Die Berührungspunkte zwischen Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen und Lustenau in Vorarlberg waren nicht zuletzt aufgrund der stolzen Distanz von rund 700 Kilometern irgendwo zwischen rar gesät und nicht vorhanden.
Das hat sich in diesem Sommer schlagartig geändert. Denn an der Gesamtschule in der zwischen Bremen und Hannover gelegenen Stadt wird das sportliche Schicksal des SC Austria Lustenau seit Neuestem mit Argusaugen verfolgt.
Der Grund: Alexander Kiene. Der neue Trainer des Zweitligisten war bis zu seinem Engagement im Ländle Sport- und Englischlehrer in Neustadt am Rübenberge.
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"Meine Schüler verfolgen jetzt alle Austria Lustenau"
„Meine Schüler wussten schon über Jahre hinweg, dass der Trainerjob ein Stück weit Berufung und Leidenschaft ist. Sie haben meine Laufbahn über Jahre hinweg verfolgt und sich mit mir gefreut. Ich habe viele Nachrichten bekommen. Die verfolgen jetzt alle Austria Lustenau“, lacht der Deutsche.
Es ist natürlich nicht so, dass der 42-Jährige ein blutiger Anfänger im Trainergeschäft wäre. Vielmehr hat sich Kiene vor allem in der deutschen Regionalliga Nord längst einen Namen gemacht und dort mit Klubs wie BSV Rehden, TSV Havelse und dem VfB Oldenburg durchaus beachtliche Erfolge gefeiert.
Pro-Lizenz mit Gesamtnote 1,3
Darüberhinaus ist Kiene seit 2019 im Besitz der UEFA-Pro-Lizenz, hat den Kurs, in dem auch Wacker-Chefcoach Daniel Bierofka und Admira-Interimstrainer Patrick Helmes saßen, mit der starken Gesamtnote 1,3 abgeschlossen.
Und da liegt es dann irgendwie auch auf der Hand, sich voll und ganz dem Fußball zu widmen, wenn man schon die höchste Trainerausbildung mit so viel Bravour meistert. „Nachdem ich 2019 die Pro-Lizenz erworben habe, war das Ziel, in den Profi-Fußball zu gehen, allgegenwärtig“, sagt Kiene.
Dass ihn der erste Schritt ins Profi-Geschäft just aus Norddeutschland in den Westen Österreichs führt, war freilich nicht vorhersehbar. „Die Anfrage aus Lustenau kam überraschend“, gibt er zu.
„Ich habe mich nach der Anfrage dann sehr intensiv mit der Liga und dem Verein befasst. Ich habe die Spiele im Juni und im Juli bei LAOLA1 verfolgt, bin nach Lustenau gereist, habe mir alles angesehen. Die Verantwortlichen haben mich in den Gesprächen überzeugt, den Schritt nach Österreich zu machen“, erklärt der Coach.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass Kiene von der Lustenauer Austria gehört hat. „Ich wusste schon auch etwas über Lustenau, weil ich schon Spieler trainiert habe, die davor in Lustenau aktiv waren“, erklärt er. Wal Fall und Abu Bakarr Kargbo haben in Rehden unter Kienes Anleitung gekickt.
Die österreichische Bundesliga habe er in den letzten Jahren „schon auch verfolgt“, lässt er wissen. Und „Traditionsvereine wie Wacker Innsbruck und Austria Klagenfurt“ seien ihm vorher schon ein Begriff gewesen.
"Mein Background hilft"
Letztendlich war es aber auch der Umstand, dass Core Sports Capital in die Lustenauer Austria investiert, der den Deutschen gereizt hat: „Es ist ein spannendes, internationales Projekt. Und für mich der nächste Schritt in meiner Trainerlaufbahn. Es ist ein Netzwerk von Vereinen aus verschiedenen Ländern. Es ist schon spannend, zu sehen, wie in anderen Ländern gearbeitet wird, welche Schwerpunkte gesetzt werden, wie die Spielidee aussieht.“
Die „Cluballianz“ von Core Sports Capital umfasst neben den Vorarlbergern den französischen Zweitligisten Clermont Foot und den dänischen Zweitligisten Vendsyssel FF. Gut für Kiene, dass er in mehreren Sprachen parlieren kann: „Meine Sprachkenntnisse, ich spreche auch Französisch, helfen mir.“
Überhaupt ist er der Meinung, dass sein jahrelanges Dasein als Lehrer im Trainerjob von Vorteil ist: „Ich denke, der Background hilft. Im Studium und auch in der Lehrtätigkeit arbeitet man viel im pädagogischen und auch im psychologischen Bereich. Ich habe schon immer gerne mit jungen Menschen gearbeitet. Das sind Dinge, die mir auf jeden Fall helfen.“
"Ich bin als Beamter beurlaubt, habe also jederzeit die Möglichkeit, zurück in den Lehrerjob zu gehen"
Ob er Bedenken gehabt habe, den sicheren Job als Lehrer aufzugeben? „Die sportliche Chance, hier etwas aufzubauen und zu entwickeln, ist größer als das Risiko. Ich bin als Beamter beurlaubt, habe also jederzeit die Möglichkeit, zurück in den Lehrerjob zu gehen. Diese Sicherheit im Rücken zu haben ist gut“, erklärt er.
Entwicklungspotenzial ist in Lustenau nach der – auf Meisterschaftsebene – enttäuschenden Vorsaison definitiv vorhanden. „Zum Einen geht es ganz klar darum, Spieler zu entwickeln. Zum anderen wollen wir bessere Ergebnisse abliefern als in der vergangenen Saison. Das geht bei der Heimbilanz los, geht bei der Gegentorquote weiter und insgesamt wollen wir uns sukzessive so entwickeln, dass wir eine bessere Platzierung anstreben“, sagt der Trainer.
Die neue Spielidee
Und unter Kiene soll das Team auch ein anderes Gesicht verpasst bekommen.
„Wir wollen aktiven, attraktiven Fußball nach vorne spielen. Wir wollen den Gegner so stressen und zu Fehlern zwingen, dass wir in Ballbesitz kommen. Wir wollen über hohe Pressingauslöser und eine mutige Spielweise nach vorne Bälle gewinnen. Der andere Schwerpunkt ist es, das Spiel nach vorne über Ballbesitz vorzubereiten, um dann den Moment des Rhythmuswechsels zu finden. Und mit Dynamik und gegengleichen Bewegungen in die Tiefe kommen“, beschreibt er seine Spielidee.
Die Umsetzung dauert. Das weiß auch Kiene: „Mir ist bewusst, dass diese neue Idee Zeit benötigt, damit die Prinzipien verinnerlicht werden.“
Der Plan ist, dem Deutschen diese Zeit zuzugestehen. Sein Vertrag im Ländle läuft für zwei Jahre.