert 20 Assists verbucht, diverse Auszeichnungen waren die Folge.
„Ich spiele auf der Zehner-Position, bin offensiv eingestellt. Ich lege die Tore lieber auf, als sie selbst zu schießen“, lacht die Salzburgerin. Ihre Landsfrau schwärmt: „Sie ist auf dem Feld eine Persönlichkeit. Zudem ist sie zweikampfstark und hat ein ausgezeichnetes Spielverständnis.“
"Ich habe überlegt, abzubrechen"
Während Zadrazil seit geraumer Zeit zu den Leistungsträgerinnen der „Bucs“ zählt, hat sich der Beginn der College-Karriere für Koren schwieriger gestaltet. Weil sie einen der drei Aufnahmetest nicht geschafft hatte, musste sie ein Semester später einsteigen und wechselte erst im Winter 2012/13 nach Johnson City.
Gespielt wird nur im Herbst
Mit einem für Europäer ungewohnten Problem sehen sie sich in den USA allerdings konfrontiert: Die College-Meisterschaft findet nur im Herbst statt, im Frühjahr wird nicht gespielt. „Das System ist nicht gut, man sollte es ändern“, sagt Zadrazil.
Koren ergänzt: „Wir spielen im Herbst am Freitag und am Sonntag. Zusätzlich die Uni zu machen, ist anstrengend. Und im Frühjahr sind dann zwar jedes Wochenende Freundschaftsspiele, aber eben keine Meisterschaft – da ist es schwierig, die Spannung aufrecht zu erhalten. Aber es ist im Gespräch, das zu ändern.“
Zadrazil: „Im Frühling ist dafür mehr Zeit für Kraftaufbau und Ausdauer, worauf dann eben der Fokus gelegt wird. Wir sind drei Mal in der Woche in der Kraftkammer – das habe ich aus Österreich so nicht gekannt.“
Studieren auf dem Campus
Ganz anders ist auch das Campus-Leben einer amerikanischen Studentin im Vergleich zum Uni-Alltag in Europa. „Der Campus ist wie eine kleine Stadt. Vor allem von den Athleten kennt jeder jeden. Ich liebe es“, hat die Mittelfeldspielerin Gefallen daran gefunden.
Koren sieht es nicht anders: „Ich finde das richtig gut. Das war für mich etwas völlig Neues, ich kannte das ja auch nur aus Filmen, aber es ist wirklich so ähnlich. Man schließt viele Freundschaften, lernt Leute aus der ganzen Welt kennen – es ist gut für die persönliche Entwicklung.“
„Dann wurde ich am Meniskus operiert und hatte danach einige Probleme mit dem Knie. Es war sehr zach. Ich habe mir überlegt, ob ich abbrechen soll. Es war am Anfang wirklich schwer, aber ich habe es durchgezogen. Und ich bereue es überhaupt nicht“, sagt die Angreiferin.
In der vergangenen Spielzeit stellte sie mit zwölf Treffern ihren Torriecher unter Beweis, fünf Assists gab’s obendrauf. „Da ist es super gelaufen. Ich bin eine sehr aktive Spielerin, die viele Tore schießen kann“, meint Koren. Zadrazils Beschreibung klingt so: „Schnelligkeit und Leichtfüßigkeit sind ihre Stärken. Außerdem ist sie technisch sehr gut. Sie ist eine richtig gute Stürmerin.“
"Das ist typisch amerikanisch"
Die Österreicherinnen sind bei weitem nicht die einzigen Ausländerinnen im Team der Uni. Ihre Kolleginnen kommen aus England, Spanien, Wales, Italien und Griechenland.
„Es sind viele Europäerinnen, die größtenteils für ihre Nationalmannschaften spielen, hier. Dadurch ist das Niveau sehr hoch. Alleine durch das tägliche Training mit solchen Kolleginnen entwickelt man sich weiter“, sagt Koren. Ihr Trainer Adam Sayers kommt übrigens aus Birmingham und ist auf die beiden bei einem U19-Spiel auf der Insel aufmerksam geworden.
