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In St. Pölten wird "out of the box" gedacht

Aleksandar Gitsov geht in seine erste Saison als Profi-Cheftrainer. Warum FC32 einer der Hauptgründe war, dass der gebürtige Bulgare nach St. Pölten ging.

In St. Pölten wird Foto: © GEPA

Beim SKN St. Pölten wurden die Weichen im Sommer neu gestellt.

Die vergangene Saison der ADMIRAL 2. Liga wurde nach großen Aufstiegsambitionen lediglich auf dem neunten Tabellenplatz abgeschlossen, dazu fand die seit Mai 2021 laufende Kooperation mit dem deutschen Bundesligisten VfL Wolfsburg ein vorzeitiges Ende.

Als neuer strategischer Partner wurde die australische Investorengruppe FC32 rund um den 49-jährigen Paul Francis präsentiert, dazu wurden die Positionen des Sportdirektors (Christoph Freitag) sowie des Cheftrainers neu besetzt. Dieser hört auf den Namen Aleksandar Gitsov und ist ein alter Bekannter in Österreichs zweithöchster Spielklasse.

Der gebürtige Bulgare war von 2019 bis 2023 beim FAC engagiert, nach zwei Jahren als Übungsleiter der zweiten Mannschaft bildete der 36-Jährige ab April 2021 gemeinsam mit Mitja Mörec ein erfolgreiches Trainer-Duo. Zuvor war Gitsov in Floridsdorf bereits als Co-Trainer unter Mario Handl, Miron Muslic und Roman Ellensohn tätig.

Nach dem Vizemeistertitel 2022 und Platz 6 im darauffolgenden Jahr startete der Mann aus Sofia auch in die Saison 2023/24 als Teil des FAC, ehe er ein Angebot aus seiner Heimat akzeptierte und unter dem ehemaligen Bundesliga-Coach Nestor El Maestro bei ZSKA Sofia als Co-Trainer arbeitete.

Beim bulgarischen Traditionsklub wurden Gitsov und Co. im April 2024 wieder entlassen, nun tritt der Wiener in Niederösterreichs Landeshauptstadt seine erste Cheftrainer-Stelle im Profi-Fußball an. 

Ein langwieriger Prozess

(Artikel wird unterhalb des Videos fortgesetzt)

Am Sonntag wartet zum Start der neuen Liga-Spielzeit gleich ein ganz besonderes Spiel auf ihn. Mit dem SKN reist er an seine alte Wirkungsstätte, steht dem FAC und damit auch seinem Freund Mitja Mörec gegenüber. Das ADMIRAL Topspiel der Runde ab 10:15 Uhr im LIVE-Stream >>>

Im Gegensatz zu den Floridsdorfern - der FAC schied im ÖFB-Cup gegen ASV Siegendorf aus - werden die "Wölfe" nach dem 3:2-Sieg gegen Ostligist Leobendorf mit etwas mehr Selbstvertrauen in das Duell gehen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass St. Pölten auf dem Level agieren wird, das sich Gitsov erwartet. Der 36-Jährige arbeitet mit seinem Trainerteam akribisch daran, eine Spielweise zu finden, die am besten zur Mannschaft passt.

"Wir sind noch immer in einem Prozess, der noch einige Zeit dauern wird", sagte der Bulgare auf dem Medientag der ADMIRAL 2. Liga in der Woche vor dem Cup-Spiel im LAOLA1-Interview. In Sofia hätte er sich als Trainer im Spiel gegen den Ball weiterentwickelt, die bei ZSKA praktizierte Spielidee lasse sich aber nicht eins zu eins ummünzen.

"Das würde nicht funktionieren, weil die Spieler andere Profile haben und andere Typen sind", erklärte Gitsov, der sich mit den Fortschritten zufrieden zeigt. "Was zählt ist, dass wir eine Organisation sowohl in Ballbesitz als auch gegen den Ball haben. Alles andere ist die Identität und die Art und Weise, das wird noch weiterentwickelt."

Wie schnell man das hinkriege, "liegt an uns, aber ich blicke sehr positiv auf die kommenden Wochen und Monate zusammen."

Ein guter Mix an allen Ecken und Enden

Ebenso hoffnungsfroh gibt sich der SKN-Trainer mit Bezug auf den Kader, der eine Verjüngungskur erhalten hat.

Keiner der bisher sieben Neuzugänge ist älter als 25, dafür wurden Routiniers wie Daniel Schütz (33), Thomas Salamon (35) oder Christian Ramsebner (35) verabschiedet. Torjäger Dario Tadic ist mit 34 Jahren der älteste Spieler, Mittelfeld-Talent Benedict Scharner mit 19 der jüngste.

"Wir haben einige Spieler, die schon sehr viel Erfahrung mitbringen, auch auf größeren Bühnen gespielt und sich bewiesen haben und sehr wichtig für mich sind", so der Wiener. Routiniers wie Tadic, Marcel Ritzmaier oder Stefan Nutz komme eine wichtige Rolle zu, sie sollen auch Feedback geben.

