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Lustenau-Coach Markus Mader: "Wie kleine Kinder"

Lustenaus Coach über Tabakovic, taktische Korsette und Leben als Vollzeit-Trainer:

Lustenau-Coach Markus Mader: Foto: © GEPA

Mitte Mai war noch alles ganz anders. Markus Mader arbeitete als Immobilienmakler und bereitete seine Trainings als Coach des FC Dornbirn in den Mittagspausen vor, Austria Lustenau beendete die Saison punktegleich mit Schlusslicht SV Horn.

Kurz darauf gab Mader seinen Job bei "Andreas Hofer Immobilien" auf und unterschrieb bei den Lustenauern im Alter von 53 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben einen Vertrag als Profi-Trainer. Ein halbes Jahr später thront der Vorarlberger Traditionsverein an der Spitze der Admiral 2. Liga, hat drei Viertel seiner Spiele gewonnen und träumt vom Aufstieg.

"Natürlich haben wir Lunte gerochen. Wir wollen das durchziehen", sagt der Coach im LAOLA1-Interview.

Mader erklärt, warum es für die Lustenauer Austria so gut läuft, er seine Kicker in kein taktisches Korsett zwängen will, er sich gerne mal auf der Suche nach Trainingsübungen im Internet verliert und es Vorarlberger Trainer besonders schwer haben.

LAOLA1: Wie geht’s deinen Schultern? Da haben in den letzten Wochen sicher viele Leute draufgeklopft.

Markus Mader: Das ist tatsächlich so, ich weiß das aber gut einzuschätzen. Wenn man erfolgreich ist, sind die Schulterklopfer immer präsent, wenn es nicht so läuft, ist es umgekehrt.

"Nach der Auslosung haben wir zwei Möglichkeiten gesehen: Entweder wir sind nach fünf Runden Letzter oder wir performen gut und können uns vorne festsetzen"

LAOLA1: Austria Lustenau hat in 16 Runden 38 Punkte geholt, drei Viertel der Spiele gewonnen. Wie viel seid ihr über dem Soll?

Mader: Wir haben uns vor der Saison keine bestimmten Ziele in Sachen Punktezahl oder Tabellenplatz gesetzt. Wir haben ein langfristiges Ziel ausgegeben – die Top 5.

LAOLA1: Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Mader: Es haben viele Dinge gepasst. Die Kaderzusammenstellung ist optimal gelaufen, die Verstärkungen funktionieren, die Spieler, die schon da waren, haben einen Schritt nach vorne gemacht. Wir haben Spaß an der Arbeit, freuen uns jeden Tag auf den Fußballplatz – dieser Enthusiasmus des Trainerteams überträgt sich auf die Mannschaft.

LAOLA1: Was war für dich der erste Moment in dieser Saison, in dem du gemerkt hast, dass es ein richtig guter Herbst werden kann?

Mader: Das war am Anfang der Saison – als wir die Auslosung mit den Top-Teams am Beginn bekommen haben, haben wir zwei Möglichkeiten gesehen: Entweder wir sind nach fünf Runden Letzter oder wir performen gut und können uns vorne festsetzen. Zum Glück ist der zweite Fall eingetreten. Wir haben die ersten drei Spiele gegen den GAK, Lafnitz und Liefering gewonnen. Da wussten wir: Es geht in eine Richtung, die wir nicht erwartet haben.

VIDEO: Die "Zwarakonferenz" analysiert den Lustenauer Herbst

(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)

LAOLA1: Als du in Lustenau unterschrieben hast, hast du wahrscheinlich nicht erwartet, dich Ende September schon mit der Meisterfrage beschäftigen zu müssen.

Mader: Natürlich nicht, das war so nicht zu erwarten. Wir haben die Frage nach dem Meistertitel im September sofort abgeblockt, das war viel zu früh. Es ist auch jetzt noch zu früh. In der Rückrunde kann so viel passieren.

