Ruhig, gelassen und fokussiert - so präsentiert sich Gerald Scheiblehner beim Media Day der Admiral 2. Liga.
Dabei steht der Trainer des FC Blau-Weiß Linz vor der Saison ganz besonders im Rampenlicht. Denn "Königsblau" verfolgt heuer ein ganz großes Ziel: Den Meistertitel und damit verbundenen Aufstieg in die Admiral Bundesliga.
First Vienna FC gegen FC Blau-Weiß Linz am Freitag, um 18 Uhr im LIVE-Stream >>>
Alles wurde auf diese eine Spielzeit ausgerichtet. Das neue Donauparkstadion wird im Sommer 2023 eröffnet, der Umbruch wurde schon nach der Meistersaison vollzogen, der Kader musste nun nur punktuell verstärkt werden. Und finanziell steht der Verein ebenfalls auf gesunden Beinen.
Nicht ohne Grund sehen alle Trainer der 2. Liga den Klub aus der Stahlstadt als klaren Titelfavoriten.
Mit diesem Druck geht Scheiblehner im LAOLA1-Interview aber locker um. Der 45-Jährige spricht außerdem über schwere Schritte, "Königstransfer" Ronivaldo und warum er sich über seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag keine Sorgen macht.
LAOLA1: Wir sind letztes Jahr bereits gemeinsam hier gesessen. Damals meinten Sie zu mir: "Wir werden einiges probieren, damit wir in diesem Jahr eine Mannschaft finden, mit der in der Saison 2022/23 der Aufstieg in die Bundesliga gelingen soll." Ist Ihnen das gelungen?
Gerald Scheiblehner: Ja, bis jetzt haben wir die Ziele zu hundert Prozent erreicht, sogar etwas mehr. Wir konnten nicht damit rechnen, dass wir den dritten Tabellenplatz erreichen. Das Hauptziel war, eine Mannschaft aus diesen vielen neuen Spielern zu formen, die jetzt heuer soweit ist, dass wir um den Titel mitspielen können. Das ist gut gelungen, wir mussten uns nur punktuell verstärken. Jetzt gilt es den nächsten Schritt zu machen – das wird schwer genug.
LAOLA1: Das letzte Jahr kann man wohl durchaus als Lernjahr bezeichnen. Die neuen Spieler mussten sich erst im Verein und in der Liga akklimatisieren. Welche Erkenntnisse haben Sie aus der letzten Saison gezogen?
"Wir waren schon ein bisschen stolz, dass sich ein Spieler wie er für uns entscheidet."
Scheiblehner: Dass unsere Transfers alle sehr gut geklappt haben. Wir haben nicht nur sportlich, sondern auch von der Mentalität her gute Spieler geholt. Die Spieler haben sich sehr schnell gefunden und sind zu einem Team geworden. So treten wir auch am Platz auf. Es ragen nicht einzelne Spieler heraus, sondern wir treten als Team auf, das macht uns aus. Ein Stürmer, wie es im Vorjahr Haris Tabakovic bei Austria Lustenau oder Anthony Schmid beim FAC war, hat uns aber gefehlt. Mit Ronivaldo ist uns ein sehr guter Transfer gelungen. Jetzt schauen wir, ob es den Erfolg bringt, den wir uns wünschen.
LAOLA1: Ronivaldo ist bestimmt der Königstransfer der 2. Liga. War es euer Glück, dass Wacker Innsbruck insolvent wurde und ein Spieler seines Formats plötzlich am Markt war?
Scheiblehner: Der Vertrag ist ohnehin ausgelaufen. Natürlich wird es um eine Spur leichter, wenn ein Konkurrent weniger am Markt ist. Wobei ich ganz klar ansprechen will, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn Wacker Innsbruck am Leben geblieben wäre. Einfach weil es ein toller Verein mit tollen Fans und einem super Stadion ist. So gab es einige Interessenten für Ronivaldo. Wir konnten ihn mit der Perspektive eines neuen Stadions und einer sehr interessanten Mannschaft, mit dem Ziel Aufstieg in den nächsten zwei Jahren, locken. Blau-Weiß ist für Ronivaldo nochmal eine große Herausforderung, deswegen hat er den Schritt gemacht. Wir waren schon ein bisschen stolz, dass sich ein Spieler wie er für uns entscheidet.
LAOLA1: Warum stolz?
Scheiblehner: Weil Blau-Weiß nicht die ganz große Adresse im österreichischen Fußball ist. Wir wissen schon, woher wir kommen. Blau-Weiß war lange ein Amateurverein, hat in den letzten Jahren auch nicht immer die beste Figur in der 2. Liga abgegeben. Erst durch Stefan Reiter (Anm: Geschäftsführer), Tino Wawra (Anm: Sportdirektor) und der Verpflichtung von Ronald Brunmayr als Trainer ist Professionalität in den Verein eingekehrt. Danach ist sportlich sehr viel gelungen und ich glaube, man kennt Blau-Weiß jetzt. Tino Wawra hat auch immer wieder gefordert, dass die Spielweise in etwa gleich bleiben soll. Das ist uns ganz gut gelungen. Jetzt schauen wir, wo der Weg hingeht.
