Das bisher letzte Spiel des SC Austria Lustenau in der Bundesliga war gleichzeitig das letzte Spiel von Toni Polster in Österreichs höchster Spielklasse.
22 Jahre sind eine lange Zeit. Doch jetzt ist der Ländle-Klub zurück. Das ist überraschend, aber kein Zufall. Die Vorarlberger werden in der kommenden Saison eine gute Rolle spielen. Und das nicht nur, weil die Aufsteiger seit der Ligareform den Unkenrufen, die Qualität der 2. Liga sei schlecht, zum Trotz immer gut reüssieren konnten.
Zwei Jahrzehnte lang gehörte der Klub zum Inventar der zweithöchsten Spielklasse. Immer mit Aufstiegsambitionen, aber nie mit so richtig viel Nachdruck. Hubert Nagel regierte den Klub seit 1989 und meistens wie ein Sonnenkönig.
Der Fall des Sonnenkönigs
Doch das Jahr 2019 brachte eine Zeitenwende. Alles begann mit Chaostagen im Jänner und Februar. Bei einer Jahreshauptversammlung läuft alles aus dem Ruder, eine Gruppe „Reformer“ formiert sich, entgegen der bisherigen Gewohnheit wird geheim gewählt, Nagels Mehrheit ist überraschend hauchdünn, der Langzeit-Boss schmeißt beleidigt hin.
Es folgt ein wochenlanges Hin und Her, ein gefundenes Fressen für die Vorarlberger Lokalmedien, die genüsslich jeden neuen Winkelzug ausschlachten. Letztendlich gelingt die Machtübernahme tatsächlich. Der Unternehmer Bernd Bösch als Gesicht nach außen und eine Handvoll weiterer Männer übernehmen das Ruder. Nagel ist Geschichte, kurz zuvor noch unvorstellbar.
Auftritt Ahmet Schäfer
Im Sommer folgt der nächste Schritt. Zunächst ist das nicht spektakulär, außerhalb des Ländles wird kaum wahrgenommen, dass Austria Lustenau plötzlich Teil einer „Club-Allianz“ ist, mit dem französischen Verein Clermont Foot kooperiert. Der Schweizer Unternehmer Ahmet Schäfer bringt sich mit „Core Sports Capital“ in Lustenau ein.
Zwischenzeitlich gehört neben Clermont und Lustenau auch noch der dänische Zweitligist Vendsyssel FF zu der Gruppe, doch die Nordeuropäer gehen rasch wieder ihren eigenen Weg. Im März 2022 hat „Core Sports Capital“ 25 Prozent der Austria Lustenau GmbH erworben. Bei Clermont ist Schäfer seit März 2019 Präsident.
Zunächst macht sich von der neuen Partnerschaft wenig bemerkbar. Roman Mählich führt die Vorarlberger 2020 zwar ins Cup-Finale, in der Liga aber nur auf den wenig schmeichelhaften elften Platz, die Hälfte der Partien geht verloren.
Das gescheiterte Projekt Kiene
In der Saison 2020/21 läuft es noch schlechter. Dabei schaltet sich „Core Sports Capital“ schon mehr ein. Mit Alexander Kiene kommt ein Mann aus Deutschland, der hierzulande ein absoluter Nobody ist, sich davor aber in der deutschen Regionalliga Nord einen ordentlichen Namen gemacht hat. Er spricht fließend Französisch. Das soll die Zusammenarbeit mit Clermont Foot vereinfachen.
Denn Schäfer schwebt ein einheitlicher Spielstil seiner Klubs vor. Mit Brandon Baiye, Blankson Anoff, Till Cissokho und Nael Jaby werden auch vier Spieler von Clermont nach Lustenau verliehen. Doch die Saison geht richtig schief. Kiene gelingt es nie, die Mannschaft in die Spur zu bringen. Austria Lustenau beendet die Saison punktegleich mit dem Letzten Horn, verliert mehr als die Hälfte seiner Spiele.
