Martin Dellenbach und Percy van Lierop sind momentan fast nur im Doppel anzutreffen.
Auch im Interview mit LAOLA1 ist das nicht anders. Der eine, Dellenbach, ist ein Schweizer Unternehmer, der sich durch Auto-Waschstraßen ein Vermögen aufbaute und dieses seit geraumer Zeit in den Fußball investiert, der andere, van Lierop, ein niederländischer Ex-Kicker, der hierzulande vor allem als ehemaliger Leiter des Nachwuchses von Red Bull Salzburg bekannt ist.
Zusammen sind sie das Herz und die Seele, gleichzeitig aber auch das Gesicht eines visionären Fußballprojekts, welches sich von der Oststeiermark bis ins tschechische Pilsen erstreckt. Ihre Beziehung sei "speziell", sagt Dellenbach: "Es ist, als ob wir uns schon seit 30 Jahren kennen würden."
Im Gespräch mit LAOLA1 sprechen Dellenbach und van Lierop über ihre großangelegten Pläne mit dem "Fußball-Bollwerk Oststeiermark", die vermeintlich angespannte Beziehung zum TSV und den kürzlich vollzogenen Rückzug des TSV Hartberg aus der "DSM Akademie Oststeiermark".
Das "Powerduo" Percy van Lierop (links) und Martin Dellenbach (rechts):
🔵🟡 2. Lig ekibi Lafnitz'in başkanı Martin Dellenbach, Çekya Liginde 6 kere şampiyon olan Viktoria Plzen'i satın almak istiyor. pic.twitter.com/7In3VXuhbo
— Avusturya Futbolu | 🇦🇹🇹🇷 (@AvusturyaFutbol) June 29, 2023
Von Fremden zu Partnern
Begonnen hat zwischen Dellenbach und van Lierop alles in Basel. Dellenbach ist langjähriger Fan des FC Basel, hat sich nach einem frustrierenden Abend in der VIP-Lounge des St.-Jakob-Parks vor rund sechs Jahren dazu entschieden, eine Mail an den damaligen FCB-Präsidenten Bernhard Burgener zu versenden, in welcher er seine Hilfe anbot.
Dellenbachs Angebot wurde auf der Stelle angenommen. Er, der ein völliger Quereinsteiger ins Fußball-Business ist, half fortan ehrenamtlich dabei mit, den Basler Nachwuchs voranzutreiben. 2019, über ein Jahr nachdem Dellenbach bei seinem Herzensklub mitzuwirken begann, wurde ein gewisser Percy van Lierop als Verantwortlicher für den Basler Nachwuchs angeheuert.
"Er war für mich damals einfach nur ein fehlender Baustein", sagt Dellenbach über den Niederländer, der mit der Referenz, Leiter der Nachwuchsabteilung bei Red Bull Salzburg sowie Nachwuchskoordinator bei Ajax Amsterdam gewesen zu sein, nach Basel kam.
Dellenbachs Meinung über seinen nunmehrigen Partner änderte sich rasch. "Eltern und Spieler sind auf mich zugekommen und haben gesagt: 'Das ist so viel anders als das, was wir bisher gemacht haben, ein so viel besserer Lernprozess für die Spieler'", erinnert sich der Schweizer, der zu diesem Zeitpunkt schon tagtäglich mit van Lierop zusammenarbeitete.
Als nach einem Basler Führungswechsel kein Platz mehr für das Duo im Verein war, sagte sich Dellenbach: "Ja, ich investiere schon in Fußball, aber nur, wenn Percy van Lierop dabei ist, alles andere interessiert mich null."
(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
"Natürlich wäre es besser, wir könnten das Ganze in Basel machen"
Zum Zweck einer solchen Investition gründete Dellenbach damals die "Delli Sport Management AG" ("DSM") und begab sich außerhalb seiner Schweizer Heimat, genauer gesagt in Ostösterreich, auf die Suche nach einer Investitionsmöglichkeit.
Unter Mithilfe des ehemaligen Bundesliga-Vorstands und Rapid-Funktionärs Raphael Landthaler wurden zunächst Gespräche mit der AKA Burgenland geführt, geeinigt hat man sich schlussendlich allerdings mit dem TSV Hartberg, der damals dringend eine eigene Akademie für die Bundesliga-Lizenz benötigte.
"Natürlich wäre es für mich persönlich viel besser, wir könnten das Ganze in Basel machen. Weil A, haben sie es nötig, und B, ist es natürlich trotzdem meine Heimat", so der gebürtige Basler. Die Entwicklung der einst so dominanten "Bebbi" zu einem Team, welches in der Schweizer Meisterschaft zuletzt gegen den Abstieg kämpfte, sei zwar traurig, aber für ihn angesichts des während seiner Amtszeit Erlebten nicht überraschend.