LAOLA1: Bleiben wir noch kurz bei Ronivaldo: Wie hat er sich in Linz eingelebt?
Scheiblehner: Sehr gut. Er ist ein sehr lockerer und lustiger Typ, der gleichzeitig sehr bescheiden ist. Seine Frau ist mit nach Linz gekommen, das war für ihn sehr wichtig, weil sie ein kleines Kind haben und im September das zweite Kind auf die Welt kommt. Seine Frau hat den Wechsel mitgetragen, das war das Wichtigste am Transfer. Beide fühlen sich wohl in Linz, es ist ist ja eine schöne Stadt. Daher gibt es keine Probleme.
LAOLA1: Und wie hat er sich in die Mannschaft integriert?
Scheiblehner: Das hat von Anfang an gut funktioniert. Wir haben ganz klar gewusst, dass Ronivaldo perfekt in unser System passt. So haben wir ihm das in den Transfergesprächen auch präsentiert. Er war ein fehlender Teil, trotzdem will ich nicht alles an ihm fest machen. Wir haben eine tolle Mannschaft mit vielen Spielern, die sehr gute Leistung gebracht haben. Und er soll uns weiterhelfen, um die paar Punkte mehr zu machen als im Vorjahr. Er kann ein wichtiger Teil sein, aber wir leben von der Mannschaft, nicht von einzelnen Spielern.
LAOLA1: Die Offensive war letztes Jahr auch das größte Manko. Ihr Team hat 19 Tore weniger als in der Meistersaison erzielt und es gab keinen Spieler, der zumindest zehn Mal getroffen hat.
Scheiblehner: Ein Jahr davor ist Blau-Weiß Meister geworden und Fabian Schubert hat die meisten Tore und Assists gehabt. Wenn so ein Spieler geht, dann ist er einfach nicht zu ersetzen. Wir haben versucht, den Abgang als Mannschaft aufzufangen, aber wir haben einige Spieler aus der 2. Liga, aus der Regionalliga geholt, auch sehr junge und unerfahrene Spieler waren dabei. Spieler, die in der Vergangenheit oft verletzt waren und bei uns die zweite Chance erhalten haben, nochmal ins Profi-Geschäft einzusteigen. Wir haben es sehr gut geschafft, eine super Mannschaft zu formen und jetzt geht es weiter.
LAOLA1: Sie meinten letztes Jahr zu mir auch, dass Matthias Seidl, der zu diesem Zeitpunkt von Regionalligist Kuchl kam, noch viel Zeit brauchen wird und Sie gar nicht wissen, ob er den Sprung schaffen würde. Und plötzlich war er der Top-Torschütze der Mannschaft. Das war so nicht zu erwarten, oder?
Scheiblehner: Nein, aber er ist ein unglaublich fleißiger Spieler, der sehr intelligent ist. Er hat das System sehr schnell erkannt, ist nicht nur im Training, sondern auch davor und danach unglaublich ehrgeizig. Das zeichnet ihn aus. Dass er Tore schießen kann, haben wir schon gewusst – das hat er bereits in Kuchl und bei seinen vorigen Stationen bewiesen. Dass er dann aber so aufgeht, war natürlich nicht zu erwarten. Jetzt gilt es, die Leistungen zu bestätigen, sogar noch besser zu performen und ich glaube, auch hier ist Ronivaldo ein Spieler, der die jungen Spieler unterstützen kann, sie können von ihm profitieren. Das hat man in der Vorbereitung schon gesehen.
LAOLA1: Neben Ronivaldo wurde der Kader unter anderem mit Lukas Tursch verstärkt. Was kann er ihrer Mannschaft noch bringen?
Scheiblehner: Er ist ein Spieler, der unbedingt gewinnen will. Er hat eine super Mentalität, kennt den Verein und war hier Kapitän, bevor er nach St. Pölten gegangen ist. Dort spielte er sogar in der Bundesliga. Leider haben ihn schwere Verletzungen zurückgeworfen. Jetzt wollte er unbedingt wieder zurück nach Linz und dort anknüpfen, wo er damals aufgehört hat. Er ist sowohl in der Innenverteidigung als auch auf der Sechs einsetzbar. Er bringt uns im Kader extrem weiter, hat viel Erfahrung, ist absolut kopfballstark und hat gute Geschwindigkeit. Wenn man so einen Spieler bekommen kann - und es war auch sein Wunsch, nach Linz zurückzukehren - muss man zuschlagen.
LAOLA1: Es gab mit Bernhard Janeczek und Aleksandar Kostic auch zwei Abgänge.
