Es war eine turbulente Saison beim SV Lafnitz.
Nicht unbedingt sportlich, doch hinter den Kulissen des Vereins fand ein Totalumbruch statt. Noch im vergangenen Herbst hieß es, man wolle sich aus dem Profigeschäft zurückziehen. Im darauffolgenden Sommer ist alles anders. Man bleibt in der Admiral 2. Liga, hat aber Größeres vor.
Lafnitz soll zu einem internationalen Ausbildungsverein avancieren.
Die Basel-Connection
Hauptverantwortlich für die sportliche Neuausrichtung sind vor allem drei Personen. Im Mai stieg der Schweizer Investor Martin Dellenbach in Lafnitz ein und wurde prompt zum neuen Obmann gewählt. Der alte Obmann, Bernhard Loidl, bleibt zwar Hauptsponsor und Präsident, die Geschicke leitet fortan aber Dellenbach.
Er installierte außerdem einen neuen Sportdirektor: Percy van Lierop. Der Niederländer arbeitete als Entwicklungscoach unter anderem bei Red Bull Salzburg, agierte zuletzt in Hartberg und kennt Dellenbach aus seiner Zeit beim FC Basel.
Der neue Lafnitz-Trainer heißt Michael Steiner. Er übernimmt das Traineramt von Philipp Semlic und ist das dritte Puzzleteil in der "Basel-Connection".
Steiner arbeitete in diversen Nachwuchsabteilungen beispielsweise bei Rapid, im Frauenfußball und eben auch beim Schweizer Traditionsklub. Danach ging es für den gebürtigen Salzburger in die Akademie des TSV Hartberg, jetzt ist der 48-Jährige Cheftrainer in Lafnitz. Gemeinsam mit Dellenbach und van Lierop hat er die Vision, den Verein neu aufzustellen.
Ist regional jetzt egal?
Bereits seit eineinhalb Jahren arbeiten die drei an einer oststeirischen Akademie, die nun auch vom ÖFB die Akademie-Lizenz erhalten hat.
Daraus entstand eine Kooperation zwischen dem SV Lafnitz und dem TSV Hartberg, die sich seither Talente regelrecht "hin und her schieben". Der Plan, junge Spieler aus der Region zu holen, diese weiterzuentwickeln und damit Identifikation zu schaffen, ging in der Oststeiermark auf. Doch der eingeschlagene Weg scheint nun an einer Kehrtwende.
Im Juni 2023 stieg der neue Lafnitz-Obmann Dellenbach zudem als Investor beim tschechischen Traditionsklub Viktoria Pilsen ein, sicherte sich dort die Mehrheitsanteile und wird von nun an die Geschäfte leiten. Für Lafnitz schaut dabei neben Hartberg ein neuer, internationaler Kooperationsverein heraus.
"Auf gar keinen Fall!"
Doch ist es das Ende regionaler Jugendarbeit? "Auf gar keinen Fall", sagt Michael Steiner im Gespräch mit LAOLA1. "In einem Testspiel haben bei uns 15-jährige Akademiespieler debütiert. Auch aus der U17 trainieren Spieler mit den Profis und können ihre ersten Erfahrungen im Erwachsenen-Fußball machen."
Pilsen komplettiert den "Dreistufenplan"
In Lafnitz steht weiterhin die Spielerentwicklung im Vordergrund. Durch die Kooperation mit Pilsen sind die Möglichkeiten dazu ungleich höher. Die Neuausrichtung sieht jetzt einen "Dreistufenplan" vor.
Zuerst sollen Spieler in der ostststeirischen Akademie entwickelt werden, danach beim SV Lafnitz. Die besten Fußballer werden von dort aus wohl nach Hartberg oder Pilsen wechseln, um sich weiterzuentwickeln und dort den nächsten Schritt zu machen. Außerdem bietet der neue Kooperationsverein mehr Spielraum in der Kaderplanung.
Die Aufgabe in diesem Plan ist für Michael Steiner klar definiert: Während van Lierop und Dellenbach auch mit den Kooperationsvereinen beschäftigt sind, konzentriert sich Steiner nach eigener Aussage ausschließlich auf den SV Lafnitz. Dort soll er Talente entwickeln und auf ein neues Level bringen.
Eine große Challenge, denn zuerst muss er aus den vielen Neuzugängen eine Mannschaft formen und in weiterer Folge Einzelspieler fördern.
