Vor dem Interview entschuldigt sich Stripfings Neuer, dass sein Deutsch leider nicht so gut sei. Anschließend wird er 20 Minuten Fragen beantworten. In nahezu perfektem Deutsch.
Er spricht davon, dass er von Österreich "angetan" gewesen sei, verwendet Worte wie "hartnäckig" und "dickköpfig", wenn er über seine Landsleute spricht. Er bezeichnet sich selbst als akribisch und fleißig, was er sehr glaubhaft verkörpert. Und emotional, das sei er auch: "Ich bin sehr anspruchsvoll, ich schimpfe viel. Das muss ich zugeben."
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Iñaki Bea ist in Österreich kein Unbekannter. Als er noch bei Real Valladolid spielte, wurde die Saisonvorbereitung einmal in den österreichischen Bergen bestritten. "Als Spieler wollte ich eine andere Kultur kennenlernen. Ich glaube, dass Menschen reif werden, wenn sie viele verschiedene Länder kennenlernen."
Im Baskenland geboren, in Tirol geliebt
Zwischen 2010 und 2012 lernte er das Land kennen, war bei Wacker Innsbruck Innenverteidiger und Publikumsliebling. "Damals habe ich mich in Österreich verliebt", sagt er. Der Kontakt sei nicht abgebrochen, den Gedanken, einmal als Trainer in Österreich arbeiten zu wollen, habe er gehabt. "Das hat sich ergeben, ich bin sehr zufrieden", meint er.
Bea ist Baske. Viele bekannte Trainer sind im Baskenland geboren, betont er. Unai Emery, Ernesto Valverde, Mikel Arteta, Xabi Alonso. "Wir sind fleißige Leute, haben viel Leidenschaft", sagt Bea.
2014 zog es ihn nach Spanien, als Co-Trainer arbeitete er sieben Jahre lang unter José Luis Mendilibar, erst bei der UD Levante, dann lange bei Eibar. Primera División, große Namen, großer Fußball.
Und nun Stripfing. Der Dorfklub, der eigentlich in Weikendorf beheimatet ist, den Vereinssitz mittlerweile aber in Deutsch Wagram hat, um in der Generali Arena von Kooperationsklub Austria Wien spielen zu dürfen. Der Verein, der in der Vorsaison den niedrigsten Zuschauerschnitt hatte (279), zu dem in der gesamten Saison weniger Fans strömten als beim Aufsteiger GAK pro Spiel.
Überschaubare Erfolge
"Ich wollte trotzdem immer eine neue Herausforderung haben", sagt Bea im Rückblick auf die Jahre in Spanien. Dass eine Mannschaft auf einen ausländischen Trainer setze, sei nicht selbstverständlich. Als Cheftrainer war sein Erfolg bislang überschaubar.
Für vier Spiele trainierte er 2022 die Nationalelf der Dominikanischen Republik, 25 Mal saß er bei Drittligist CD Numancia auf der Trainerbank (Punkteschnitt: 1,4), sein letztes Engagement beim Viertligisten Águilas FC endete nach zwei Punkten aus fünf Spielen.
Bea sagt: "Ich habe Stripfing viel zu verdanken, dass sie mutig gewesen sind und hoffe, dass wir eine gute Saison spielen und es sich gelohnt hat, mich zu holen." Der Saisonstart verlief suboptimal: Gegen Aufstiegsfavoriten Ried kassierte man ein knappes 0:1, auch gegen Amstetten musste man sich mit einem Tor geschlagen geben.
Good Cop, Bad Cop
Der Schüler Mendilibars wurde von seinem Lehrer geprägt. Über den Umgang mit den Spielern habe er viel von ihm gelernt: "Auf Deutsch sagt man Zuckerbrot und Peitsche."
Disziplin sei ihm wichtig, dazu gehöre Pünktlichkeit, dazu gehöre aber auch, jeden Tag im Training Gas zu geben. "Aber gleichzeitig belohne ich die Spieler, wenn sie sich das verdienen", wirft Bea ein. Es geht um den Spagat zwischen Gut und Böse. Was er sich noch abgeschaut habe?
