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Formel 1: Grüne Revolution oder Marketing-Gag?

Die Formel 1 möchte ihren ihren CO2-Fußabdruck komplett ausgleichen. Ist das realistisch?

Formel 1: Grüne Revolution oder Marketing-Gag? Foto: © getty

Die Formel 1 hat eine grüne Revolution ausgerufen.

Bis 2030 läuft der Countdown zum Nullpunkt - die Königsklasse des Motorsports möchte ihren CO2-Fußabdruck komplett ausgleichen. Der Kern des Vorhabens sind die ultraeffizienten Hybrid-Motoren, die schon ab 2026 mit rein synthetischem Bio-Kraftstoff betrieben werden sollen.

Ziel ist die Vorreiterrolle für den normalen Straßenverkehr. Die Krux ist, dass die Formel-1-Autos gar kein massives Problem für das Klima darstellen.

"Unser Ziel ist es, die CO2-Emissionen (...) systematisch zu verringern und bis 2030 auf null zu senken", liest man in der Formel-1-Nachhaltigkeitsstrategie. "Net Zero" heißen die Zauberworte im Original. Ein ehrgeiziger Ansatz für ein Unternehmen, das in der Saison 2019 nach eigenen Angaben 256.551 Tonnen CO2 verblasen hat.

Dabei muss man aber relativieren: Im Vergleich zu Olympischen Spielen oder einer Fußball-Weltmeisterschaft ist der CO2-Fußabdruck einer ganzen Saison relativ bescheiden. Bei einer Fußball-WM fällt ungefähr zehnmal so viel Kohlendioxid an.

Reisen als Dilemma

Der größte Treiber ist eindeutig die Reisetätigkeit. Vom jährlichen CO2-Ausstoß in der Formel 1 gehen bloß 0,7 Prozent auf die Rennautos zurück, 72,7 Prozent sind eigenen Daten zufolge der Logistik und den Reisen zuzuschreiben. Externe Schätzungen stützen das annähernd.

Autos, Komponenten, die Motorhomes, nicht zuletzt das Personal jetten fast im Zwei-Wochen-Rhythmus um die Welt. 23 Rennen waren für die neue Saison - vor dem Wegfall von Russland - angesetzt.

Wie will man dem beikommen? Dazu sind die offiziellen Angaben wenig konkret und belastbar. Die Formel 1 konzentriert sich vielmehr auf ihre ureigene Domäne Technik. Die Turbo-Hybridmotoren arbeiten schon jetzt effizienter als praktisch jeder Straßen-Pkw. Rund 50 Prozent der chemischen Energie kann bei einem Formel-1-Rennwagen direkt in Leistung konvertiert werden.

"Ein sehr gutes Serienauto liegt da gerade mal bei 30 Prozent", erklärte Mercedes-Kommunikationschef Bradley Lord. Relevant für den Massenmarkt sind vor allem die Energie-Rückgewinnungssysteme der Motoren.

F1 arbeitet an Kraftstoff aus erneuerbaren Abfällen

Derzeit arbeiten die schlauesten Köpfe an einem synthetischen "Drop-in"-Kraftstoff aus erneuerbaren Abfällen, der laut Formel 1 "mindestens 65 Prozent" weniger Treibhausgas-Emissionen verursacht. Ab 2026 sollen die Autos zu hundert Prozent damit betrieben werden, ohne an Leistung zu verlieren.

Dieses Wissen soll dann auch in die Serienproduktion fließen. "Es gibt auf der Welt rund eine Milliarde Pkw, die Diesel oder Benzin verbrennen. Die wird man nicht von heute auf morgen ersetzen können. Es wäre also erstrebenswert, einen Weg zu finden, der den Betrieb dieser Autos ermöglicht, ohne dass sie die Umwelt schädigen", sagte der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel.

Bis 2025 sollen darüber hinaus die Formel-1-Rennen nachhaltige Veranstaltungen werden. Gelingen soll das mit Plastikvermeidung, Fahrrad- und Park'n'Ride-Angeboten sowie der Energie-Rückgewinnung mittels Solarzellen an den Rennstrecken.

Weniger Rennen als Lösung? Unwahrscheinlich!

Zum Thema Reisen sind die erhältlichen Informationen hingegen dürftig. Für die Fracht und das Reisen soll künftig der "am wenigsten CO2-intensive Transport" gewählt werden, heißt es in der 2019 präsentierten Nachhaltigkeitsstrategie. Mehr wird nicht gesagt.

Immerhin wird jetzt schon versucht, den Faktor Luftfahrt zugunsten des Schiffverkehrs zu verringern. Außerdem könnte man die Rennen vorteilhafter anordnen und nicht im Zickzackkurs zwischen den Kontinenten hüpfen. Der einfachste Weg wäre, die Anzahl der Rennen zu reduzieren - doch da scheint ein großer Schritt zurück nicht realistisch. Die Formel-1-Macher wollen in neue Märkte vordringen, mit bestehenden Veranstaltern existieren zum Teil langfristige Verträge.

Problematisch für die CO2-Bilanz sind auch die Herstellung der Autos und ihrer Teile, Technik und Equipment für die Teams sowie der Stromverbrauch. Alles in allem kann sich die CO2-Radikaldiät daher nur schwer ausgehen. Am Ende wird die Formel 1 wohl einen gewissen Restanteil ihres Ausstoßes kompensieren müssen, damit die Null steht.

Schon heute verweist sie auf Waldschutzprojekte, mit denen Kohlendioxid eingespart werden soll. Nichtsdestotrotz ist der Motorsport-Königsklasse kraft ihrer globalen Reichweite und ihrer Vernetzung mit der Industrie eine Vorbildrolle gewiss.

"Grundsätzlich verursachen Formel E, Formel 1 und MotoGP nur einen sehr geringen Anteil der globalen Treibhausgasemissionen; selbst dann, wenn der Publikumsverkehr bei den Rennen und die Logistik zwischen den Rennen berücksichtigt werden. Damit die ambitionierten nationalen und internationalen Klimaziele erreicht werden, muss aber jede Organisation einen Beitrag leisten", teilten die Experten des Umweltbundesamts auf APA-Anfrage mit. Der offensive Ansatz der Formel 1 sei daher nur zu begrüßen.

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