Manchmal gilt es, Ruhe zu bewahren, geduldig zu sein, dran zu glauben.
Das ist beim Angeln der Fall, und beim Fußball sowieso. "Ich glaube, dass das nichts ist, wo du sagst, du arbeitest jetzt hart und in zwei Wochen siehst du die Ergebnisse. Ich glaube einfach, das ist die Disziplin über die letzten Monate und Jahre, täglich dran zu arbeiten", sagt Mark Grosse (24), wenn er über die aktuelle Saison spricht.
Am Mittwoch (ab 18:30 Uhr im LIVE-Stream >>>) trifft Grosse mit Ried im Nachtrag auf Sturm II.
Sieben Treffer und zwei Assists erzielte er bislang für die SV Ried. Zwei Mal traf er doppelt – beim 5:0 gegen Horn und beim 3:2 gegen Amstetten. "Ich war das erste Mal fischen, seit ich in Ried bin, dann habe ich gleich zwei Tore gemacht. Da habe ich natürlich gesagt, ich muss nächstes Mal wieder fischen gehen. Und habe wieder zwei Tore gemacht", erzählt Grosse.
In der Woche darauf blieb er zuhause, zum Fischen war es ihm zu kalt. Doppelpack gab es gegen die Vienna dann zwar keinen, aber immerhin zwei feine Vorlagen.
"Es ist ja das Wegkommen vom Alltag, einfach mal das Handy weglassen, rauskommen in die Natur. Es ist ja nicht so, dass ich sage, ich muss jetzt in zwei Stunden 15 Fische fangen. Es geht mehr um das Genießen“, erklärt er.
2019 erzählte Grosse im Wordrap bei seinem damaligen Verein Bad Gleichenberg von seinem Angel-Rekord: ein 1,83-Meter großer Wels, 55 Kilogramm schwer. "Der ist noch aktuell. Ich habe andere persönliche Rekorde eingestellt, aber der Wels ist mir geblieben.“
Den Wels spricht der Steirer als „Wöüls“ aus. In der Jugend startete er beim GAK, vom damals kriselnden Klub wechselte er in den Nachwuchs von Sturm Graz. "Als Kind war ich aber tatsächlich ein Roter“, sagt Grosse.
Fußball war bei ihm immer Priorität Nummer eins. "Es war ein Wahnsinn. Mein Vater hat im Unterhaus gekickt, meine Schwester hat damals auch Fußball gespielt. Da hat es sein können, dass die Mama Freitag, Samstag und Sonntag am Fußballplatz war“, erzählt der 24-Jährige.
Robben? „Den hab ich nicht mögen“
Sein Vorbild war damals Thierry Henry, später Lionel Messi. Arjen Robben habe er hingegen überhaupt nicht gemocht, sagt Grosse und lacht. "Obwohl er ein Weltklasse-Spieler war. Aber ich habe ihn einfach nicht mögen.“ Doch auch Grosse muss zugeben, dass so ein bisschen Robben-Ansätze in ihm stecken.
"Ein paar haben mir schon gesagt, das ist mein Gedenkschuss: Dass ich ihn mir auf den Linken lege und dann ins lange Eck schieße.“ Der Move sei schon ganz tief bei ihm drinnen. "Mein Schuh geht auf der Seite auch schon auf – leider habe ich ihn eh vor kurzem erst wegschmeißen müssen“, so Grosse.
Im Nachwuchs zeigte er sein Talent schon eindrucksvoll: In der U11 machte er 56 Tore in 35 Spielen, 118 Treffer schoss er in der U15 – in 58 Einsätzen.
"Das beflügelt extrem, gibt dir ein extremes Selbstvertrauen. Wenn man das unter Kontrolle hat, kann man dieses Selbstvertrauen in noch bessere Leistungen, noch mehr Tore ummünzen - dann ist es Weltklasse", sagt Grosse. Gibt aber auch zu, dass man aufpassen müsse, nicht überheblich zu werden: "In der Pubertät ist das aber nicht das einfachste."
