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Ronivaldo: Der Killer im Wandel

Auf den Spuren des besten Zweitliga-Stürmers des Jahrzehnts.

Ronivaldo: Der Killer im Wandel Foto: © GEPA

Der Winter 2012/13 in Kapfenberg ist ungemütlich. Mitte des Monats ist es bitterkalt. Am 11. Februar werden -19 Grad Celsius, Eisnebel und leichter Schneefall vermeldet. Der Durchschnitt über den gesamten Monat hinweg liegt bei -2 Grad Celsius.

Doch nicht nur das drückt die Stimmung auf den Kapfenberger Trainingsplätzen. Die eben erst aus der Bundesliga abgestiegene KSV 1919 überwintert mit nur drei Siegen aus 19 Partien auf dem vorletzten Rang. Dabei wurde der sofortige Wiederaufstieg angepeilt.

Zwei Spieltage vor der Winterpause beenden die Steirer die ziemlich unrühmliche Ära von Trainer Thomas von Heesen und setzen auf den bisherigen Nachwuchsleiter und ÖFB-U21-Co-Trainer Klaus Schmidt, der die ersten beiden Partien seiner Cheftrainer-Karriere prompt verliert.

Der Sonnenschein macht also einen großen Bogen um den „Falken-Horst“, als ein damals völlig unbekannter, 23-jähriger Brasilianer zum Probetraining auftaucht. Es ist nicht einmal geklärt, wie dieser Stürmer vom Drittligisten EC Taubaté überhaupt heißt. Ronivaldo Bernardo Sales steht im Pass, sein Spitzname soll „Vau“ sein, schreibt die „Krone“, andere wollen wissen, dass er in seiner Heimat als „Val Ceará“ bekannt war.

Das echte Leben am Kapfenberger Kunstrasen

Klaus Schmidt lacht, als er sich an damals erinnert: „Für einen Brasilianer im Winter nach Kapfenberg zu kommen, ist nicht gerade der Weg an die Copacabana. Da war das echte Leben am Kunstrasen in Kapfenberg. Es war saukalt. Er hat gelitten, ihm war nur kalt.“

Jene Agentur, die später auch den nunmehrigen Wolfsburg-Profi Joao Victor zu den Steirern lotsen sollte, hätte ihm den Angreifer „wochenlang empfohlen“, versichert KSV-Präsident Erwin Fuchs.

"Es waren nicht alle begeistert, aber ich habe ein Machtwort gesprochen und gesagt: ‚Entweder er bleibt hier, oder ihr geht alle.‘“

KSV-Boss Erwin Fuchs

Er erzählt: „Wir haben ihn dann zum Probetraining geholt. Nach dem ersten Training habe ich gesagt: ‚Ich kann mir nicht vorstellen, dass der nicht passt.‘ Darüber waren nicht alle begeistert, aber ich habe ein Machtwort gesprochen und gesagt: ‚Entweder er bleibt hier, oder ihr geht alle.‘“

Coach Schmidt meint: „Man hat sofort gesehen, dass er vorm Tor gute Qualitäten hat, aber er war körperlich nicht wirklich in einem guten Zustand.“

Dass sich Ronivaldo zum mit Abstand torgefährlichsten Zweitliga-Stürmer des Jahrzehnts entwickeln würde, war noch nicht absehbar. Inzwischen hat der Südamerikaner 119 Partien in Österreichs 2. Liga in den Beinen – 76 Tore und 20 Assists stehen zu Buche. Das ergibt eine Torbeteiligung alle 118 Spielminuten. Schwer vorstellbar, was möglich gewesen wäre, wären nicht zweieinhalb Jahre seiner Karriere komplett im Eimer gewesen.

