Ein finanzkräftiger Investor, namhafte Neuzugänge, jede Menge nach einer Bundesliga-Rückkehr lechzende Fans - der FC Wacker Innsbruck gilt neben Austria Klagenfurt für viele als großer Favorit im Rennen um den Meistertitel in der 2. Liga.
Daniel Bierofka will davon nichts wissen. "Nur weil fünf neue Spieler da sind, macht das unsere Mannschaft noch lange zu keinem Spitzenteam. Das ist ein Prozess", sagt der 41-Jährige. Der Deutsche selbst ist auch neu in Innsbruck, erstmals in seinem Trainerleben steht der Ex-Profi bei einem anderen Klub als 1860 München an der Seitenlinie.
Im großen LAOLA1-Interview schwärmt Chefcoach Daniel Bierofka von Neuzugang Ronivaldo, erklärt seine Spielidee und spricht auch über seinen Vorgänger Thomas Grumser.
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LAOLA1: Wie war Ihre erste Vorbereitung als Trainer des FC Wacker?
Daniel Bierofka: Es ist ungewöhnlich, dass man nur drei Wochen Vorbereitung hat. Für mich als Trainer waren fünf bis sechs Wochen immer normal. Wenn du als neuer Trainer kommst und der Mannschaft eine neue Spielidee beibringen willst, sind drei Wochen schon sehr wenig. Aber wir haben uns sehr gut kennengelernt und ein gutes Klima in der Mannschaft. Wir sind für das erste Spiel bereit.
"Bei mir gibt es keine spezielle Spielphase, die ich präferiere, ich sehe das Spiel als gesamtheitliches Gebilde"
LAOLA1: Wie weit ist die Mannschaft noch weg von dem, wie Sie sie gerne hätten?
Bierofka: Nach drei Wochen ist noch nicht alles perfekt, aber wir sind weiter, als ich gedacht habe. Wir haben sehr schnelle Schritte gemacht, die Mannschaft ist sehr lernwillig. Wir haben uns im Spiel gegen den Ball gesteigert. Fußballerisch sind nach oben keine Grenzen gesetzt.
LAOLA1: Was ist die Spielidee, die Sie nach Innsbruck mitgebracht haben?
Bierofka: Wir wollen alle Spielphasen abdecken. Bei mir gibt es keine spezielle Spielphase, die ich präferiere, ich sehe das Spiel als gesamtheitliches Gebilde. Wir wollen in jeder Spielphase gut werden – wenn wir so weit sind, werden wir schwer zu schlagen sein. Wann es soweit sein wird, kann ich nicht sagen – es ist nicht sinnvoll, von Beginn an große Parolen rauszuhauen.
(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)
LAOLA1: "Offensive Ausrichtung mit der richtigen Balance", haben Sie einmal gesagt.
Bierofka: Definitiv! Man kann nicht nur Harakiri nach vorne spielen, die Restverteidigung muss gut stehen, man muss das Gegenpressing gut vorbereiten, wenn man das spielen will. Wann ist die Phase, draufzubleiben, wann ist die Phase, sich fallen zu lassen – das muss man den Jungs beibringen. Es dauert, bis das in Fleisch und Blut übergeht.
"Als Trainer weiß ich: Wenn irgendwo im Sechzehner der Ball runterfällt, ist Ronivaldo da – das ist so sicher wie das Amen im Gebet."
LAOLA1: Ihr Team wird in der kommenden Saison in fast jedes Spiel als Favorit gehen. Müssen Sie da nicht die Ballbesitz-Phase doch ein wenig höher priorisieren, weil Sie damit rechnen müssen, dass sich die meisten Gegner defensiv ausrichten?
Bierofka: Das letzte Drittel ist ein Thema, bei dem wir ganz klare Prinzipien haben, wie wir es bespielen wollen. Viel Zeit war für dieses Thema aber noch nicht vorhanden. Wir werden die Vorbereitung in die ersten zwei, drei Wochen der Saison reinziehen müssen. Die eine oder andere Sache, habe ich hintenanstellen müssen. Es kann sein, dass es am Anfang ein bisschen holprig wird, da müssen wir durch. Aber man kann mit Wille und Mentalität auch viel erreichen.
LAOLA1: Apropos letztes Drittel. Wie hat sich Neuzugang Ronivaldo bisher präsentiert?