Von Zlatan geprägt
Dass heuer so gut läuft, ist für Grosse kein Zufall. "Ich glaube, dass viele Faktoren zusammenspielen. Dass es in erster Linie die Früchte trägt von den letzten Jahren, in denen ich sehr hart an mir gearbeitet habe. Dass es Zeit braucht, bis es die Früchte trägt. Und natürlich auch das Drumherum: Dass ich mit der SV Ried einen sehr geilen Verein habe, wo ich meinen nächsten Schritt machen kann, mich weiterentwickeln kann."
Ob das Trainerteam, die Mitspieler, der Konkurrenzkampf oder die gute Infrastruktur: "Ich glaube, das Gesamtpaket macht mich derzeit so gut."
Eingewöhnungsschwierigkeiten hatte Grosse in Ried ohnehin nicht. Im ersten Heimspiel jagte er gegen die Admira einen Freistoß via Unterkante der Latte direkt ins Tor, direkt vor der Fantribüne.
"Das war so eine Situation: Freistöße trainiere ich seit zwei Jahren wirklich intensiv. Das hat ja ganz klar auch mit Disziplin zu tun. Ich habe mir genau das davor gesagt: 'Für das hast du die letzten Jahre so viel geschossen und trainiert, damit du ihn jetzt reinschießt.' Ein Wahnsinn eigentlich, ein richtig geiles Gefühl", blickt Grosse zurück.
"Ich habe mir gesagt: 'Für das hast du die letzten Jahre so viel geschossen und trainiert, damit du ihn jetzt reinschießt.' Ein Wahnsinn eigentlich."
Eine gewisse Schussqualität habe er immer schon gehabt, führt Grosse aus. "Aber das bringt dir auch nichts, wenn du nicht zum Schießen kommst." Was ihm geholfen habe, sei ein Buch von Zlatan Ibrahimović.
"Der hat gesagt gekriegt: 'Wer nicht schießt, kann kein Tor machen.' Irgendwann habe ich angefangen, mehr zu schießen – auch in Situationen, wo ich gar nicht geglaubt habe, dass ein Tor passieren kann. Und teilweise habe ich auch Tore gemacht, wo ich auch selber nicht gedacht habe, dass der jetzt reingeht. Aber das hat mich geprägt", so Grosse. Dreimal war er schon für das Tor des Monats in der 2. Liga nominiert.
Er habe lieber den Ball, statt zu laufen, sagt Grosse über sein Spiel. "Mir taugt das, den Ball zu haben und auch was Besonderes zu machen. Ich bin kein Spieler, der den Ball zurückspielt und sagt: 'Mach'. Ich habe immer lieber mal ein Dribbling gemacht, das vielleicht nicht aufgegangen ist. Ich bin der, der kreieren will, Pässe spielen will, Tore machen will."
Zurück in der RLM
2017 ging Grosse von den Juniors OÖ zu Hannover 96, spielte dort in der A-Junioren-Bundesliga. "Da spielst du gegen die Besten deiner Altersklasse. Leipzig, Bremen, HSV, St. Pauli. Das waren nur die Besten. Es war schon eine coole Zeit - und eigentlich die Vorbereitung auf den Erwachsenenfußball." 24 Spiele, 20 Tore, fünf Assists – auch die Statistiken konnten sich sehen lassen.
Gelandet ist Grosse dann trotzdem nicht bei einem großen Klub – sondern wieder in der Regionalliga Mitte. "Es haben viele Dinge nicht zusammengepasst, wo es im Endeffekt auch mal einfach blöd gelaufen ist. Natürlich hört sich das echt arg an und im Nachhinein, wie das alles gelaufen ist, ist es einfach blöd zammgrennt", sagt Grosse heute. Mehr wolle er dazu auch gar nicht sagen. Er habe seine Lehren daraus gezogen, "manche Spieler machen das früher, manche später. Bei mir war das in dem Fall früher."
"Es haben viele Dinge nicht zusammengepasst, wo es im Endeffekt auch mal einfach blöd gelaufen ist."
Bei Bad Gleichenberg machte Grosse 17 Tore in ebenso vielen Spielen. Dann kam die Corona-Pandemie und erschwerte mögliche Wechsel erheblich. "Dass es so gelaufen ist, war blöd. Weil ich hätte natürlich die Möglichkeit gehabt, zu wechseln - aber kein Verein hat gewusst, wann es weitergeht."