Ronivaldos 16 Saisontore in der 2. Liga im VIDEO:

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)

In seinem ersten Frühjahr in Österreich schien dann jedenfalls doch die Sonne. Aber Ronivaldo konnte nur wenig dafür. Unter Schmidt setzten die „Falken“ im Frühjahr zu einem sensationellen Erfolgslauf an, blieben 13 Partien in Folge ungeschlagen, holten in dieser Phase 33 Punkte. „The magic is over, hätt‘ i g‘sogt“, sagt der Trainer, als mit einem 1:2 bei der Vienna die Serie endet. Der neue Stürmer hat zu diesem Zeitpunkt zwar drei Tore erzielt, kommt aber über die Jokerrolle nicht hinaus.

Ein eher bemitleidenswerter Start

„Wir waren eine Mannschaft, die aus sehr vielen Bundesliga-Spielern bestanden hat, die physisch in einem sehr guten Zustand war. Er ist da noch abgefallen, war noch nicht bereit. Ich hatte vorne mit Wendler und Elsneg sehr, sehr gute Spieler, die mir mein Vertrauen mit Toren zurückgezahlt haben. Er war damals noch nicht soweit“, verweist Schmidt auch auf die funktionierende Offensive rund um Philipp Wendler (9 Tore/6 Assists), Didi Elsneg (7/10), Danijel Micic (8/2), Patrick Wolf (4/3) und David Sencar (3/4).

Schmidts Resümee: „Er konnte kein Deutsch, er war nicht fit, ihm war kalt – man musste fast Mitleid mit ihm haben. Das erste halbe Jahr war sicher nicht lustig für ihn. Aber er war unheimlich lernwillig, hat sofort versucht, sich zu integrieren.“

Foto: © GEPA

Und es wird besser. In der darauffolgenden Saison kann Ronivaldo wegen Fersenproblemen im Frühjahr nur eine Partie bestreiten, beendet die Spielzeit unter Kurt Russ als Cheftrainer aber trotzdem mit neun Toren. Im Herbst 2014 legt er nach, schießt zehn Tore in 18 Partien.

Seine Leistungen am grünen Rasen schlagen Wellen, wenn die Kugel ruht, ist der Goalgetter aber ein stilles Wasser. „Er ist die meiste Zeit daheim gesessen, war sehr zurückhaltend. Wir haben ihn immer wieder motiviert, dass er sich mehr in die Mannschaft einbringt“, sagt KSV-Boss Fuchs.

Als „Sky“ den Goalgetter zu dieser Zeit portraitiert, sagt er über sich selbst: „Ich bin kein typischer Brasilianer, ich bin da ganz anders, ein sehr ruhiger Mensch. Party und so – das ist nicht meine Sache.“ Seine Landsfrau Mila Silva, Nachwuchstrainerin in Kapfenberg, ist neben endlosen Skype-Gesprächen mit der Familie seine Verbindung zur Heimat.

Mit dem grünen Pulli zum Austria-Termin

Die vielen Tore wecken Begehrlichkeiten. Im Sommer 2014 fragt die SV Ried an, doch die geforderte Ablösesumme sorgt für ein rasches Ende der Gespräche. Im Laufe der Herbstsaison bemühen sich dann ganz andere Klubs um Ronivaldo. „Sturm Graz war ein Thema. Gerüchteweise war auch Rapid interessiert“, erinnert sich Austria-Vorstand Markus Kraetschmer. Fuchs glaubt, sich auch an Gespräche mit dem SV Mattersburg erinnern zu können.

Das Rennen macht die Austria. Zunächst einigen sich die Veilchen mit dem Stürmer auf einen Wechsel im Sommer 2015, wenig später fließt dann doch auch Ablöse in die Steiermark, Ronivaldo kommt schon im Jänner 2015 nach Wien-Favoriten und ist somit der allerletzte Neuzugang unter Thomas Parits als Sportvorstand.