Zudem hätte er in Basel nicht die Möglichkeiten vorgefunden, die er bei seinem momentanen Projekt habe. Neben seinen Investitionen in die "DSM Akademie Oststeiermark", wie sie mittlerweile heißt, und einer 20-prozentigen Beteiligung am TSV Hartberg, ist Dellenbach seit dem Frühjahr 2023 Besitzer des 2.-Liga-Klubs SV Lafnitz und des tschechischen Top-Teams Viktoria Pilsen.
Das Ziel ist ein "Fußball-Bollwerk Oststeiermark", über welches Spieler den Sprung auf die internationale Bühne, idealerweise zu Viktoria Pilsen, schaffen.
Tatsächlich gelang in diesem Sommer mit Cory Sene bereits dem ersten Spieler der direkte Sprung von Lafnitz nach Pilsen. Zwei weitere Lafnitzer, nämlich Andre Leipold und Benjamin Nyarko, kamen ebenfalls in der ersten tschechischen Liga unter.
"Dass Spieler von Lafnitz direkt nach Pilsen wechseln, ist super. Noch besser wäre für mich, sie würden über Hartberg nach Pilsen kommen", so Dellenbach.
"Ja, was will er noch mit Hartberg?"
Damit erreichen wir den etwas wunden Punkt von Dellenbachs Großprojekt: Die Zusammenarbeit mit dem TSV Hartberg lief bisher nicht wie gewünscht; zwischen dem durchaus meinungsstarken Eidgenossen und der Hartberger Klubführung soll es schon länger kriseln.
"Viele Leute haben das Gefühl: 'Der Dellenbach hat jetzt eh Lafnitz und er hat eh Pilsen. Ja, was will er noch mit Hartberg?' In der Öffentlichkeit werden oft die Fakten nicht richtig diskutiert", erklärt der 57-Jährige auf diese Gerüchte angesprochen.
Hartberg liege ihm sehr wohl am Herzen, zudem sei es für das "Gesamtkonstrukt "DSM" natürlich kein Nachteil, auch einen österreichischen Bundesligisten an Bord zu haben".
"Wir sind Bundesligisten der Oststeiermark. Wenn wir das zusammenlegen, dann sind wir sehr wahrscheinlich unter den Top-3 in Österreich, was die Möglichkeiten betrifft."
Die Gründe dafür, dass momentan "noch nicht alles maximal genutzt wird, was man verbinden könnte", lägen nicht bei ihm: "Sondern mehr bei anderen Leuten. Aber ich habe gelernt, dass es nichts nützt, Druck bezüglich etwas zu machen, was andere vielleicht heute noch nicht so sehen oder vielleicht auch gar nicht sehen können."
Dellenbach ist fest überzeugt: "Wir sind Bundesligisten der Oststeiermark. Wenn wir das zusammenlegen, dann sind wir sehr wahrscheinlich unter den Top-3 in Österreich, was die Möglichkeiten betrifft."
Das Tischtuch mit dem TSV sei jedenfalls nicht zerschnitten, eine noch engere Zusammenarbeit nur eine Zeitfrage.
Wieso zog sich Hartberg aus der Akademie Oststeiermark zurück?
Was die Gerüchte um das angeschlagene Verhältnis zwischen Dellenbach und Hartberg zuletzt zusätzlich befeuerte: Vor einigen Wochen zog sich der TSV Hartberg vollständig aus der gemeinsam gegründeten Akademie zurück, übergab seine 51 Prozent Anteile an den SV Lafnitz.
Dies habe aber rein operative Gründe gehabt, betont Dellenbach: "Der TSV hat faktisch 51 Prozent gehabt, aber vom Gesellschaftervertrag her war es klar, dass ich die Akademie leite und auch finanziere. Aus meiner Sicht hat sich aufgedrängt zu sagen: Wir haben eh operativ das Sagen, dann möchte ich eigentlich, dass wir das Ganze bei Lafnitz ansiedeln."
Lafnitz soll im Idealfall auch der erste Schritt Richtung Profifußball der oststeirischen Akademieabsolventen sein. "Der größte Schritt ist nicht von der U12 bis zur U18, das ist Ausbildung, sondern der heikle Schritt ist von der U18 zum Profiteam. Da sind wir im Vergleich zu allen anderen Klubs, mit Ausnahme von Red Bull, top aufgestellt. Auch europaweit gibt es da nicht viele Klubs, die das so haben", betont Dellenbach.
Deshalb sei es momentan auch weniger schlimm, im Akademiebereich nicht in der ersten Leistungsstufe mitzuspielen. Zwar hätte man dafür alle Standards erfüllt, so kurz nach Akademiegründung sei es aber sogar vorteilhaft, nur in der zweiten Akademie-Liga anzutreten. Da die Akademie noch so jung ist, sei es schwierig, die Top-Talente des Landes nach Hartberg zu locken, was wiederum dazu führen würde, dass sich ein sportliches Mithalten in der ersten Leistungsstufe schwierig gestalten könnte.