Scheiblehner: Mit Bernhard Janeczek wollte ich schon noch einmal um ein Jahr verlängern, wenn es irgendwie möglich gewesen wäre. Er hat super dazu gepasst und war immer da, wenn man ihn gebraucht hat. Dadurch, dass er in Wien wohnt, wollte er diese Pendlerei nicht mehr haben und hat sich nun für den Weg nach Wiener Neustadt entschieden. Es war seine Entscheidung, das muss man so akzeptieren, denn er hat auch genug für den Verein geleistet. Aleks Kostic hat den Weg zur Admira gefunden. Es war lange offen, ob er bleiben wird bzw. soll. Wir haben uns darauf verständigt, dass er den Vertrag nicht verlängert bekommt, weil wir auf dieser Position doch den jungen Spielern eine Chance geben wollen. Aleks wird bei der Admira sicher eine sehr gute Figur abgeben, weil er einfach ein toller Spieler ist.
LAOLA1: Wie ärgerlich ist es dann, ihn an einen direkten Konkurrenten zu verlieren?
"Man hat immer Druck als Trainer. Aber mir ist lieber, ich spiele um den Meistertitel als um den Abstieg oder irgendwo im Mittelfeld, wo es um nichts geht."
Scheiblehner: Überhaupt nicht ärgerlich. Es ist super, wenn die Jungs bei einem guten Verein unterkommen und die Admira ist der Absteiger aus der Bundesliga. Wenn ein Spieler von uns dort hinkommt, ist es auch für uns eine Auszeichnung, dass die Spieler interessant sind. Letztes Jahr haben wir neun Spieler in die Bundesliga transferiert, auch heuer haben wir Stefano Surdanovic in Richtung erste Liga verloren, Kostic zum Absteiger. Die Spieler, die von uns weggehen, haben alle einen sehr guten Nachfolgeverein gefunden. Aber es hat sich schon etwas geändert: Die Spieler wollen auch bleiben, nicht mehr weggehen. Das zeichnet den Verein, seinen Weg und die Perspektive aus, die wir bei Blau-Weiß haben.
LAOLA1: Zum Saisonauftakt geht es auf die Hohe Warte zur Vienna. Ein Traditionsverein, der endlich wieder im Profi-Fußball zurück ist. Wie sehr kribbelt es?
Scheiblehner: Coole Sache, dass wir das erste Spiel auswärts gegen die Vienna bestreiten. Besser geht es nicht. Super für die Zuschauer, es gibt unglaubliches Interesse von vielen Seiten. Die Vienna ist endlich wieder dort, wo sie hingehört – eigentlich gehören sie noch eine Liga weiter rauf. Sie sind im Vereinsumfeld extrem stabil, haben einen tollen Manager mit einem stabilen Sponsor im Hintergrund. Wir freuen uns riesig auf den Auftakt, werden natürlich versuchen, unser Sportliches dazu beizutragen, dass es ein tolles Spiel wird. Es wird sicher ein geiler Auftakt.
LAOLA1: Fast alle ihrer Trainer-Kollegen sind sich einig, dass das Meisterrennen über Blau-Weiß Linz laufen wird. Wer sind aus Ihrer Sicht die schärfsten Titel-Konkurrenten?
Scheiblehner: Es gibt viele Teams, die vorne mitspielen werden. Die Liga ist immer ausgeglichen, jeder kann jeden schlagen. Es gibt mit Lafnitz, St. Pölten, GAK, Admira, Liefering und FAC einfach Teams, die sehr gut sind. Dann gibt es die eine oder andere Überraschungsmannschaft wie Vorwärts Steyr, die in der Rückrunde den dritten Platz geholt hat. Letztendlich werden der GAK, St. Pölten und die Admira über die gesamte Saison gesehen ein Wort vorne mitreden. Ich konzentriere mich aber weniger auf die anderen. Wir schauen, dass wir selbst vorne sind. Das ist schwer genug.
LAOLA1: Ihr Vertrag in Linz läuft mit Saisonende aus. Gab es schon Gespräche, oder wartet man noch etwas ab?
Scheiblehner: Ich sage immer: Wenn es gut läuft, wird das schon kommen. Wenn es nicht läuft, dann kommt es auch automatisch. Ich habe keinen Stress, den hatte ich noch nie. Ich bin froh, dass ich bei einem Klub bin, der Ambitionen hat. Mir macht es richtig Spaß mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Mein Vertrag ist aktuell die kleinste Sorge, es wird schon in die richtige Richtung gehen.
LAOLA1: Druck verspüren Sie offenbar keinen.
Scheiblehner: Man hat immer Druck als Trainer. Aber mir ist lieber, ich spiele um den Meistertitel als um den Abstieg oder irgendwo im Mittelfeld, wo es um nichts geht. Deswegen ist man Trainer – man wünscht sich immer, dass eine Mannschaft zur Verfügung steht, mit der man vorne mitspielen kann und wenn es soweit ist, darf man sich nicht davor scheuen, sondern muss es annehmen und zeigen, was man auch als Trainer kann.