Kurz davor bricht Omer Damari den Veilchen-Fans nach einem bärenstarken Herbst das Herz, unterschreibt bei Red Bull. „Es war keine einfache Situation für uns. Wir brauchten Ersatz. Ronivaldo hatte sich in Kapfenberg durch eine tolle Quote einen Namen gemacht, wir haben ihn auch einige Male beobachtet. Dann haben wir zugeschlagen. Wir hatten durch den Damari-Transfer – nach wie vor unser Rekord-Transfer – ein bisschen Geld in der Kassa. Es war ein kalkulierbares Risiko. Wir konnten den Betrag auf einmal bezahlen, mussten nicht in Raten überweisen, was Kapfenberg wohl auch wichtig war. Darum haben wir wohl das Rennen gemacht“, sagt Kraetschmer.

"Eine Schambeinentzündung ist einer der größten Keulenschläge für jeden Fußballer. Es war ein Schock, dass das passiert ist."

Austria-Vorstand Markus Kraetschmer

Ab diesem Zeitpunkt ging so ziemlich alles schief. Schon bei der Vertragsunterzeichung sorgt Ronivaldo für Schnappatmung bei den Verantwortlichen der Austria, weil er mit einem grünen Pullover in der Geschäftsstelle auftaucht. Kraetschmer lacht: „Solche kleinen Nickligkeiten muss man verzeihen. Wir konnten Gott sei Dank schnell reagieren.“ Am Foto von der Unterschrift trägt Ronivaldo ein Austria-Trikot. Danach war das nicht mehr oft der Fall, obwohl er zweieinhalb Jahre beim FAK im Sold steht.

Der Neuzugang fährt mit der Truppe von Coach Gerald Baumgartner ins Trainingslager, doch schon sehr bald kann er nicht mehr am Training teilnehmen. „Eine Schambeinentzündung ist einer der größten Keulenschläge für jeden Fußballer. Es war ein Schock, dass das passiert ist“, sagt der Austria-Vorstand.

Bald machen Gerüchte die Runde, dass Ronivaldo während seiner Zeit in Kapfenberg schon schwer verletzt war, nur Abschlusstrainings und Spiele gemacht hat. „Er hatte in Kapfenberg schon Probleme. Wir haben dann wie bei jedem Transfer einen Med-Check durchgeführt und Grünes Licht bekommen. Es gab keinen Grund, die Verpflichtung nicht zu tätigen. Wir waren überzeugt, dass das absolut in den Griff zu bekommen ist. Uns war aber auch bewusst, dass es ein Sprung ist von der 2. Liga in die Bundesliga. Ich kann mich aber noch gut an das Trainingslager in der Türkei erinnern, da hatte er seine Einsätze und wusste zu gefallen“, verteidigt Kraetschmer den Transfer.

Operationen und Rückschläge

Die Leidenszeit des Legionärs dauert viele, viele Monate. „Es gab immer wieder Rückschläge – das Schambein, die Adduktoren, die Leiste. Diese Probleme haben ihn zu einem verzweifelten Spieler werden lassen“, so Kraetschmer.

Foto: © GEPA

Erst nach eineinhalb Jahren feiert Ronivaldo sein Comeback, schießt beim 11:0 im Testspiel gegen den ASC Korneuburg zwei Tore. Nur ein kurzes Aufatmen, denn in weiterer Folge ist er wieder verletzt. „Er durfte am Schluss dann nach Brasilien zu einer Spezialtherapie, die wir als letzte Chance gesehen haben“, berichtet Kraetschmer.

Im Frühjahr 2017 spielt Ronivaldo hin und wieder bei den violetten Amateuren, schießt sogar ein Tor. In den Plänen der Austria spielt er längst keine Rolle mehr. Kraetschmer: „Nach zwei Jahren haben wir gesagt: ‚Wir müssen anders planen, bei den Profis funktioniert das nicht mehr.‘ Das hat ihn menschlich schon schwer getroffen. Das war auch für uns nicht einfach.“

Rund 15 Jahre dauert die Profi-Karriere eines Stürmers in der Regel. Ronivaldo „verliert“ rund ein Fünftel davon während seiner Zeit in der Hauptstadt. Und das im Alter zwischen 25 und 28 Jahren, wo er eigentlich am Zenit seines Schaffens sein hätte sollen.