Wer sich über die Leistungen der beiden ein Bild machen will, findet sehr detaillierte Statistiken. Zadrazil lacht: „Das ist typisch amerikanisch. Für mich ist das eher nebensächlich, aber ich mache es halt mit.“ Doch der Statistik-Wahn in den Staaten habe auch Nachteile: „Vor allem zentrale Mittelfeldspieler im defensiven Bereich haben wenige Stats vorzuweisen, obwohl sie nicht weniger Leistung bringen.“
Die Stürmerin weiter: „Mein Plan nach der Uni ist, nach Europa zurückzukehren. Spanien wäre mein Traumland, das ist Plan A. Aber ich mache mir keinen Stress, ich habe ja noch drei Semester Zeit.“
Empfehlen will sie sich nicht zuletzt über das Nationalteam. Aktuell befinden sich die ÖFB-Damen in Kroatien und nehmen am Istrien-Cup teil. „Es geht in diesem Turnier grundsätzlich um die Entwicklung der Mannschaft. Wir feilen für die EM-Quali im Herbst an der Taktik“, berichtet Zadrazil.
"Wir haben uns mehr Respekt erarbeitet"
Am 20. April findet die Auslosung der EM-Quali für 2017 statt. Die ÖFB-Damen sind in Lostopf zwei. „Die EURO 2017 ist unser Ziel. Wenn wir uns so weiterentwickeln, ist das zu schaffen“, ist Koren zuversichtlich.
Aktuell steht das Team von Trainer Dominik Thalhammer auf dem 27. Platz der Weltrangliste. Im UEFA-Ranking steht der ÖFB auf dem 14. Rang. Zuletzt zeigte die Truppe mit einem 2:2 gegen Spanien auf. „Wir haben uns von größeren Nationen mehr Respekt erarbeitet, unser Stellenwert ist gestiegen“, freut sich Zadrazil.
"Es wird besser, aber…"
Die 22-Jährige weiter: „Es hat sich extrem viel getan. Seit Dominik Thalhammer Teamchef ist, liefern wir gute Ergebnisse und sind in der Weltrangliste nach vorne gekommen. Auch die Nachwuchs-Akademie zeigt, dass der Frauenfußball in Österreich am richtigen Weg ist und eine sehr gute Entwicklung nimmt. Es kommen gute Junge nach.“
Koren ist von der jüngsten Nachwuchsarbeit ebenfalls angetan: „Die U17 und die U19 schlagen mittlerweile Nationen, die vor zwei, drei Jahren noch nicht zu besiegen gewesen wären.“
Ganz allgemein sieht sie aber immer noch Aufholbedarf: „Es wird besser, aber der Frauenfußball in Österreich hat leider noch nicht den Stellenwert, den er in anderen Ländern hat. Dort, wo mehr investiert wird und mehr Aufmerksamkeit da ist, sind die Nationalteams auch gleich viel besser – siehe Deutschland und Frankreich.“
Von den USA ganz zu schweigen…
Harald Prantl
Schulisch haben die ÖFB-Legionärinnen unterschiedliche Richtungen eingeschlagen und auch unterschiedliche Einstellungen. „Das schulische Niveau ist im Vergleich zu Österreich niedriger. Mir geht es dort hauptsächlich um den Fußball“, gibt Zadrazil zu. Sie studiert im dritten Jahr Sportwissenschaften, hat in Österreich aber bereits eine Ausbildung zur Kindergärtnerin gemacht.
Koren, die im fünften Semester ist, will sehr wohl auch für ihre berufliche Zukunft abseits des Fußballs etwas mitnehmen: „Ich habe mit Sportwissenschaft angefangen, bin dann aber auf Business und Marketing umgestiegen. Ich war in Österreich schon in der HAK, BWL interessiert mich sehr. Das ist auf jeden Fall die berufliche Richtung, die ich einschlagen will.“
"Hoffentlich werde ich gedraftet"
Auch die sportlichen Ziele sind verschieden. Zadrazil will auch nach dem College in den USA kicken: „Ich will in der Profi-Liga spielen. Hoffentlich werde ich im kommenden Frühling gedraftet.“
Im Sommer wird sie für die zweite Mannschaft der Washington Spirit spielen und mit den Profis trainieren. Dort will sie sich dann für ein Engagement in der „National Women’s Soccer League“ empfehlen.
"Spanien wäre mein Traumland"
Koren sieht die NWSL eher skeptisch: „Was ich so gehört habe, verdient man in den Staaten mehr als in Europa. Das Problem in der US-Profi-Liga ist aber, dass sie nur über den Sommer läuft. Man muss sich also einen Verein suchen, für den man im Frühjahr und im Herbst spielen kann. Ich bin aber zuletzt viel gereist und will mich irgendwo stabilisieren, wo ich ganz normale Saisonen spielen kann.“