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Kimono-Hersteller klagt den Judo-Weltverband

Kimono-Hersteller klagt den Judo-Weltverband

Aus Sicht des Spezialisten für Kartellrecht entspricht das Vorgehen des Weltverbandes nicht EU-Recht. „Es kann nicht sein, dass ein Sportler mit einem Judogi nicht starten darf, obwohl dieser alle Anforderungen erfüllt. Das wäre so, als würde ein Veranstalter eines Ski-Rennens von einem Zipfel-Mützen-Produzenten Geld verlangen, damit die Rennfahrer diese aufsetzen dürfen.“

Und tatsächlich entsprechen die Stapro-Produkte den aktuellen Anforderungen. „Ein Zertifikat einer europäischen Prüfstelle bestätigt dies“, so Staudinger.

Dass es in anderen Sportverbänden gängige Praxis ist, über Lizenzen Einnahmen zu lukrieren, dessen ist sich Gugerbauer bewusst.

Trotzdem: Zum einen liege laut ihm der Ball hier anders und zum anderen dürfe man nicht davon ausgehen, dass in anderen Sparten nicht ebenfalls ein Rechtsverstoß vorliegt. „Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter“, bemüht er eine alte Juristen-Weisheit.

Kleider machen Leute. Oder in seinem Fall Judoka.

Herbert Staudinger verkauft Judogis – das Arbeitsgewand der Mattenkämpfer.

Der Geschäftsführer der Firma Stapro erinnert sich dieser Tage aber gerne an frühere Zeiten.

Damals, als viele der österreichischen Aushängeschilder auf seine Kimonos schworen. Ludwig Paischer, Sabrina Filzmoser oder auch Claudia Heill – um nur einige von ihnen zu nennen.

Doch damit ist seit einigen Jahren Schluss. Ein Umstand, der aber nicht der Wankelmütigket der Athleten-Vorlieben schuldet, sondern viel mehr Neuerungen des Judo-Weltverbandes (IJF).

Dieser besann sich nämlich darauf, nur bestimmte Ausrüster für die internationalen Turniere zuzulassen. Aktuell sind es zehn an der Zahl, die alle die Eigenschaft gemeinsam haben, dass sie gewillt sind, 50.000 Dollar an die IJF zu bezahlen.

Jetzt wird der Weltverband geklagt

Keine Kohle, keine Zulassung – so einfach ist das. Zumindest, wenn es nach der IJF geht. Für Staudinger ist es das nämlich nicht. Denn für das Unternehmen aus Regau in Oberösterreich sind die 50.000 Dollar schlichtweg nicht erschwinglich.

Auch zum Leidwesen einiger Athleten, die sich in den ersten Lizenz-Jahren durchaus fantasievoll bei der Umgehung der neuen Order zeigten. Paischer etwa ließ sich die Etiketten einer genehmigten Marke auf sein Judogi nähen, um seinen Stapro, dessen Schnitt ihm mehr zusagte, zu tarnen.

Die IJF besserte jedoch nach, ließ sich immer neue Möglichkeiten der Wiedererkennung einfallen. Dies ging sogar soweit, dass eine Österreicherin bei der U20-WM im Vorjahr mit einem völlig regulären Anzug eines genehmigten Ausrüsters nicht an den Start gehen durfte, nur weil ein kleiner Faden an einer bestimmten Stelle nicht eingenäht war, der bei einer Kontrolle mit der Schwarzlicht-Lampe reflektieren hätte sollen.

Es half also nichts – die Athleten mussten sich auf die genehmigten Marken umstellen. Für Staudinger eine mittlere Katastrophe, zumal die Zulassungsbeschränkung bis zur U18 runter gilt.

Er will sich das nicht mehr gefallen lassen und den Weltverband klagen. „Diese Regelung ist nicht zulässig und widerspricht den Prinzipien des freien Wettbewerbs“, sieht er nicht ein, warum er sich sein Geschäft kaputt machen lassen soll.

Einen Kläger gefunden

Über Anwalt Norbert Gugerbauer wird nun ein Verfahren gegen die IJF eingeleitet. Ziel ist es, einen Abstellungsantrag durchzubringen. „Im März soll es im Oberlandesgericht Wien zu ersten Verhandlungen kommen“, führt Gugerbauer auf Nachfrage von LAOLA1 aus.

Das „sanfte Geschäft“

Das „sanfte Geschäft“
Herbert Staudinger will sich nichts gefallen lassen

Die Bekleidung geriet im Judo in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus. Praktisch jährlich bringt die IJF neue Vorschriften bzw. Adaptionen heraus, wie insbesondere ein Kimono auszusehen hat.

Größere Judogis sollen das Zugreifen und in weiterer Folge das Werfen erleichtern, lautet die Begründung der IJF, die sich dadurch mehr spektakuläre Techniken erhofft. Staudinger ortet dahinter aber eine Abzocke.

