Abstieg, Umbruch, Trainerwechsel. In Lustenau ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben.
Während im Reichshofstadion die neuen Flutlichtmasten in die Höhe wachsen, wächst bei den Profis langsam wieder eine Mannschaft heran. 16 Spieler hatten den Verein verlassen, 15 Neue wurden im Sommer für die Rückkehr in die 2. Liga verpflichtet. Spielen werden sie weiterhin in Bregenz, es dauert noch, ehe die neue Spielstätte daheim fertig ist.
Es laufe gut – aber man brauche noch Zeit, sagt Martin Joseph Brenner Morais (38) beim Interview mit LAOLA1. Nicht bezogen auf den Neubau, sondern sein Team. Er meint: "Unsere beste Version werden wir erst in zwei, drei, vier Monaten sehen."
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Brenner ist der neue Mann an der Seitenlinie. Der Österreich-Uruguayer trainierte zuvor zwei Jahre lang den Westligisten VfB Hohenems, in der abgelaufenen Saison führte er die "Steinböcke" hinter Austria Salzburg auf Tabellenrang zwei.
Lustenau ist für ihn die erste Station als Profitrainer. "Der große Unterschied ist, dass ich viel mehr von den Spielern verlangen kann. Es ist ein Spiel, es ist aber auch ein Job. Ich kann meine Ideen ein bisschen intensiver versuchen durchzusetzen", sagt er.
Das Engagement in Lustenau ist für Brenner aber auch eine Rückkehr – und ein Heimkommen. Brenners Frau ist Lustenauerin, seit 2016 wohnt er in der Stickergemeinde. "Ich fühle mich wie ein Lustenauer. Für mich bedeutet es extrem viel. Es ist nicht nur mein Job als Trainer, es geht auch um die Leute; darum, zu versuchen, die Lustenauer glücklich zu machen", so Brenner.
Als Spieler kickte er in der U19 von Rapid Wien, bei Ethnikos Piräus, den Montevideo Wanderers und CA Basáñez. Und von 2006 bis 2008 in elf Spielen auch für die Kampfmannschaft von Austria Lustenau. Später war er Jugendtrainer und Nachwuchskoordinator bei den Grün-Weißen.
Blitzschnell in die Spitze
Was dürfen sich die Fans in dieser Saison erwarten? "Ich bin ein Trainer, der versucht, einen aktiven Fußball zu spielen. Wenn es geht, mit gutem Ballbesitzspiel, aber vertikal. Ich fühle mich sicher, wenn meine Mannschaften viele Torchancen kreieren", sagt der ehemalige Mittelstürmer. Also ein ziemlicher Bruch im Vergleich zum Spielstil, der mit dem Rücken zur Wand unter Vorgänger Andreas Heraf im Frühjahr gespielt wurde.
"Ich kann nur von meiner Philosophie reden", meint Brenner ausweichend. Und die sei es, dominant zu sein, Meter zu machen, aktiv zu sein. "Klar, das erste Ziel von jedem Trainer ist es, zu gewinnen. Aber das zweite Ziel ist für mich die Leistung. Ich bin zufrieden, habe Freude, wenn es klappt - vom Resultat und von der Leistung. Wenn die Leistung nicht passt, bin ich kein Trainer, der sich freut, obwohl wir vielleicht gewonnen haben", sagt er.
Was muss man sonst noch wissen über den neuen Trainer? Er ist akribisch. Brenner sagt: "Ich fühle mich sicher, wenn ich weiß, dass ich mehr Zeit als der andere Trainer investiert habe." Man müsse immer einen Plan B und einen Plan C haben, Lösungen haben, wenn der Gegner agiere. "Denn der andere Trainer studiert dich auch. Und der Gegner versucht, dich zu neutralisieren und Torchancen zu kreieren."
Er könne ruhig schlafen, wenn Ziele nicht erreicht werden, aber er wisse, dass er sein Maximum gegeben habe, führt Brenner fort und sagt: "Das ist auch das, was ich von den Spielern verlange." Bis Lustenau wirklich perfekten Brenner-Ball spielt, dauert es wohl noch. "Wir haben viele Spieler, die sich erst in Richtung meiner Philosophie entwickeln müssen", meint der Trainer. Hat man die Zeit? "Ich hoffe."
