In aller Ruhe und ohne Rambazamba wird Österreichs Ski-Held Hermann Maier am Freitag seinen 40. Geburtstag feiern.
Der Salzburger, der einst als "Herminator" auf- und abseits der Piste für Furore sorgte, hat nach seinem Karriereende im Oktober 2009 auch ohne der Jagd nach Hundertstel und Rekorden sein Glück gefunden.
Fit und rundum zufrieden sprach der Jubilar im Interview über neue Leidenschaften, neue Freunde, Usain Bolt, Lindsey Vonn und seinen Kinderwunsch.
Frage: Was haben Sie für Ihren 40. Geburtstag am Freitag geplant, wird wild gefeiert oder wird es eher gemütlich zugehen?
Maier: Mir ist wichtig, dass ich diesen Geburtstag in aller Ruhe feiern kann. Da wird es kein großes Rambazamba und kein großes Zinnober geben. Ich feiere lieber die Geburtstage von anderen oder die Feste, wie sie fallen. Und nicht jene, bei denen man sich schon ewig konzentrieren muss, was denn da so passieren wird.
Frage: Wie geht es Ihnen als 40-Jähriger beim Aufstehen in der Früh? Haben die Skikarriere und der Motorradunfall bleibende Spuren hinterlassen?
Maier: Die einzigen kleinen Einschränkungen sind durch den Motorradunfall entstanden. Ansonsten geht es mir sogar besser denn je. Der Spruch 'Spitzensport ist Mord' trifft bei mir nicht zu. Ich habe keine Verschleißerscheinungen und bin sehr zufrieden mit meinem gesundheitlichen Zustand. Das war auch der Hauptgrund für meinen Rücktritt. Ich wollte aufhören und danach alles machen können, das ist mir gelungen.
Frage: Genau davon träumen die meisten Menschen: jung, fit und finanziell unabhängig sein. Können Sie dieses Privileg in vollen Zügen genießen oder fühlen Sie sich zu neuen Heldentaten getrieben?
Maier: Ich kann es in vollsten Zügen genießen. Viele haben mit 40 Jahren das Gefühl, dass sie etwas versäumt haben und etwas aufholen müssen. Das ist bei mir nicht der Fall, ich darf zufrieden zurückblicken. Um diesen Zustand zu erreichen, habe ich aber auch sehr viel Zeit, Ehrgeiz und gedankliche Kraft investiert. Und ich hatte das Glück, dass ich meinem Nagano-Sturz 1998 unverletzt überstanden habe.
Frage: Ist Ihr Alltag nach wie vor stark vom Sport geprägt?
Maier: Ich betreibe Sport, aber kein gesteuertes Training nach Plan. Ich gehe zum Beispiel dann laufen, wenn ich das will und es die Zeit zulässt. Ich trainiere, um mich wohlzufühlen und den Ausgleich zu finden. Ob ich zwei km/h schneller oder langsamer laufe, das ist mir egal.
Frage: Haben Sie auch die Liebe zu anderen, für Sie neuen Sportarten entdeckt?
Maier: Ich probiere viel mehr andere Sportarten aus. Ganz besonders gerne Wassersportarten. Zum Beispiel Segeln. Das schaut im Fernsehen irrsinnig langweilig aus, das ist eigentlich fast nicht zum Anschauen. Wenn man es aber selbst ausübt, ist es super. Segeln ist die beste Ausgleichssportart überhaupt. Kitesurfen ist zwar kein Ausgleich, dafür bietet es mir mehr Spannung. Ich bin in beiden Sachen nicht gut, eigentlich gar nicht gut. Trotzdem taugt es mir total, weil es eine Herausforderung ist. Beim Skifahren war es früher oft schlimm, weil man sich gedacht hat: 'Was will man da eigentlich noch?' Da ging es nur mehr um Feinstformen. Jetzt bewege ich mich wieder in Grobformen. Da merkt man, dass sich etwas tut. Einmal geht es besser, dann wieder schlechter. Das ist lustiger.
Frage: Gibt es den alten "Herminator" überhaupt noch? Lassen Sie ihn manchmal noch raus, wenn Sie eine Ihrer Skitouren gehen oder auf dem Segelboot sitzen?
Maier: Damals hat es ihn gebraucht, er war Teil des Gewinnens. Das war die Art und Weise, wie ich es angelegt habe. Nach meinem Karriereende hat es einen Schnitt gegeben. Dieser Wettkampfgedanke, der mich seit meinem ersten Skirennen als Kind begleitete, musste ein Ende haben und abgeschlossen werden. Wichtig ist, abzuschalten und gewisse Sachen ohne diese Gedanken zu machen. Das traut man mir manchmal gar nicht zu, weil man mich nicht anders gekannt hat. Jetzt sind die Leute oft sogar enttäuscht, weil ich nicht auf den Wettkampf eingehe.
Frage: Haben sich für Sie in der Einzelsportart Skifahren Freundschaften fürs Leben entwickelt?
Maier: Einige wenige, es bleibt aber kaum Zeit sie zu pflegen. Es haben sich eher andere Freundschaften durch meine Freizeitsportarten entwickelt. Mich faszinieren Menschen, die Entschlossenheit zeigen und Ziele verfolgen. Da habe ich einige kennengelernt. Keine Promis, das ist mir nicht wichtig. Nur weil man in der Öffentlichkeit steht, muss man nicht allwissend sein. Oft ist es genau das Gegenteil.
