Die Feierlichkeiten beim FC Blau-Weiß Linz sind nach dem Meistertitel in der vergangenen 2. Liga-Saison längst eingestellt, nun steht der Start in eine neue Spielzeit bevor. Dabei müssen sich die "Königsblauen"-Fans an viele neue Gesichter gewöhnen, denn der erste Zweitliga-Triumph der Vereinsgeschichte brachte nicht nur Gutes mit sich.
Insgesamt 15 Spielerabgänge haben die Stahlstädter zu verzeichnen, darunter wagten Turgay Gemicibasi sowie Nicolas Wimmer gemeinsam mit Aufsteiger Austria Klagenfurt den Schritt in die Bundesliga, 33-Tore-Mann Fabian Schubert verschlug es gar in die Schweiz zum FC St. Gallen.
Dazu musste auch von Meister-Trainer Ronald Brunmayr, der mit zweijähriger Verspätung dem Ruf von Neo-Frankfurt-Trainer Oliver Glasner folgte, Abschied genommen werden. Am freigewordenen Blau-Weißen Trainerstuhl nahm mit Gerald Scheiblehner ein alter Bekannter von Brunmayr Platz, der laut Sportdirektor Tino Wawra mit seinem "Konzept überzeugte."
Warum dieses Konzept einen "neuen Weg" beinhaltet, erläutert der 44-Jährige im LAOLA1-Gespräch. Dazu erklärt Scheiblehner, warum er die Grundordnung auf dem Feld für "nicht so wichtig hält" und wieso der Kader-Umbruch die größte Herausforderung sei.
Der Ex-Coach von den Juniors OÖ und Vorwärts Steyr dämpft außerdem die Erwartungen an Schubert-Nachfolger Raphael Dwamena, spricht über die Ziele in der kommenden 2. Liga-Spielzeit und warum Absteiger SKN St. Pölten sein "absoluter Topfavorit" auf den Meistertitel ist.
LAOLA1: Sie haben mit Ihrem „Konzept überzeugt“, meinte Sportdirektor Tino Wawra bei Ihrer Bestellung. Welches Konzept war das genau?
Gerald Scheiblehner: Da geht es weniger um ein Konzept als um die Spielweise, welche Blau-Weiß Linz letztes Jahr ausgemacht hat. Diese soll weitergeführt werden. Dadurch, dass Ronny Brunmayr und ich bereits bei den Juniors OÖ zusammengearbeitet haben, wir beide einen ähnlichen Spielstil verfolgen, war das für Blau-Weiß wohl eine logische Entscheidung. Das ist der Hauptgrund gewesen, warum mich der Verein als Nachfolger bestimmt hat.
Beim Autofahren braucht man einen Führerschein und als Trainer in der Bundesliga eine Pro-Lizenz. Es ist für einen Verein immer sehr wertvoll, wenn ein Trainer diese besitzt, dann können bei einem Aufstieg in die oberste Spielklasse auch keine Probleme entstehen.
LAOLA1: Spielt dabei auch Ihre vorhandene UEFA-Pro-Lizenz, die für die Bundesliga von Nöten ist, eine Rolle?
Scheiblehner: Beim Autofahren braucht man einen Führerschein und als Trainer in der Bundesliga eine Pro-Lizenz. Es ist für einen Verein immer sehr wertvoll, wenn ein Trainer diese besitzt, dann können bei einem Aufstieg in die oberste Spielklasse auch keine Probleme entstehen. Das war aber sicher eine Nebensächlichkeit in der Trainer-Bestellung.
LAOLA1: Ihr Vorgänger Ronald Brunmayr hat vorwiegend auf ein 4-2-3-1-System gesetzt, Sie haben in der Vergangenheit und in der Vorbereitung ein 3-4-3-System praktiziert. Wie zufrieden sind Sie mit der derzeitigen Umsetzung der Mannschaft?
Scheiblehner: Ich habe bei den Juniors OÖ auf ein 3-4-3 gesetzt, weil es auch eine Vorgabe vom Klub war. Ich bin ein Trainer, der die Grundordnung auf dem Feld für nicht so wichtig hält. Mir geht es darum, wie die Spieler sich auf den einzelnen Positionen verhalten – egal ob jetzt im 4-2-3-1, 4-4-2 oder 3-4-3. Das spielt für mich kaum eine Rolle.
LAOLA1: Sehen Sie derzeit dennoch Verbesserungsbedarf, weil Sie auch eine andere Handschrift als Ihr Vorgänger mitbringen?