"Und was ist dann das Erste, was du machst? Du spielst tendenziell immer defensiv. Wir haben gesagt, wir wollen den Spielern lernen, offensiv zu spielen, weil defensiv spielen sie oben, wenn sie angekommen sind, noch lange genug. Und darum glaube ich, ist es für uns perfekt, in der zweithöchsten Liga zu spielen, trotzdem die Standards der höchsten zu erfüllen und somit eigentlich eine ideale Plattform für unsere Jungs zu haben", so Dellenbach.
Spieler, die in der Champions League den Unterschied machen, gesucht
Das ambitionierte Ziel der Akademie: "Unser langfristiger Plan sieht vor, über unsere Ausbildungsstruktur Spieler zu entwickeln, die den Sprung in den Profibereich schaffen, dort mit ihren Leistungen aufzeigen und später den Unterschied auf höchstem Niveau, nämlich der Champions League, ausmachen."
An dieser Stelle kommt Percy van Lierop ins Spiel. Der nicht minder visionäre Niederländer ist unter anderem als "Direktor der Fußballentwicklung", sprich als Akademieleiter in der Oststeiermark, tätig.
Ob ihm ein solcher Akademiespieler schon untergekommen sei, der einmal in der Champions League den Unterschied machen könnte? "Ja, aber ich kann die Namen natürlich nicht erwähnen, weil dann wird die Chance sehr klein, dass er es schafft. Dann wird er unterbewusst faul", lacht der 49-Jährige.
In einem etwas ernsteren Ton fügt er Konrad Laimer, den er in seiner Zeit als Salzburger Akademieleiter unter seinen Fittichen hatte, als Beispiel, wie es für seine Schützlinge laufen könnte, an:
"Wir haben noch nicht die Qualität in der Akademie, einen Spieler herauszubringen, über den mit 17 die ganze Welt redet. Aber das war bei Konrad Laimer auch nicht der Fall. Und der sorgt jetzt schon in der Champions League für Furore. Das hat mit einem nachhaltigen Prozess, täglicher harter Arbeit und dem Nutzen von Plattformen zu tun."
"Im Erwachsenenfußball trennt sich die Spreu vom Weizen"
Mit diesen genutzten Plattformen meint van Lierop den klassischen Red-Bull-Weg (Salzburger Akademie - Liefering - Salzburg - Leipzig), den Laimer einschlug. Im Fall der Lafnitzer Akademieabsolventen sollen diese Plattformen im Idealfall Lafnitz, dann Hartberg und schließlich Pilsen heißen.
"Deswegen sind die Plattformen so wichtig bei uns, damit die Jungs so rasch wie möglich in den Erwachsenenfußball kommen können. Dort trennt sich die Spreu vom Weizen", so van Lierop. Um diesen Übergang von der Akademie zum Lafnitzer Profiteam besser managen zu können, ist der Niederländer seit dieser Saison zusätzlich noch als Co-Trainer in Lafnitz tätig, "um unsere Vorstellungen noch schneller zu verwirklichen".
Zudem wurde mit Saban Uzun in diesem Sommer auch ein neuer Cheftrainer, der zuletzt das Frauenteam von RB Leipzig trainierte, installiert. Den jungen, "sehr prozessorientierten" deutschen Trainer will van Lierop dabei unterstützen, die Lafnitzer Philosophie besser kennenzulernen.
"Bei uns geht es auch Elf gegen Elf, aber es gibt doch gewisse Dinge, die bei uns ein wenig anders sind. Das ist der Grund, warum es für mich heißt, präsent zu sein", so der Niederländer, der die technische Komponente in der Ausbildung seiner Akademieschützlinge über alles stellt.
Ein Projekt, zu dem man kaum Nein sagen kann
Noch stockt der Zufluss aus der Akademie allerdings ein wenig, weshalb in Lafnitz in diesem Transferfenster durchaus großangelegt eingekauft wurde. So konnten unter anderem die ÖFB-Nachwuchsteamspieler Denis Dizdarevic und Vincent Spari, das Schweizer Stürmertalent Yvan Alounga oder auch Alvaro Henry aus dem Nachwuchs von Ajax Amsterdam verpflichtet werden.
"Es ist selten, dass ein Spieler zu so einem Projekt Nein sagt."
Wie es gelang, diese Spieler in die 1.500-Seelen-Gemeinde zu lotsen? "Die Spieler spüren und wissen aus der Vergangenheit, wie wir arbeiten. Sie verstehen, dass die Spieler, die in der Champions League den Unterschied ausmachen, gewisse Fertigkeiten mitbringen, auf welche wir uns jeden Tag konzentrieren. Das macht niemand auf dieser Welt, was eigentlich eine Katastrophe ist. Es ist selten, dass ein Spieler zu so einem Projekt Nein sagt", so van Lierop selbstbewusst.
Solchen Spielern als Sprungbrett für höhere Ligen zu dienen, sei das höchste Ziel von Lafnitz. Sportliche Ziele sind nebensächlich und betreffen hauptsächlich den Nicht-Abstieg. Eine Bundesliga-Lizenz wird auch künftig nicht angestrebt.
Kurzgefasst: Die Ziele des "Powerduos" Martin Dellenbach und Percy van Lierop in der Oststeiermark sind riesig.