Frage: Gibt es eine aktuelle Sportpersönlichkeit, die Sie ganz besonders fasziniert?
Maier: Angetan war ich von Usain Bolt bei meinem Besuch beim 200-Meter-Finale bei Olympia in London. Das war ein Erlebnis, noch dazu in so einem Stadion. Die Spannung war unglaublich groß. Ein Wettkampf wie Laufen, das hat Tradition. Es ist unglaublich, welche Dynamik da dahinter steckt. Es war eine großartige Erfahrung, die ich schon viel früher machen hätte wollen. Doch früher hat mich mein Trainingsfanatismus davon abgehalten, zum Beispiel in den Zürcher Letzigrund zu fahren.
Frage: Wenn Sie Ted Ligety beim Riesentorlauffahren sehen, bekommen Sie da Lust auf einen Vergleich mit ihm?
Maier: Nein, das interessiert mich überhaupt nicht. Dafür müsste ich mich ständig mit dem Material, dem Training, der Geschwindigkeit und der Kaltschnäuzigkeit beschäftigen. Und das tue ich ja nicht mehr.
Frage: Können Sie den Wunsch nachvollziehen, dass sich Lindsey Vonn mit den Abfahrtsmännern messen möchte?
Maier: Aus ihrer Sicht versteh ich es. Sie ist in Lake Louise dermaßen überlegen, gegen wen soll sie da noch fahren? Gegen einen Braunbären? Sie kann hinfallen und ist immer noch überlegen. Da kann es nur einen Gedanken geben: Ich brauche schnellere Gegner, ich brauche Männer.
Frage: Reizt es Sie nicht, die Millionenshow zu moderieren, im TV zu kommentieren, Analysen für Zeitungen zu schreiben oder im ÖSV zu arbeiten?
Maier: Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich in meiner aktiven Zeit sehr viel richtig gemacht habe und recht gut verdient habe. Daher stellt sich die Frage nicht, ob ich es aus finanziellen Gründen machen muss. Der Drang, in die Öffentlichkeit zu müssen, ist nach meinen Erfolgen, die alle Ziele übertroffen haben, auch nicht da. Mir ist wichtig, die wenigen aber intensiven Partnerschaften, mit denen ich durch Höhen und Tiefen gegangen bin, zu pflegen. Partnerschaften waren für mich nie nur zum Geld abkassieren da, da gehört mehr dazu. Wenn ich neue Projekte wie die Südpol-Geschichte oder meine Bekleidungslinie mache, dann ist mir ganz wichtig, mir treu zu bleiben und Authentizität zu bewahren.
Frage: Wenn Sie zum Beispiel durch Salzburg spazieren, wie viele Autogramm- und Fotowünsche dürfen bzw. müssen Sie da erfüllen?
Maier: In Salzburg kenne ich die Wege ganz gut, durch die Getreidegasse marschier ich halt nicht. Jetzt in Zeiten von Handykameras und sonstigem blitzt es ein bisschen öfter als früher, aber das gehört dazu. Schlimmer war eindeutig der Sprung, als ich von einem Tag auf den anderen von der Anonymität in die Öffentlichkeit gekommen bin. Da hab ich mir schwerer getan.
Frage: Meiden Sie Massenaufläufe?
Maier: Ich richte mein Leben nicht danach aus, ob wo viele Menschen sind oder nicht. Aber wenn es passt, dann gehe ich eher den ruhigen Weg. Deshalb ist auch das Skitourengehen meine große Leidenschaft. Das ist wichtig für mich, da finde ich meine Ruhe und kann ich selbst sein. Ich selbst sein ist gar nicht so einfach, wenn man so oft erkannt wird.
Frage: Haben Sie auch schon überlegt, Österreich den Rücken zu kehren und an einem Ort zu wohnen, wo Sie weniger oft erkannt werden?
Maier: Diese Frage hat sich für mich nie gestellt. Welches Land hat landschaftlich und von den Strukturen Besseres zu bieten als Österreich? Da sind wir weltweit gesehen sehr gestreichelt. Mir hat die Heimat immer schon sehr viel bedeutet. Und der Skisport ist irrsinnig bodenständig. Und diese Bodenständigkeit zu haben und zu bewahren, ist für mich das Um und Auf. Aber ein längerer Auslandsaufenthalt, um neue Dinge zu sehen, kann durchaus einmal passieren.
Frage: Sind Sie in Ihrer Rolle als Onkel punkto Kinder derzeit ausgelastet, oder wächst der Wunsch nach eigenem Nachwuchs?
Maier: Dieser Gedanke ist immer wieder vorhanden. In meinem Umfeld tut sich einiges. Ein paar heiraten, ein paar kriegen Kinder, ein paar lassen sich scheiden, die haben das Ganze dann schon wieder hinter sich. Aber ich bin nicht der Schnellentschlossene, so etwas braucht Zeit und muss reifen. Ich fühle mich noch lange nicht ewig alt, sodass alles zu spät ist. Ganz im Gegenteil. Mir geht es sehr gut und ich bin im besten Alter für solche Pläne. Mir läuft nichts davon. Mein Rücktritt ist schließlich noch nicht so lange her, und bis dahin war in meiner Karriere alles auf den Erfolg ausgerichtet. Für mich war immer klar: Wenn ich Nachwuchs bekomme, dann will ich sehen, wie er aufwächst und nicht das ganze Jahr unterwegs sein.