Bierofka: Herausragend, obwohl er zu Beginn ein wenig angeschlagen war. Er passt vom Typ her super in die Mannschaft. Als Trainer weiß ich: Wenn irgendwo im Sechzehner der Ball runterfällt, ist er da – das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Er hat etwas, das du nicht lernen kannst: Instinkt. Es gibt ja immer diese One-Hit-Wonder, die in einer Saison 20 Tore schießen, aber er hat es über mehrere Jahre hinweg bewiesen, dass er ein absoluter Goalgetter ist.
LAOLA1: Er wird als Königstransfer der 2. Liga bezeichnet, hat in den vergangenen beiden Jahren 50 Tore für Austria Lustenau erzielt. Viele Leute erwarten, dass Ronivaldo den FC Wacker in dieser Saison zum Meistertitel schießt. Müssen Sie ihm da den Druck nehmen, der auf ihm lastet?
Bierofka: Ich muss der Mannschaft den Druck nehmen. Wir haben einen Altersschnitt von 22,7 Jahren, sind immer noch eine junge Mannschaft. Es macht null Sinn, der Mannschaft so einen Druck aufzubürden. Meine Aufgabe ist es, der Mannschaft den Druck zu nehmen – das werde ich mit aller Macht tun. Wenn wir irgendwann mal soweit sind, werden wir an die Öffentlichkeit gehen und sagen: "Jetzt wollen wir es!" Aber vorher macht das keinen Sinn. Wir waren letztes Jahr 24 Punkte hinter Austria Klagenfurt. Nur weil fünf neue Spieler da sind, macht das unsere Mannschaft noch lange zu keinem Spitzenteam. Das ist ein Prozess.
LAOLA1: Der FC Wacker kann aufsteigen, muss aber nicht?
Bierofka: Genauso ist es.
LAOLA1: Ist es ein Zweijahres-Projekt?
Bierofka: Ich habe einen mittelfristigen Vertrag, keinen Einjahres-Vertrag. Es sind Spieler da, die sich sehr mit dem Verein identifizieren, die den Wacker leben. Das sind Jungs, die aus der Region kommen. Auch in den Gesprächen haben wir klipp und klar gesagt, dass wir dieses Element unbedingt beibehalten wollen. Das kann die Mannschaft prägen, sie zusammenschweißen, ihr eine DNA geben. Uns war wichtig, dass wir diesen Kern dabehalten. Die Neuzugänge werden uns helfen, sind ganz wichtig als Stützen für die Jungen. Aber wir wollen den Weg mit den Jungs gehen, das kann ein Jahr dauern, das kann zwei Jahre dauern.
"Es gibt bei 1860 ja eine tolle Österreicher-Tradition, weshalb ich auch immer auf diesen Markt geschaut habe."
LAOLA1: Das heißt, Austria Klagenfurt geht als klarer Favorit in die Saison?
Bierofka: Das haben sie ja selber gesagt, dass es ihr großes Ziel ist, aufzusteigen. Sie haben letztes Jahr schon gezeigt, dass sie die Qualität haben. Wir waren letztes Jahr 24 Punkte hinter ihnen, jetzt müssen wir schauen, dass wir uns Punkt für Punkt heranarbeiten, damit wir vielleicht irgendwann mal auf ihrem Level sind. Dann können wir sagen: "Jetzt greifen wir an!"
LAOLA1: Kommen wir zum nächsten Neuzugang. Darijo Grujcic hatten Sie ja schon länger am Zettel, oder?
Bierofka: Ich habe jemanden in Österreich, der sich auch mit der 2. Liga beschäftigt, der mir diesen Tipp gegeben hat, als ich noch Trainer bei 1860 war. Es gibt bei 1860 ja eine tolle Österreicher-Tradition, weshalb ich auch immer auf diesen Markt geschaut habe. Er ist mir damals schon sehr ins Auge gestochen, leider war das aber finanziell nicht möglich.
LAOLA1: Was erwarten Sie von Florian Jamnig?
Bierofka: Er ist ganz wichtig für die Truppe. Einerseits als sehr umgänglicher Typ, andererseits mit seiner Präsenz und Athletik. Er ist im Umschaltspiel eine Riesenwaffe, ist unheimlich schnell. Ich sehe ihn nicht an die Außenbahn festgebunden, vielleicht kann er sich ein bisschen freier bewegen, wenn er im Zentrum spielt. Ich erhoffe mir von ihm, dass er die Mannschaft mitzieht.