"Das neue Stadion ist noch Zukunftsmusik – wer weiß, ob ich hier noch Trainer bin, bis das steht"

LAOLA1: Ist es nicht unglaubwürdig, wenn ihr nach so einem Herbst nicht sagt: "Wir wollen Meister werden!"?

Mader: Es wäre unglaubwürdig, wenn wir sagen: Wir können nicht mehr absteigen! (lacht) Natürlich haben wir Lunte gerochen. Wir haben ganz klar ausgegeben: Wir wollen das durchziehen und würden uns über den Aufstieg freuen.

LAOLA1: Wäre der Verein bereit für einen Aufstieg?

Mader: Ich glaube schon. Die Signale des Klubs sind sehr positiv. Die Baueingabe für das Stadion hat stattgefunden. Aber das neue Stadion ist noch Zukunftsmusik – wer weiß, ob ich hier noch Trainer bin, bis das steht.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Trifft Haris Tabakovic im Training auch alles oder schießt der hin und wieder auch daneben?

Mader: Jaja, natürlich (grinst). Uns ist wichtiger, dass er im Spiel trifft. Er ist ein Musterprofi. In den entscheidenden Momenten ist er da. Wenn wir im Training Abschlussspiele machen, ist er oft der, der die Spiele entscheidet. Das ist eine große Qualität.

LAOLA1: Schreibst du ihm täglich Whatsapp-Nachrichten, dass er dein Lieblingsspieler ist, auf jeden Fall bleiben soll und in den nächsten Wochen nicht mit seinem Manager sprechen darf?

Mader: Natürlich nicht! Ich habe auch keinen Lieblingsspieler. Für mich hat jeder Spieler seinen Mehrwert für das Team. Aber natürlich ist er ein wichtiger Spieler für uns, aber wir haben auch andere wichtige Spieler. Ich möchte nicht einen einzigen herausheben.

LAOLA1: Tabakovic hat über dich folgendes gesagt: "Der Trainer lässt uns einen einfachen Fußball spielen, es gibt keine schwierigen Sachen. Er vertraut uns Spielern und auf unsere Qualität." Wie kann man sich das mit dem "einfachen Fußball" vorstellen?

Mader: Wenn ich teilweise Trainer-Interviews höre, wird da über Sachen gesprochen, die in einfachen Worten auch auszudrücken wären. Ich möchte es einfach machen. Wir haben klare Prinzipien, jeder Spieler weiß, was wir im Ballbesitz machen, was wir gegen den Ball machen und wie wir wieder in Ballbesitz kommen. Wenn das für die Spieler einfach umzusetzen ist, habe ich alles richtig gemacht. Du musst den Spielern eine gewisse Eigenverantwortung überlassen, kannst ihnen nicht jeden Laufweg und jeden Pass skizzieren. Es gibt eine große Komponente, die man berücksichtigen muss: den Gegner. Wir wissen ja nicht, wie der Gegner agiert. Was ist, wenn der gegnerische Stürmer doch nicht so anläuft, wie wir es erwarten? Die Spieler müssen eigene Lösungen finden.

"Die sind ja wie kleine Kinder – die stehen in der Kabine und jonglieren, spielen die Bälle an die Wand"

LAOLA1: Muhammed Cham, Michael Cheukoua, Wallace, Bryan Silva Teixeira – ihr habt in der Offensive unheimlich kreative Spieler. Macht es ihre Spielfreue aus, nicht in ein zu enges Korsett gepresst zu werden?

Mader: Die sind ja wie kleine Kinder – die stehen in der Kabine und jonglieren, spielen die Bälle an die Wand. Der Ball steht im Mittelpunkt, die wollen spielen. Wir lassen sie dann auch laufen. Es bringt nichts, die Spieler immer nur in ein taktisches Korsett zwängen zu wollen. Man darf ihnen nicht ihre Kreativität nehmen. Nach vorne haben sie Freiheiten, sie dürfen nur nicht die defensive Absicherung vergessen.