Er entschloss sich schließlich für den Verbleib in der RLM, ging zu Gleisdorf, Corona feierte ein Comeback.
"In den zwei Jahren habe ich in Wahrheit ein ganzes Jahr nicht gekickt. Dass du das verlorene Training wieder aufholst - das ist nicht so ohne", sagt Grosse. Ein schlechtes Leben sei es aber keineswegs gewesen. Arbeiten – Grosse hat die Lehre zum Versicherungskaufmann gemacht – und daneben kicken, so wie es viele machen. "Aber ich wollte es einfach durchziehen, habe gewusst, dass ich es machen will und schaffen werde", so Grosse.
Erst 2021 folgte der Schritt in den Profifußball, zu Lafnitz. In erster Linie sei er froh gewesen, dass er sich dort habe fit machen können, meint Grosse. Getroffen hat er zu dieser Zeit wenig, an der Fitness gab es nach den langen Fußball-Unterbrechungen einiges nachzuholen. Hinzu kam viel Konkurrenz in einer starken Lafnitzer Mannschaft.
Zu der Zeit begann Grosse auch mit Mentaltraining, erzählt er. "Deswegen war es vielleicht sportlich nicht das Beste - aber es war ein Schritt, wo ich mich im mentalen Bereich weiterentwickelt habe. Wenn du aus den negativen Erlebnissen was mitnehmen kannst, so wie ich das die letzten Jahre gemacht habe, dann macht dich das unglaublich stark."
„Der ehrlichste Trainer“
Bestes Beispiel: Grosses Zeit mit der KSV 1919. In der Hinrunde der Vorsaison lange abgeschlagen Tabellenschlusslicht, starteten die Falken mit Trainer-Rückkehrer Abdulah Ibrakovic eine beispiellose Aufholjagd. In der Rückrunden-Tabelle wurde der vierte Platz geholt. Ein negatives Erlebnis, aus dem etwas mitgenommen wurde – und das für Stärke sorgte. Zehn Treffer und sechs Assists lieferte Grosse unter Ibrakovic.
"Ich werde es mein Leben lang nicht vergessen, es war eine sehr geile Zeit. Es war einfach sowas, das passiert nicht oft bis nie wieder - das kann man sich nicht erklären. Was da mit Kapfenberg und mit uns passiert ist, das hat einfach einen Lauf angenommen", ringt Grosse nach wie vor um Erklärungen. "Ich habe Gas gegeben, ich habe gewusst, ich kann es."
Auch der damalige Trainer, Abdulah Ibrakovic, habe daran einen großen Anteil gehabt. "Er hat mich schon sehr geprägt", meint Grosse. "Am Ende bin ich sehr gut mit ihm ausgekommen, am Anfang hat er mich schon gereizt", erklärt er. "Vielleicht war das einfach seine Taktik, dass er gewusst hat, dass er mich einfach ein bisschen rauslocken muss."
Er sei der ehrlichste Trainer, den er je gehabt habe, erzählt Grosse. Ibrakovic habe nicht herumgeredet. "Er hat dir einfach ins Gesicht gesagt, wenn er dich gut oder schlecht findet." Und: Ibrakovic habe auch gelobt, wenn was gut war. "Er ist nicht so einer, der sagt 'Den darf ich nicht verheizen'". Vielleicht habe er das gebraucht, dass man normal mit ihm rede, ihn nicht anschreie, so Grosse.
Giovanni? "Noch kann ich mir das nicht erlauben"
Grosses Ziel lautet weiter: Bundesliga. "Vielleicht auch schon mit Ried, wer weiß. Ried ist auch für mich unter den Top-Vereinen, wenn’s dann auch in die Bundesliga raufgeht. Mit dem ganzen Drumherum - da könnte wieder richtig was entstehen."
Auch ein zweites Ziel soll irgendwann erreicht werden. Dem "Kicker" verriet Grosse nämlich, mal mit seinem zweiten Vornamen auf dem Trikot auflaufen zu wollen: Giovanni.
"Ja, das wäre geil. Vielleicht, wenn ich dann irgendwann ein bisschen älter bin und mir das erlauben darf - vielleicht mache ich das dann." Aktuell traue er sich da noch nicht drüber.