Kader-Totalumbruch
Durch das neue sportliche Konzept werden in Zukunft mehr internationale Talente für den SV Lafnitz auflaufen. Bei den Transfers spielt die Geographie jetzt eine untergeordnete Rolle.
Das bestätigt auch Michael Steiner: "Unsere Akademie steht noch am Anfang. Nur aus diesem Pool können wir Lafnitz nicht bedienen, wir brauchen auch überregionale Talente. Da haben sich jetzt einige Möglichkeiten ergeben. Wenn wir den Kader nicht aus dem steirischen oder österreichischen Raum gestalten können, schauen wir uns international um."
Ein Auszug dieser Vision ist bereits im Transfer-Sommer 2023 deutlich sichtbar. Im Kader gab es wie auf der Führungsebene einen Totalumbruch. Unglaubliche 16 Zugänge stehen 15 Abgängen gegenüber.
Das sind die Neuzugänge des SV Lafnitz:
Name | Position | Abgebender Verein | Nationalität |
---|---|---|---|
Cory Sène (22) | Innenverteidiger | RC Lens B | Senegal |
Ivan Mihaljevic (22) | Innenverteidiger | Schweinfurt 05 | Kroatien |
Timon Burmeister (20) | Rechtsaußen | Hamburger SV II | Deutschland |
Antonio Trograncic (23) | Offensives Mittelfeld | Wacker Burghausen | Kroatien |
Luca Butkovic (18) | Linksaußen | Hamburg U19 | Deutschland |
Edon Murataj (20) | Linksaußen | Young Reds | Belgien |
Zvonimir Plavcic (18) | Mittelstürmer | Paderborn U19 | Bosnien-Herzegowina |
Jakob Knollmüller (20) | Mittelstürmer | TSV Hartberg | Österreich |
André Leipold (21) | Mittelstürmer | Darmstadt 98 | Deutschland |
Patrick Gante (19) | Mittelstürmer | TSV Hartberg | Rumänien |
Maro Vrdoljak (19) | Mittelstürmer | HNK Gorica U19 | Kroatien |
Nikolasz Nagy (22) | Abwehr | Pinkafeld | Ungarn |
Viktor Drocic (23) | Mittelstürmer | Bischofshofen | Österreich |
Andreas Radics (22) | Linkes Mittelfeld | Oberwart | Österreich |
Daniel-Edward Daniliuc (23) | Torwart | Vereinslos | Österreich |
Ermin Mahmic (18) | Mittelfeld | AKA Rapid Wien | Österreich |
Lafnitz als Entwicklungsplattform
Der Großteil der Zugänge kommt aus dem Ausland. Einer davon ist André Leipold. Der 21-jährige Stürmer wechselte von Darmstadt 98, wo er meistens in der zweiten Mannschaft eingesetzt wurde, nach Lafnitz.
Michael Steiner kennt ihn bereits aus seiner Zeit in der Salzburger Akademie. Jetzt möchte er den Deutschen erneut weiterentwickeln: "Seine Karriere ist in den letzten Jahren ein wenig ins Stocken geraten. Er hat aber großes Potenzial, das es wieder zu wecken gilt. Wenn er bei uns positive Ergebnisse erzielt, traue ich ihm zu, wieder den Schritt in eine höhere Liga zu machen."
Dringenden Handlungsbedarf in Sachen Transfers sieht Steiner aktuell nicht mehr. Dennoch halte man weiterhin nach Talenten Ausschau und reagiere im Fall möglicher Abgänge.
Kleine Ziele für die Umbruchs-Saison
Das Ziel für die sechste Zweitliga-Saison des SV Lafnitz? Die erfolgreiche Spielerentwicklung und der Klassenerhalt, so der Lafnitz-Trainer, der sich in der Liga in einer klaren Außenseiterrolle sieht.
"Am Anfang gehen wir sicher als Underdog in jedes Spiel, weil wir uns erstmal als Team finden müssen. Dann wird man sehen, wie schnell sich die Spieler adaptieren können. Einige sind das Niveau ja noch nicht gewohnt."
Die Rolle als Underdog kennt man in der Oststeiermark nur zu gut. Dennoch hat sich in der beschaulichen Gemeinde einiges verändert, weshalb der SV Lafnitz in der kommenden Saison wohl eine der Wundertüten der Liga ist. Als was sich das Projekt "Lafnitz-Neu" entpuppt, wird man wohl erst in einigen Jahren sagen können.