„Die Ausrüster wollen nach der hohen Gebühr natürlich auch mehr Geschäft machen. Deswegen ändert die IJF nun so oft die Regeln, damit die Kämpfer praktisch jedes Jahr einen neuen Anzug benötigen“, erklärt er seine Theorie. Seiner Einschätzung nach führe die Gebühr zu einem Preis-Aufschlag von 40 bis 50 Euro pro Judogi.

Nationale Umsetzung

Die Entwicklung gehe vor allem zulasten der breiten Masse. Zwar sind unterklassige Judoka nicht auf einen der Pool-Ausrüster angewiesen, der österreichische Verband (ÖJV) übernimmt aber die Änderung bei der Kimono-Größe, weshalb zumeist trotzdem eine Neuanschaffung notwendig wird.

„Ich verstehe nicht, warum der ÖJV praktisch jede Umstellung mitmacht. Erkennen die nicht, wohin das führt? Irgendwann lassen die Kämpfer und die Vereine das nicht mehr mit sich machen“, sagt Staudinger. Im ÖJV sieht man die Sache naturgemäß ein wenig anders.

„Wir müssen in erster Linie gewährleisten, dass die Kimonos für internationale Starts regelkonform sind“, meint Ali Gmeiner, Technischer Direktor des ÖJV. Für eine adäquate nationale Selektion sowie ein Gewöhnen ans Material müssten die Regeln deshalb freilich auch national angewandt werden.

Die bislang letzte Adaptierung zum Jahreswechsel machte der ÖJV jedoch nicht mit. Zwar sprach sich der Vorstand in einer Sitzung im Jänner einstimmig dafür aus, die Nationaltrainer brachten den Beschluss jedoch zu Fall.

Sollten im kommenden Jahr die Kimono-Regeln in der heimischen Bundesliga angepasst werden, haben Vereine bereits mit dem Rückzug gedroht.

Der nächste Angeschmierte

Der nächste Angeschmierte
Otto Kneitinger (rechts) ist im Vertrieb von Adidas tätig

Otto Kneitinger kann den Ärger Staudingers nachvollziehen. Der Bayer ist zuständig für den Vertrieb von Adidas-Kampfsportartikeln in Deutschland und Österreich, Vereins-Chef des Serien-Europacup-Siegers TSV Abensberg sowie ehemaliger Vize-Präsident des europäischen Verbandes.

„Es stimmt: Mit großen Einschnitten werden lediglich die Judoka sowie die Verbände vergrault“, kennt der ehemalige Kämpfer alle Schichten der Sportart. Staudingers These, dass die ständigen Änderungen von den Ausrüstern ausgehen, kann er aber nicht bestätigen, schließlich wird das Distributionsnetz durch die Regelpolitik auf eine harte Probe gestellt.

„Für uns Händler ist das schlichtweg eine Katastrophe. Du bekommst mit einem halben Jahr Vorlaufzeit deine Lieferung. Das heißt, alles, was du im Lager hast, ist dann schwierig zu verkaufen, da die Maße ja nicht mehr passen", schildert Kneitinger, der erst vergangenen Oktober Produkte für rund 300.000 Euro orderte. „Du unterschreibst und bezahlst und dann kommt im Dezember die Regelmitteilung für das neue Jahr. Da schaust du schön blöd aus der Wäsche.“

Kurz ist Mode

Dass 40 bis 50 Euro durch die Lizenzgebühr auf jeden Judogi draufgeschlagen werden würden, kann er nicht feststellen. „Zumindest bei uns hat sich das nicht groß verschoben.“

Als Ausgangspunkt für die fortlaufenden Adaptierungen ortet Kneitinger vielmehr die mangelhafte Umsetzung der bisherigen Richtlinien.

„Ich sehe das bei mir im Verein. Wenn schon immer ein jeder einen Anzug entsprechend seiner Körpergröße angehabt hätte, wären weitere Änderungen nicht notwendig gewesen.“ Dass sich die Sportler bei ihrer Kimono-Wahl am unteren Limit und darüber hinaus bewegen, findet er nur allzu menschlich.

Einheitliches Leder

Alles in allem hält Kneitinger den juristischen Anlauf Staudingers für wenig aussichtsreich.

„Ich verstehe ihn. 50.000 Dollar sind für einen Betrieb dieser Größenordnung viel und ich kann auch nachvollziehen, dass das aus seiner Sicht marktbeeinflussend ist. Aber im großen Sport ist das eigentlich das Normalste auf der Welt. Du spielst in der deutschen Fußball-Bundesliga ja beispielsweise auch nur mit einem Adidas-Ball oder bei einem Tennis-Turnier mit einer gewissen Marke von Filzkugeln. Darum glaube ich, dass er nicht Recht bekommen wird.“

Letztlich werden aber die Gerichte darüber entscheiden müssen.

 

Reinhold Pühringer