Alles wieder gut, Gott sei Dank

Zeitsprung in den Oktober 2019. Ronivaldo steht mit einem schwarzen Hemd und einem beigen Anzug auf der Bühne des Wiener Gartenbaukinos. Kristina Inhof hält ihm das Mikro unter die Nase, er selbst eine goldene Statue in Händen und nach wenigen Worten bricht die Stimme des Brasilianers.

„Vor drei Jahren war ich verletzt, es war ein schwerer Moment in meiner Karriere. Ich dachte, meine Karriere ist vorbei. Aber heute bin ich hier und gewinne diesen Preis. Ich habe keine Worte für diesen Moment in meiner Karriere“, sagt er mit Tränen in den Augen. Riesenapplaus. Jeder gönnt ihm diesen Moment im Rampenlicht. Soeben hat er von der Spielergewerkschaft VdF den „Bruno“ als Spieler der abgelaufenen Saison in der HPYBET 2. Liga erhalten, seine Kollegen haben ihn mit großer Mehrheit als ihren Besten gewählt.

Was während seiner Zeit bei der Austria praktisch niemand mehr für möglich gehalten hat, ist passiert – der Stürmer hat von seinem Körper noch einmal die Möglichkeit gekriegt, über längere Zeit hinweg Profi-Fußball zu spielen. Er erzählt "spox": "Eines Nachts hatte ich zuhause einen Traum. Gott sagte zu mir: ‚Du bist jetzt fit'. Am nächsten Morgen stand ich auf und ging laufen. Als ich zurückkam, fragte mich meine Frau: ‚Warum trainierst du, bist du nicht verletzt?'. Ich erzählte ihr von dem Traum. Ich hatte beim Laufen nichts gespürt. Ich hatte die Schmerzen nie wieder."

Nachdem er den FAK im Sommer 2017 nach zweieinhalb Jahren, vielen Operationen, aber ohne ein einziges Pflichtspiel bei den Profis ablösefrei verlässt, unterschreibt er beim SC Austria Lustenau. Dabei ist er eigentlich drauf und dran, in die Slowakei zu Spartak Trnava zu wechseln, wo sein ehemaliger FAK-Co-Trainer Nestor El Maestro auf der Bank sitzt. Doch die Vorarlberger machen das Rennen.

„Ich kannte ihn nicht wirklich, wusste praktisch nichts über ihn, hatte also kaum Erwartungen. In den ersten Trainingseinheiten habe ich dann gesehen, was er für ein Tier ist, wie sehr er uns weiterhelfen wird, wenn er fit ist“, blickt Marco Krainz zurück. Der Mittelfeldspieler stand für die Lustenauer in 58 Partien mit Ronivaldo am Platz – kein anderer Kicker in Österreich hat so viele Spiele mit dem Goalgetter gemacht.

"Vor eineinhalb Jahren haben wir uns in Altach getroffen – da ist ein komplett anderer Mensch vor mir gestanden"

Ronivaldos Ex-Trainer Klaus Schmidt

Der Neustart im Ländle glückt, der Stürmer funktioniert von Tag eins an. In der dritten Runde gelingt ihm ein Doppelpack gegen Horn, und ab diesem Zeitpunkt hört er nie wieder auf zu treffen. Am Ende der Saison hat der Offensivspieler in 30 Meisterschaftsspielen 26 Tore erzielt und acht Treffer vorbereitet. Es gibt nur zwei Spiele, in denen sein Team trifft und er nicht an einem Tor beteiligt ist.

Krainz, der im Winter zum FAC gewechselt ist, berichtet: „Uns als Mannschaft war klar, dass er in 90 Minuten mindestens ein Tor macht. Und ihm war das auch klar. Wie er mit dem Druck umgegangen ist, ist vielleicht dieses Südländische, das wir Österreicher oft nicht haben. Sie sind immer am Lachen, immer glücklich, nehmen es mit einer gewissen Lockerheit.“

Ronivaldo wächst als Mensch. Die Zeit in Wien prägt ihn, die Erfolge in Lustenau steigern sein Selbstvertrauen. „Vor eineinhalb Jahren haben wir uns in Altach getroffen – da ist ein komplett anderer Mensch vor mir gestanden“, sagt Schmidt.