"Mendilibar ist ein erfahrener Trainer, er schafft es immer, dass seine Mannschaften eine Identität haben. Ich will auch, dass jeder, der Stripfing spielen sieht, erkennt, dass es Stripfing ist. Wir müssen unsere Identität finden."
Die Stripfinger Identität. Soll heißen: "Ich will eine Mannschaft, die für den Gegner unangenehm am Platz ist. Eine Mannschaft, die in der gegnerischen Hälfte spielt, die Situationen unter Kontrolle hat." Nach Jahren unter Mendilibar liebe er natürlich auch Gegenpressing, gibt Bea zu. Wenngleich das nicht immer möglich sei.
Bea verweist auf ein Rangnick-Zitat ("Ich liebe seinen Spielstil"), Fußballspiele sollten ihm zufolge nie langweilig sein. Bea verweist auf Spaniens Vielseitigkeit aus Gegenpressing, Passspiel, Flanken und Abschlüssen, die zum EM-Titel geführt hatte. "Ich glaube, die richtige Mischung ist wichtig."
Verantwortungslose Jugend? Von wegen
Das treffe auch auf den Kader zu. Dieser ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal jünger geworden, der Altersschnitt liegt nun bei 22,4 Jahren. Die jungen Spieler seien hungrig, das sei das Wichtigste. "Unsere Aufgabe und die der Spieler muss sein, diese fehlende Erfahrung zu ersetzen, jeder muss Verantwortung übernehmen", gibt Bea aus.
Er spricht von Zusammenhalt, Alter sei ohnehin keine Ausrede. "Heutzutage kannst du das sehen: Musiala. Wirtz. Nico Williams. Lamine Yamal. Wenn ein guter Spieler Profi werden will, muss er diese Verantwortung übernehmen."
Mit Routinier Christian Ramsebner (35/St. Pölten), Marco Hausjell (25/Horn), Adin Omic (25/Kapfenberg) und Damir Mehmedovic (26/Krems) wurden zwar durchaus Erfahrene geholt. "Es kann nicht sein, dass wir alle im Boot sind und rudern, aber Ramsi und Peci (Darijo Pecirep, Anm.) und Kürs (Kapitän Kürsat Güclü, Anm.) müssen immer die Verantwortung übernehmen."
Zu den bereits in der Vorsaison in Stripfing spielenden Timo Schmelzer und Dario Kreiker gesellten sich mit Rocco Sutterlüty (20), David Ewemade (19), Kenan Jusic (19), Aleksa Ilic (19) und Osman Abdi (18) fünf weitere Kooperationsspieler von Austria Wien.
Die Kooperationsspieler seien wichtig, hätten Qualität, er sei zufrieden mit ihnen. "Ich glaube aber, dass wir ihnen keinen Vorrang geben müssen. Sie müssen es sich verdienen", betont Bea. Wenn man einen Spieler entwickeln wolle, könne man ihm nicht immer den Weg saubermachen.
Ein Plan, kein Ziel
Stripfing startet in Saison zwei der ADMIRAL 2. Liga. Im Vorjahr wurde der Klassenerhalt erst spät fixiert. Das zweite Jahr sei für einen Aufsteiger immer das schwerere, lautet eine Fußballweisheit. Auch Bea spricht von einer "Plus-Motivation", die man nach dem Aufstieg normalerweise habe.
"Aber ich glaube, sie sind sehr konzentriert. Ich glaube, wir brauchen keine Sorge haben, dass ihnen die Motivation fehlt." Klar, Fans und Verein würden in der ersten Saison vielleicht noch mehr verzeihen, die Ansprüche danach wachsen. "Damit müssen wir umgehen."
Ein Ziel will Bea nicht ausrufen. Der Klassenerhalt soll früher fixiert werden, "das wäre super." Damit die jungen Spieler sich entwickeln können, ohne zusätzlichen Druck. "Für mich ist das Ziel, jeden Tag im Training Freude zu haben. Das heißt nicht, Blödsinn zu machen oder Dinge nicht ernst zu nehmen. Sondern Gas zu geben, versuchen, die Konzepte zu begreifen."
Dann gibt’s auch Lob, sondern schimpft Bea vielleicht wieder. Zuckerbrot und Peitsche – so wie bei Mendilibar.