Einige Erfahrene, viele junge Hungrige
Lustenaus neuer Sportdirektor Mirco Papaleo war auf dem Transfermarkt sehr aktiv, musste das auch sein.
Daniel Au Yeong (21) kam von der Wiener Austria, Stürmer-Routinier Seifedin Chabbi (31) wurde aus Vaduz losgeeist und kehrt an den Rhein zurück. Seine Verpflichtung wird, wie auch jene von Nathan Falconnier (21) von Annecy B und Ibrahim Outtara (20, Leihe von Clermont Foot) sowie William Rodrigues (30/FC Dornbirn) erst nach dem Interview bekannt.
Neben jungen Vorarlbergern wie Raul Marte, Leo Schachner, Melih Akbulut, und Frederic Flatz holte Lustenau – auch wegen Kooperationspartner Clermont Foot – wieder eine Handvoll Spieler mit Frankreich-Bezug.
Stan Berkani (20) und Abdellah Baallal (19) kamen von Clermont B, Seydou Diarra (19/FC Gueugnon), Robin Voisine (22/Nantes B) spielten in Frankreich, Axel Rouquette (21/St. Gallen U21) ist Franzose. Die Kommunikation erfolgt wie gehabt über Athletiktrainer Lucas Vidal oder auf Englisch, deshalb sind auch Brenners fehlende Französischkenntnisse "kein Problem".
Allesamt sind die Spieler talentiert, aber noch jung, spielten bislang kaum im Erwachsenenfußball. Anpassungszeit bräuchten die Youngsters natürlich, Leistung bringen würden sie aber. "Klar, sie machen Fehler", sagt Brenner. Wovor aber auch die Erfahrenen nicht gefeit sind. Manchmal würden die Jungen noch unterschätzen, wo die Bälle verloren werden, versuchten, in Zone 1 dieselben Dinge zu machen wie in Zone 3. Man arbeite daran.
Einer, dem in Lustenau durchaus etwas zuzutrauen ist, ist Sacha Delaye. Der 22-jährige offensive Mittelfeldspieler wechselte von Montpellier HSC ins Ländle, kann 23 Einsätze in der Ligue 1 aufweisen.
"Man sieht schon Potenzial bei ihm. Er ist ein Spieler, der alles sehr schnell versteht. Du sagst ihm drei Worte und er weiß Bescheid. Er versteht das Spiel selbst, braucht nicht so viel Input von draußen. Man merkt, dass er eine sehr gute Mentalität hat", zeigt sich Brenner positiv.
Das Fundament: Fundamental wichtig
Die Spieler in der Entwicklung gesellen sich zu einem Stamm an Spielern, die trotz Abstiegs geblieben sind. "Sie sind das Fundament, das wir haben, die Leistungsträger, die wir haben. Mit so vielen Spielern, die sich in einer Entwicklungsphase befinden, sind solche Spieler extrem wichtig", sagt Brenner.
Zu dieser Gruppe zählt Torhüter Domenik Schierl, dazu zählt Ur-Lustenauer Pius Grabher, dazu zählt Kapitän Matthias Maak. Er verletzte sich jedoch in der ersten Cuprunde am Knie und wird länger fehlen.
"Nach drei, vier Spielen kann ich sagen, wo wir sind und was für Ziele wir setzen können."
Was ist denn das Ziel der Austria? Darf man gar vom direkten Wiederaufstieg träumen? "Das Maximum zu erreichen, das ist unser Ziel", sagt Brenner. Eine Vision gäbe es, sie lautet, innerhalb der nächsten Jahre wieder Bundesliga zu spielen. Im Moment aber heißt es: Abwarten.
"Nach drei, vier Spielen kann ich sagen, wo wir sind und was für Ziele wir setzen können", sagt Brenner. Nach zwei Saisonspielen stehen zwei 0:0-Remis zu Buche.
Es dauert eben, bis etwas Form annimmt. Sei es ein Stadion oder ein Fußballteam.