Vor rund einem Jahr ist der Lustenau-Profi erstmals Vater geworden. Und auch sonst ist vom schüchternen Legionär nicht mehr viel übrig. Ronivaldo ist jetzt fast so etwas wie ein Anführer. „Wenn er im Raum steht, hat er so eine Ausstrahlung, dass jeder weiß: ‚Der Ronnie ist da!‘ Er ist ein extrem positiver Typ, der immer lacht. Er ist sehr hilfsbereit – menschlich wirklich top! Er ist schon zurückhaltend, aber nicht schüchtern. Er ist nicht der Clown in der Kabine, schreit nicht groß herum, reißt nicht dauernd Witze. Wenn es um etwas ging, war er aber die Person, die es angesprochen hat“, sagt Krainz.

Auch sein aktueller Trainer Roman Mählich bezeichnet ihn als „Führungsspieler“. Grundsätzlich sei er „ganz normal, kein Star, am Boden geblieben“, findet Mählich.

Thiago, der König der Brasilianer

Foto: © GEPA

Dass Ronivaldo im Ländle so schnell angekommen ist, ist nicht zuletzt der Verdienst von Thiago de Lima Silva. Der 36-Jährige hat für diverse Klubs über 200 Mal in der 2. Liga gespielt, war später auch Co-Trainer in Lustenau. „Er hat sicher großen Anteil daran, dass Ronivaldo in Lustenau noch einmal durchgestartet ist. Diese Gruppe in Lustenau rund um Thiago ist wie eine große Familie, dort fühlen sich alle Brasilianer wohl. Und Thiago ist der König der Brasilianer. Das funktioniert dort. Ronivaldo hätte für seinen Neustart nach der Zeit ihn Wien nichts Besseres passieren können als diese Gemeinschaft in Lustenau“, sagt Schmidt.

Der Ex-Profi ist die Integrationsfigur schlechthin für Brasilianer im Ländle. Klubübergreifend – von Lustenau über Altach bis Hohenems – kümmert er sich um die Kicker vom Zuckerhut, die in Vorarlberg aufschlagen. Seine Frau Aline gibt einstweilen Deutsch-Unterricht. Und sie ist die Cousine von Ronivaldos Frau - die beiden Familien leben im selben Haus.

So erlebte es auch Krainz: „In ganz Vorarlberg gibt es diese Brasilien-Connection. Jeder Brasilianer, der zu einem Verein kommt – ob Bundesliga, 2. Liga, Regionalliga oder Vorarlbergliga – stößt zu dieser Gruppe dazu. Die Jungs kommen meistens ja aus ganz anderen Verhältnissen, oft sogar von der Straße oder aus Favelas. Dann sind sie in Österreich, können die Sprache nicht, kennen die Kultur nicht, es wird ein ganz anderer Fußball gespielt – das ist sicher extrem schwer. Thiago ist der Papa für diese Brasilianer. Er hilft ihnen, übersetzt für sie, kümmert sich um alle. Wenn irgendwer wohin muss, führt er ihn hin und holt ihn wieder ab. Ich glaube, er lädt sie auch oft zu sich nach Hause ein.“

Vollprofi mit McDonald's-Tick

In Sachen Essen hat der nunmehr 31-jährige Ronivaldo noch eine andere, nicht ganz so geheime Leidenschaft. Krainz gibt folgende Anekdote zum Besten: „Wir haben mal beim McDonald’s im Zuge einer Spendenaktion beim McDrive gratis Autos geputzt. Da ist der Geschäftsführer rausgekommen und hat gemeint: ‚Euer Stürmer kommt jede Woche mindestens ein, zwei Mal zum Essen und schießt so viele Tore. Warum kommt ihr nicht alle?‘“