LAOLA1: Fabio Viteritti ist in Österreich noch ein Unbekannter. Was man so hört, wird er der neue Assistkönig in Innsbruck.
Bierofka: Ich hätte nichts dagegen. Die Anlagen dazu hat er auf jeden Fall. Er schießt sehr gute Freistöße und Ecken, bewegt sich gut zwischen den Linien und hat einen sehr guten letzten Pass. Ich hatte ihn auch schon bei 1860 auf dem Schirm, als er noch in Cottbus war. Letzten Saison hat er bei Zwickau in der 3. Liga 15 Scorerpunkte gemacht – das ist in dieser umkämpften, sehr körperlichen Liga als Mittelfeldspieler bei einem Team, das gegen den Abstieg gespielt hat, keine Selbstverständlichkeit, sondern bemerkenswert.
LAOLA1: Bemerkenswert ist auch, dass es dem FC Wacker gelungen ist, Markus Wostry in die 2. Liga zu holen.
Bierofka: Lob an Ali Hörtnagl, dass er es geschafft hat, so einen Spieler nach Innsbruck zu lotsen. Nach dem Ausfall von Stefan Meusburger waren wir geschockt, weil er für mich eine Fixgröße war. Wir mussten uns dann umschauen und auf einmal kam die Personalie Wostry auf den Tisch, da war es gar nicht so abwegig, dass das eventuell funktioniert. Wir waren sofort alle Feuer und Flamme.
LAOLA1: Ein letzter Name: Mit Marco Knaller ist ein neuer Tormann gekommen. Er wird die Rolle des Führungsspielers einnehmen, oder?
Bierofka: Das muss er mit seiner Erfahrung. Er hat schon so viel erlebt. Am Anfang war dieser Transfer gar nicht so eingeplant. Wir wollten den Weg mit Lukas Wedl und Alexander Eckmayr gehen, aber dann haben sich innerhalb von vier Wochen beide verletzt, also mussten wir reagieren. Als wir dann die Chance hatten, Marco zu verpflichten, war das perfekt – ein Österreicher, der das unbedingt machen wollte.
LAOLA1: Der Kader ist groß. Ist er zu groß? Besteht die Gefahr, dass der eine oder andere Spieler seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht und dann schnell unzufrieden wird?
Bierofka: Das sehe ich nicht so. Tekir und Meusburger werden noch lange ausfallen, also haben wir 22 Feldspieler plus die Jungs, die noch in der zweiten Mannschaft sind, die wir nur situativ hochziehen.
LAOLA1: Sie sind schon sehr lange als Nachfolger von Thomas Grumser festgestanden. Haben Sie sich mit ihm eigentlich mal ausgetauscht?
Bierofka: Nein. Ich wollte ihn in Ruhe lassen. Warum der Wechsel kam, war eine Sache zwischen Wacker Innsbruck und ihm, damit habe ich nichts zu tun. Mir fällt auch kein Zacken aus der Krone, wenn ich öffentlich sage, dass ich es gut fand, wie er das mit der Mannschaft gemacht hat. Ich werde versuchen, das Gute, das er hinterlassen hat, mitzunehmen und meine DNA einzubringen.
LAOLA1: Wie präsent ist der Hamburger Investor in Innsbruck und auch für Sie persönlich?
Bierofka: Null! Mit Jens Duwe gibt es den Kontaktmann, den ich zwei Mal gesehen habe. Aber mit dem Investor hatte ich kein persönliches Gespräch, ich kenne ihn auch nicht. Ich weiß nicht, wer es ist. Für mich ist das auch zweitrangig. Bei 1860 München war das anders, da stand ich im Kontakt zum Investor, dort waren aber auch die Strukturen anders.
LAOLA1: Die aktuelle Investoren-Variante bei Wacker Innsbruck ist für einen Trainer wohl angenehmer als es jene bei 1860 war, oder?
Bierofka: Ich bin mit Hasan Ismaik eigentlich ganz gut zurechtgekommen. Klar musste man die arabische Mentalität verstehen, das ist eine andere Mentalität als die europäische. Aber im Verein war immer sehr viel Unruhe und negative Energie, von dem her bin ich froh, wie es gerade in Innsbruck ist.