LAOLA1: Ich habe schon eine Menge Namen aufgezählt, es kommen auch noch Jan Stefanon und Cem Türkmen dazu. Du hast sieben Spieler, die den Anspruch haben, in der Startelf zu stehen, aber nur vier Positionen. Wie gehst du damit um?

Mader: Einerseits ist das für uns hervorragend, dass wir fast auf jeder Position doppelt gut besetzt sind – nicht nur in der Offensive. Wir können auswechseln und werden nicht schlechter, teilweise sogar besser. Andererseits ist es für einen Spieler nie zufriedenstellend, nicht von Anfang an zu spielen. Kein Spieler will Nummer 2 sein. Aber ein junger Profi muss lernen, dass er nicht immer starten kann, aber zu 100 Prozent performen muss, wenn er kommt.

LAOLA1: Wie hast du Muhammed Chams Entwicklung in diesem Herbst erlebt?

Mader: Er hat eine unglaubliche Qualität. Er ist sehr effizient, ein ausgezeichneter Techniker, hat es nicht umsonst ins U21-Nationalteam geschafft. Er ist als rechter Außenspieler zu uns gekommen, wir haben aber nach kurzer Zeit gesehen, dass er auf der Zehn spielen und unser Spielmacher werden kann. Das war ein guter Schachzug.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Ein letzter Name: Wie kann es sein, dass Jean Hugonet bisher in der 4. französischen Liga gespielt hat?

Mader: Er war vor dem Aufstieg im Sommer 2021 ebenso wie Hakim Guenouche ein Thema für Clermont Foot – aus irgendwelchen Gründen hat es aber noch nicht gereicht. Wir haben von der ersten Trainingseinheit an gesehen, dass der ein großer Spieler wird. Er war von der ersten Minute an präsent, ein Leadertyp. Mittlerweile spricht er schon sehr gut Deutsch.

LAOLA1: Du hast zu Saisonbeginn auf die Frage, was für ein Trainertyp du bist, gesagt: "Immer nur die Peitsche auszupacken ist nicht richtig, auch das Zuckerbrot gehört manchmal dazu."  Musstest du im Herbst die Peitsche überhaupt mal auspacken?

Mader: Ich hatte schon auch mal eine Ansprache, die etwas lauter wurde. Ich bin generell der Meinung, dass es nichts bringt, eine Mannschaft, die in der ersten Hälfte nicht gut performt, dann in der Kabine zusammenzuscheißen. Die Spieler wissen es selbst, wenn sie nicht gut waren, du siehst es in ihren Augen. Da musst du ihnen eher gut zureden, in eine positive Richtung gehen. Ich will den Spielern helfen, wenn ich sie niedermache, kann ich das nicht.

LAOLA1: Vermisst du deine Arbeit als Immobilienmakler?

Mader: Nein, ich bin ein glücklicher Fußballtrainer (grinst). Mir hat aber auch die Arbeit als Immobilienmakler sehr gut gefallen, das war ein toller Job. Aber es freut mich, dass ich jetzt zu 100 Prozent Trainer bin. Ganz ehrlich: Es ist mehr Arbeit, als ich gedacht habe.

"Eigentlich wolltest du eine halbe Stunde in eine Passübung investieren und dann sind plötzlich eineinhalb Stunden vergangen"

LAOLA1: Was hat sich für dich persönlich verändert?

Mader: Ich kann mich den ganzen Tag mit Fußball beschäftigen. Ich kann mir viele Gedanken machen – über die Trainings, Verbesserungsmöglichkeiten, Spielideen. Ich habe viel mehr Zeit, um Internetforen zu durchforsten, mir anzusehen, was andere Trainer machen. Vorher musste ich in den Mittagspausen die Trainings gestalten, jetzt habe ich viel mehr Zeit – und die nutze ich voll aus, mir wäre sonst ja langweilig, ich kann nicht daheim liegen und warten bis das nächste Training beginnt.