Scheiblehner: Verbesserungsbedarf will ich nicht sagen. Ronny hat in der vergangenen Saison großartige Arbeit geleistet, jedoch haben wir jetzt eine neue, veränderte Mannschaft. Wir werden versuchen unseren Spielstil durchzusetzen, daher will ich uns gar nicht mit der Mannschaft aus dem Vorjahr vergleichen. Es sind andere Spieler da, wir haben auch eine andere Herangehensweise als noch im Vorjahr, wo die Meisterschaft am Saisonende doch das ausgegebene Ziel des Vereins war. Da wurden die Spiele dann teilweise auch etwas ergebnisorientierter gestaltet als geplant. Wir gehen jetzt einen neuen Weg, wollen aber die Art und Weise wie wir Fußball spielen, ähnlich wie im Vorjahr gestalten.
LAOLA1: Wie sieht denn der neue Weg aus?
Scheiblehner: Der neue Weg ist einfach, die neuen Spieler zu integrieren. Wir wollen zudem eine Spur höher attackieren, als es zu Saisonende der Fall war. Wir werden einiges probieren, damit wir in diesem Jahr die Mannschaft finden, mit der in der Saison 2022/23 der Aufstieg in die Bundesliga gelingen soll.
LAOLA1: Blau-Weiß Linz ist nach Vorwärts Steyr und den Juniors OÖ Ihre dritte Trainerstation in der 2. Liga. Ist diese Station Ihre bisher größte Herausforderung?
Scheiblehner: Natürlich ist Blau-Weiß Linz nach dem letzten Jahr eine große Herausforderung. Die größte Herausforderung ist aber der Umbruch.
LAOLA1: Stichwort Umbruch. Blau-Weiß Linz hatte 15 Abgänge zu verzeichnen, darunter Leistungsträger wie Fabian Schubert, aber auch Turgay Gemicibasi oder Nicolas Wimmer. Gleichzeitig wurden 13 neue Spieler geholt. Was darf man von dieser Mannschaft erwarten?
Scheiblehner: Die Aufgabe ist, so schnell wie möglich eine Mannschaft zu formen, die konkurrenzfähig ist. Wir sind dafür auf einem guten Weg, haben eine sehr gute Vorbereitung hinter uns. Aber man muss mit der Mannschaft Geduld haben.
LAOLA1: Sie haben bei den zahlreichen Neuzugängen auch Bundesliga-erfahrene Spieler wie Julian Gölles oder Manuel Maranda dabei. Was können sie der Mannschaft geben?
Scheiblehner: Natürlich ihre Erfahrung aus den vorigen Stationen. Das sind sehr fitte Spieler, die uns mit Sicherheit weiterhelfen können. Wir haben sie auch bewusst ausgewählt, da sie ideal zu unserer Spielweise passen. Außerdem sind sie gute Typen für die Kabine, für den Teamgeist.
LAOLA1: Ein krasses Gegenteil dazu ist Matthias Seidl, der von Regionalligist und Cup-Gegner SV Kuchl kam. Was darf man sich von ihm erwarten?
Scheiblehner: Man wird schauen müssen, wie ihm der Sprung von der Regionalliga in die 2. Liga gelingt. Er hat auch aufgrund der Corona-bedingten Pause in den Regionalligen lange Zeit nicht gespielt. Matthias ist ein sehr, sehr guter Spieler, der aber noch etwas Zeit brauchen wird. Diese bekommt er bei uns und dann wird er sicher eine gute Entwicklung hinnehmen.
VIDEO: Gerald Scheiblehner will Raphael Dwamena keinen Druck auflegen
(Interview wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
LAOLA1: Ein weiterer Neuzugang ist mit Raphael Dwamena ein sehr begabter, ligaerprobter Stürmer. Was erwarten Sie von ihm?
Scheiblehner: Die Erwartungen sind eher niedrig. Er hat eine sehr turbulente Zeit hinter sich, war gesundheitlich vom Pech verfolgt. Raphael hat bereits einiges mitgemacht, ist aber noch ein junger Mensch. Er versucht nun einen Neustart bei uns zu machen. Es ist ein Projekt auf zwei Jahre, wo das Ziel ist, dass wir ihn gut in die Mannschaft integrieren und er uns so schnell wie möglich weiterhelfen kann.
LAOLA1: Weitergeholfen hat er Ihnen bereits in den Testspielen, konnte dort mehrere Treffer erzielen. Zwar sind Ihre Erwartungen niedrig, mit seinen Toren legt er sich die Messlatte aber selbst hoch. Dazu kommt der Abgang von Fabian Schubert, der eine große Lücke hinterlässt.