Das soll aber nicht über die große Professionalität und den großen Fleiß hinwegtäuschen, die Ronivaldo laut seinem ehemaligen Mitspieler an den Tag legt: „Wenn wir ein Trainingsspiel hatten, hat die Mannschaft, in der er gespielt hat, immer gesagt: ‚Wir haben eh den Ronnie.‘ Ich kann mich kaum erinnern, dass er ein Trainingsspiel verloren hat. Er hat immer 100 Prozent gegeben. Er war in allen Sachen, die er gemacht hat, extrem präsent. Er war eine echte Stütze.“

"Wenn im Training der Ball dabei ist, freut er sich wie ein kleines Kind, wenn der Ball nicht dabei ist, schaut er böse"

Lustenau-Coach Roman Mählich

Nicht selten steht der Stürmer schon vor seinem Kollegen am Trainingsplatz, um Mobilisations-Übungen für seine Leiste zu machen. Doch es gibt auch Grenzen. Immerhin ist der Mann Brasilianer. „Wenn im Training der Ball dabei ist, freut er sich wie ein kleines Kind, wenn der Ball nicht dabei ist, schaut er böse“, lacht Mählich.

Doch was macht ihn nun zu dem Spieler, der er ist? „Er ist ein Killer. Das hat man, oder man hat es nicht. Er hat vor dem Tor eine Kaltschnäuzigkeit und Abgeklärtheit, die nur ganz wenige haben“, sagt Schmidt.

Krainz schwärmt: „Jeder Stürmer ist ein bisschen ein Egoist, er vielleicht sogar ein bisschen mehr. Aber seine Gier auf Tore ist das Geile an ihm. Seine Laufbereitschaft, auch defensiv, macht ihn aus. Er kämpft 90 Minuten lang. Sein Kopfballspiel ist faszinierend, verrückt, einfach Wahnsinn. Er gewinnt mit seinen 1,73 Metern die Luftduelle auch gegen 1,90 Meter große Innenverteidiger. Er hat eigentlich alles, ist ein kompletter Fußballer.“

Mählich sieht es ähnlich: „Er schießt in Situationen Tore, wo man sich denkt, dass da eigentlich gar nicht so viel passieren kann – das beweist er seit Jahren. Er ist kopfballstark, hat einen guten Torriecher, ist ein guter Typ.“

Wohin führt sein Weg?

Foto: © GEPA

Das ist in den vergangenen Monaten niemandem entgangen. Ronivaldo ist wieder am Weg zum Schützenkönig der 2. Liga. Inklusive ÖFB-Cup hat er in der laufenden Saison in 23 Spielen ebensoviele Tore erzielt. Im Sommer läuft sein Vertrag aus.

Inzwischen ist Hubert Nagel, Ex-Präsident der Lustenauer Austria, sein Berater. Das kleine, neugegründete Unternehmen hat auch einen bezahlten Mitarbeiter: Thiago de Lima Silva.

Schon im Winter wäre Ronivaldo fast nach Ried gewechselt, als plötzlich die Leiste wieder zwickte, kriegten die Innviertler kalte Füße. Nun scheint indes alles möglich.

Nagel erklärte in den „VN“ dieser Tage: „Hat er die letzte Chance, noch einmal richtig Geld zu verdienen, um sich in Brasilien eine Existenz aufzubauen, dann muss er es tun. Es muss sich finanziell rentieren, egal ob in Südkorea, Türkei oder in Griechenland. Ansonsten soll er lieber bei der Austria bleiben. Er hat Thiago, er kann die Sprache, er steht kurz vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft.“

Schmidt glaubt indes an einen Wechsel innerhalb Österreichs: „Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass er noch einmal in der Bundesliga spielen und dort einem Trainer eine Riesenfreude machen wird.“

Was die Zukunft für Ronivaldo bringt, ist wohl nicht zu erraten, dafür hatte das Leben für ihn schon viel zu viele überraschende Wendungen parat.

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