LAOLA1: Es gibt unzählige Foren, Trainingsvideos, etc. Darin kann man sich schnell mal verlieren.

Mader: Da setzt du sich hin und willst dir anschauen, was die Bayern so trainieren, dann bekommst du gleich den nächsten Link. Eigentlich wolltest du eine halbe Stunde in eine Passübung investieren und dann sind plötzlich eineinhalb Stunden vergangen. Aber das ist ja auch mein Hobby. Ein Snowboarder fährt auch nicht nur zehn Minuten, sondern gleich mal zwei, drei Stunden, ein Golfer spielt nicht nur drei, sondern alle 18 Löcher. Ich bin Fußballtrainer und beschäftige mich den ganzen Tag mit Fußball.

LAOLA1: Du bist mit 53 Jahren nach Daniel Madlener der zweitälteste Trainer der 2. Liga. Warum bist du ein Spätstarter?

Mader: Die Situation hat sich davor nie ergeben. Durch den Aufstieg mit Dornbirn habe ich die Chance bekommen und den Sprung ins Profi-Geschäft geschafft. In Vorarlberg gibt es nicht wahnsinnig viele Möglichkeiten, die beiden Profi-Vereine haben meistens auf auswärtige Trainer gesetzt, auf die Trainer im Land wurde wenig geschaut. Ich habe jetzt die Chance bekommen, habe es riskiert und bis jetzt auf die richtige Karte gesetzt. Ich weiß aber, dass es im Trainergeschäft schnell wieder in die andere Richtung geht.

Foto: © GEPA

LAOLA1: In der 2. Liga gab es im Herbst sechs Trainerwechsel.

Mader: Wahnsinn, ich kann das nicht verstehen. Die Offiziellen schießen da oft zu schnell. Es tut mir weh, wenn ich sehe, dass Kollegen entlassen werden, nur weil die Performance für drei, vier, fünf Spiele nicht passt. Ich würde mir mehr Vertrauen in die Trainer wünschen.

LAOLA1: Hast du das Gefühl, dass es Vorarlberger Trainer in Österreich besonders schwer haben?

Mader: Ein Vorarlberger Trainer macht dieselbe Ausbildung wie einer aus der Steiermark, aus Kärnten oder aus Wien. Ich will nicht sagen, dass Vorarlberger Trainer besser sind, aber ich verstehe nicht, warum die Vorarlberger Vereine immer zuerst in den Osten schauen, bevor sie schauen, was sie eigentlich im eigenen Land haben. Immerhin haben wir Vorarlberger mit Adi Hütter einen der besten Trainer in der deutschen Bundesliga, worauf wir sehr stolz sind.

LAOLA1: Du hast inzwischen die UEFA-Pro-Lizenz. Was hast du aus diesem Kurs mitgenommen?

Mader: Ich denke, ich war einer der Teilnehmer, die am meisten von diesem Kurs profitiert haben. Als er begonnen hat, war ich noch Amateurtrainer. Ich konnte viel lernen. Vor allem die Gespräche abends mit den Kollegen, die schon im Profibereich tätig waren, haben mir sehr viel gebracht.

LAOLA1: Es hat im letzten Halbjahr nicht nur in der 2. Liga, sondern auch in der Bundesliga etliche Trainerwechsel gegeben. Es würde mich sehr wundern, wenn sich kein Klub bei dir gemeldet hätte.

Mader: Wunder geschehen (schmunzelt).

LAOLA1: Es hat sich tatsächlich niemand gemeldet?

Mader: Nein, niemand. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken, ich bin glücklich bei Austria Lustenau.

VIDEO: Das Interview mit Markus Mader in voller Länge - Knackpunkte im Herbst, ein Lustenauer Trauma und sein Besuch bei Clermont Foot:

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