Scheiblehner: Klarerweise wird er an Fabian Schubert gemessen. Das sind aber zwei komplett unterschiedliche Spielertypen. Natürlich wurde die Latte vom Vorgänger sehr hochgelegt, aber wir messen ihn nicht an Fabian Schubert, sondern geben ihm jetzt die Zeit, die er benötigt. Wir sind sehr zufrieden mit ihm, aber aufgrund seiner Vergangenheit müssen wir sehr vorsichtig mit ihm sein. Wir werden ihm die Spielzeit geben, damit er langsam in Form kommt.
LAOLA1: Wir haben viel über neue Spieler gesprochen, kommen wir zu einem, der schon vergangene Saison da war. Stefano Surdanovic konnte in der abgelaufenen Spielzeit mit 13 Scorerpunkten durchaus überzeugen, rutschte in die Leistungsträger-Rolle. Sind diese Ansprüche, aufgrund der vielen Abgänge, nun noch höher?
Scheiblehner: Stefano ist ein sehr, sehr wichtiger Spieler für uns. Er kann auf mehreren Positionen spielen, ist ein sehr intelligenter Spieler, der sich im letzten Jahr, wie viele andere Spieler, gut weiterentwickelt hat. Er wird ein wichtiger Faktor in unserem Spiel sein und ich bin mir sicher, dass er dieses Jahr den nächsten Schritt machen wird.
LAOLA1: Wie sehr besteht die Gefahr, dass man bei einer ähnlichen Saison wie der vergangenen, erneut Leistungsträger verlieren wird?
Scheiblehner: Die Gefahr besteht immer. Das ist aber gar nicht so schlecht, weil dadurch bestätigt wird, dass man eine gute Saison gespielt hat. Allerdings haben wir mit den neuen Spielern langfristige Verträge abgeschlossen. Unser Ziel ist, mit dieser Mannschaft nun längerfristig zusammenzuarbeiten, deswegen ist auch so geplant worden. Die Spieler, die nun hier sind, haben eine Perspektive, mit der sie sich heuer für die nächste Saison empfehlen können. Dort geht es dann um den Aufstieg in die Bundesliga.
LAOLA1: Jetzt werden Sie natürlich am Meistertitel der vergangenen Saison gemessen. Haben Sie Angst, dass Ihr Trainerstuhl im Falle eines Fehlstarts schnell wackeln könnte?
Scheiblehner: Angst ist ein schlechter Begleiter im Sport. Der Anspruch ist, dass wir erfolgreichen Fußball spielen. Wenn man im Vorjahr Meister wurde, ist die Erwartungshaltung natürlich größer als bei einem, der nur Zehnter wurde. Das ist die Herausforderung für uns alle und ich übernehme lieber eine erfolgreiche Mannschaft als eine, die Misserfolge hinter sich hat. Daher gehe ich mit Freude und Mut an die Aufgabe heran.
Ganz klar St. Pölten. Mit dieser Mannschaft, mit dem Kader, mit dem Budget sind sie der absolute Topfavorit. So werden sie auch in die Meisterschaft gehen.
LAOLA1: Welches Saisonziel wurde vom Verein gesteckt?
Scheiblehner: Wir haben keinen Tabellenplatz festgemacht, dafür ist die Liga zu eng. Drei, vier Punkte entscheiden oft über fünf, sechs Plätze, das war schon in der Vorsaison ersichtlich. Unser Ziel ist eine Mannschaft für 2022/23 zu finden, die dann punktuell verstärkt wird, damit wir schlagkräftig an die Mission Aufstieg herangehen können. Wir wollen schon in die Top sechs, sieben rein, definieren uns heuer aber nicht über den Tabellenplatz.
LAOLA1: Abschließend: Wer ist für Sie der Topfavorit auf den Meistertitel in der 2. Liga?
Scheiblehner: Ganz klar St. Pölten. Mit dieser Mannschaft, mit dem Kader, mit dem Budget sind sie der absolute Topfavorit. So werden sie auch in die Meisterschaft gehen.
LAOLA1: Dort wird es aber darauf ankommen, ähnlich wie bei Ihnen, wie das neue Trainer-Duo funktioniert.
Scheiblehner: Ich kenne Stephan Helm und Emanuel Pogatetz, das sind beides unglaublich ehrgeizige Personen. Sie sind vielleicht als Trainer noch nicht so erfahren, bringen dafür aber aus ihrer Spieler-Karriere jede Menge Erfahrung mit, vor allem Emanuel Pogatetz. Ich glaube, sie werden eine super Arbeit machen und daher mache ich mir um den Verein SKN St. Pölten heuer keine Sorgen.