Außerdem seien dies Spieler, "die vor allem am Ball eine hohe Qualität besitzen, die in den entscheidenden Eins-gegen-Eins-Situationen wirklich Vorteile für uns schaffen können", glaubte Gitsov. Die Neuverpflichtungen wiederum sollten allen voran mehr Athletik, Physis, Tempo und Tiefgang mitbringen.

"Damit wir wirklich einen guten Mix zwischen Qualität am Ball, aber auch Intensität gegen den Ball haben sowie eine gute Mischung zwischen Tiefgang und Lösungen in den Zwischenräumen im Ballbesitz finden können."

Amoah war schon zu FAC-Zeiten ein Wunschspieler

Für besonders viel Tiefgang soll Winfred Amoah sorgen. Der pfeilschnelle Flügelstürmer wurde von Zwangsabsteiger DSV Leoben nach St. Pölten gelotst, Gitsov wollte ihn schon im Team haben, als er noch beim FAC angestellt war.

"Ich habe 'Winnie' zum ersten Mal gesehen, als ich bei Sturm Graz (unter Nestor El Maestro, Anm.) hospitiert habe und er ein junger Spieler war, der gerade seine erste Chance bekommen hat, mit den Profis mitzutrainieren", erzählte Gitsov. Amoah sei ein Spieler, wie er der SKN-Offensive im verkorksten Vorjahr gutgetan hätte.

"Einer mit mehr Tempo, mehr Tiefgang, sehr dominant in den Eins-gegen-Eins-Situationen, einer guten Positionierung zwischen den Linien", beschrieb Gitsov anhand des Sohns von Charles Amoah jenes Profil, welches St. Pölten "gefehlt hat."

Die Geschichte von Gitsov und Krasniqi

Leo Krasniqi soll das Bindeglied zwischen Defensive und Offensive sein
Foto: © GEPA

Mit Leomend Krasniqi gibt es einen weiteren Neuzugang, den Gitsov bereits kannte - nicht nur aus gemeinsamen FAC-Zeiten. "Meine Geschichte mit Leo beginnt noch viel früher. Ich war sein Trainer (beim SV Horn, Anm.), als er noch 14 war und habe ihn zwei Jahre als Nachwuchsspieler begleitet."

Der gebürtige Bulgare kennt sowohl den Spieler als auch den Menschen Leo Krasniqi. Der 24-Jährige sei auch einer der ersten Spieler gewesen, die er dem FAC vorgeschlagen habe, als dieser noch in der 1. Landesliga Niederösterreich für Waidhofen/Thaya spielte. "Ich kenne ihn sehr gut und schätze ihn sehr", so Gitsov.

Krasniqi habe sich in den letzten zwei Jahren zu einem der besten Sechser in der Liga entwickelt, "vor allem was Balleroberungen und defensive Positionierung betrifft. In der Rolle als Sechser vor der Abwehr zählt er zu den Top 3 der Liga", betonte der SKN-Coach. "Uns hat genau dieser Typ gefehlt, deswegen war mir wichtig, dass wir ihn verpflichten."

"TORE!"

Der Sechser könnte sich zum Herzstück einer Mannschaft entwickeln, die unter ihrem neuen Trainer vor allem in der Offensive für Furore sorgen will.

"TORE! Das Wichtigste sind Torschüsse", wird Investor Paul Francis auf der SKN-Homepage in einem Interview zitiert. Der Australier gibt die Marschrichtung bereits vor, Gitsov soll diese umsetzen.

"FC32 ist einer der Hauptgründe, warum ich zum SKN gegangen bin."

Aleksandar Gitsov

"Für ihn ist wichtig, dass man proaktiv und dominant ist, sich so lange wie möglich in der gegnerischen Box befindet und mehr Torchancen als die gegnerische Mannschaft herausarbeiten und kreieren kann. Damit kann ich mich absolut identifizieren, weil der 'Expected Goals'-Wert das Endergebnis stark beeinflussen kann", sagte der Wiener.

Natürlich gebe es Ausnahmen, doch der 36-Jährige war "absolut überzeugt": "Wenn wir in der Lage sind, Spiele über längere Zeit so zu dominieren, dass unser 'xG'-Wert immer mit mehr als 0,6 höher ist als jener der gegnerischen Mannschaft, dann werden wir die Punkte und die Siege, die wir am Ende für unsere Platzierung brauchen, schaffen."

Innovative Denkweise gefällt dem Neo-Coach

Eine konkrete Zielplatzierung will sich der Mann aus Sofia indes nicht entlocken lassen, doch man spürt, dass sich Gitsov und Francis auf einer Wellenlänge befinden. Der Trainer bestätigte: "FC32 ist einer der Hauptgründe, warum ich zum SKN gegangen bin."

Bei einem gemeinsamen Treffen hätten ihn die Ideen des strategischen Partners überzeugt. Gitsov: "Vor allem bin ich jemand, der schon seit längerem die Möglichkeit sucht, in einem Verein zu arbeiten, in dem die Denkweise innovativ ist und wo man versucht, die Dinge etwas 'out of the box' zu denken."

Dies spiegle sich in der Art und Weise der Kaderplanung oder Spielanalyse wider. Der neue Chefcoach meinte abschließend: "Genau diese Denkweise hat mir Paul Francis gleich bei unserem Termin präsentiert. Damit identifiziere ich mich zu 100 Prozent."



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