Markus Mader als "Perfect Match"
Im Sommer folgt ein Schritt, der auf den ersten Blick irgendwie unlogisch erscheint. Markus Mader wird als neuer Trainer verpflichtet. Der bodenständige Vorarlberger passt nicht so recht zum weltmännischen Schäfer und dessen globale Pläne.
Doch es scheint, als hätte man vom Scheitern des Experiments Kiene gelernt. Mader hat zuvor beim FC Dornbirn ausgezeichnete Arbeit geleistet, die „Rothosen“ nach dem Aufstieg überraschend auf Rang zwölf geführt und ein Jahr später sogar auf Rang acht. Die Lustenauer greifen zu, der bis dahin in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzte Pro-Lizenz-Trainer erweist sich als „Perfect Match“.
Maders Art kommt in der Mannschaft gut an, er ist für die Fans eine Identifikationsfigur in einer sehr internationalen Mannschaft.
Französische Hilfe am Feld
Und die Verstärkungen aus Clermont sind besser als im Sommer zuvor. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Franzosen den Aufstieg in die Ligue 1 schaffen. Das zieht bessere Kicker an, wer aber im ersten Moment als noch nicht gut genug erachtet wird, kommt nach Lustenau.
Baiye, der mit Abstand beste Leihspieler der Vorsaison, bleibt. Muhammed Cham schlägt voll ein, ist letztlich der aufregendste und wohl auch beste Spieler der Liga. Dazu kommen mit den Defensivspielern Jean Hugonet und Hakim Guenouche zwei Kicker zwar nicht direkt als Clermont, aber aus dem Scouting-Netzwerk, das in Frankreich und der Schweiz aufgebaut wurde.
Einfach mal spielen lassen
Zusätzlich entdeckt Haris Tabakovic seinen Torriecher wieder, der ihn einst zu einem der größeren Schweizer Stürmertalente gemacht hat, und Michael Cheukoua, der aus Horn geholt wurde, komplettiert eine Offensivreihe, die in bester Laune atemberaubenden Fußball spielt.
Coach Mader macht genau das Richtige: Er presst die Kreativen in der Offensive in kein Konzept, sondern lässt sie über weite Strecken einfach machen. Die Kicker danken es ihm mit jeder Menge Spielfreude. Und hinten kassiert der Ländle-Klub im Schnitt nicht einmal ein Gegentor pro Partie.
Es ist einem unglaublichen Lauf des FAC Wien geschuldet, dass es bis zur vorletzten Runde dauert, ehe die Meisterkorken bei den Lustenauern knallen.
Was passiert im Sommer?
Ob und wie weit das Erfolgsteam im Sommer zerfällt, wird spannend. Goalgetter Haris Tabakovic wechselt zur Wiener Austria. Clermont Foot könnte Spieler wie Cham und Baiye zurückbeordern. Der eine oder andere wird bei renommierteren Klubs Herausforderungen suchen.
Dass die nächsten Spieler mit Qualität kommen, steht aber außer Zweifel. Clermont hat einen Spieltag vor Saisonende den Klassenerhalt in der Ligue 1 fixiert. Binnen drei Jahren ist es Investor Ahmet Schäfer gelungen, Zweitligisten aus Frankreich und Österreich erstklassig zu machen.
Und in Lustenau wird nicht nur in Beine, sondern auch in Steine investiert. Das Stadion wird neu gebaut. Doch auch sonst wird in den kommenden Jahren Geld in die Infrastruktur gesteckt werden müssen, um den Rückstand zu einigen etablierten Bundesliga-Klubs wettzumachen.
Ein Schritt nach dem anderen. „Core Sports Capital“ ist kein Unternehmen, dass nach einem Aufstieg mit Geld um sich wirft. Die finanziellen Mittel sind nicht unendlich. Doch es gibt einen klaren Plan. Und der hat die Lustenauer Austria nach über zwei Jahrzehnten wieder nach oben geführt.
VIDEO: Die Aufstiegs-Party