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Klub am Scheidepunkt: Chaostage in Lustenau

Am Scheidepunkt: Einen Monat vor Lizenzabgabe ist der Verein führungslos.

Klub am Scheidepunkt: Chaostage in Lustenau

Der 18. Jänner 2019 geht als "Schwarzer Freitag" in die Vereinsgeschichte des SC Austria Lustenau ein.

Eine Jahreshauptversammlung, bei der im Vorhinein nicht viel mehr als "business as usual" erwartet wurde, offenbarte einen tiefen Riss innerhalb des Klubs. Was der sanfte Auftakt einer geordneten Übergabe werden sollte, endete im Chaos und hinterließ den Verein im 105. Jahr seines Bestehens führungslos.

Wie es weitergeht, weiß keiner. Am 4. März muss der Klub aus der HPYBET 2. Liga die Lizenzunterlagen für die kommende Saison abgeben. Die Zeit drängt. Aktuell bestimmen allerdings öffentlich ausgetragene Grabenkämpfe die Schlagzeilen. Die Fans schwanken zwischen Hoffen und Bangen.

Wer will, wer kann, wer darf?

Wer der neue Klub-Boss werden soll, ist aktuell völlig unklar. Klar ist nur, wer es nicht wird. Hubert Nagel hört nach 22 Jahren auf und will sich auch nicht mehr zu einer Rückkehr bewegen lassen.

Bernd Bösch, der sich zuletzt mit einer Gruppe von "Reformern" für Veränderungen in der Führungsstruktur stark gemacht hat, will den Job auch nicht übernehmen.

Die Lage ist unübersichtlich. Wie eine Übergabe des Klubs vonstatten gehen soll, ist schwer abzuschätzen. Nagel stellt offenbar auf stur, seiner Opposition sind die vom bisherigen Klub-Chef geforderten Bedingungen viel zu riskant. Es wird nicht einmal mehr ausgeschlossen, dass sich die Vorarlberger zwischenzeitlich in den Amateur-Fußball zurückziehen.

Ein tiefer Riss

Der Riss innerhalb des Vereins ist tief. Viele freiwillige Helfer wollen unter den aktuellen Umständen nicht mehr weitermachen, eine Durchführung von Spieltagen ist beim Ländle-Klub, der auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen ist, ohne sie aber kaum machbar.

Um die Zukunft zu klären, muss ein neuer Vorstand her. Um diesen zu bestimmen, braucht es eine außerordentliche Jahreshauptversammlung. Die Einladungen dafür liegen bereit, doch ohne Kandidaten für das Präsidentschaftsamt werden sie nicht versendet. Alles wartet. Und die Zeit läuft.

Eine Chronologie der Ereignisse:

17. Jänner

Einen Tag vor der Jahreshauptversammlung ist es recht ruhig in Lustenau. Es wird zwar damit gerechnet, dass sich Klub-Boss Hubert Nagel einigen kritischen Fragen stellen muss, allerdings wird von seiner Wiederwahl ausgegangen. Die Jahreshauptversammlung werde „keine Zerreißprobe für den Verein“, sind sich die „VN“ im Vorfeld sicher. Dass sich im Hintergrund eine Gruppe „engagierter Austrianer“ formiert hat, um den Klub zukunftsfit zu machen, ist längst klar, allerdings glauben alle daran, dass eine geordnete Übergabe – in welchen Zeitrahmen auch immer – stattfinden kann und wird.

"Mit Dankbarkeit hat es wenig zu tun, was hier passiert ist"

Hubert Nagel


18. Jänner

Der schwarze Freitag. Bei der Jahreshauptversammlung läuft alles aus dem Ruder. Nagel stellt sich der Wahl, sagt aber auch: „Wenn es andere machen sollen, werde ich das akzeptieren. Diese müssten allerdings den gesamten Verein übernehmen und auch Papiere unterschreiben, die schmerzhaft sind.“ Bernd Bosch, Sportreferent der Marktgemeinde und Grünen-Politiker – nicht zu verwechseln mit dem bisherigen Vizepräsident Reinhard Bösch –, meldet sich als Sprecher jener Gruppe zu Wort, die auf Reformen drängen. „Wir brauchen eine Erneuerung“, sagt er. Sein Wunsch: Eine geordnete Übergabe des Vereins im Sommer. Danach spricht sich die Mehrheit der Mitglieder für eine geheime Wahl aus. Das hat es zuvor nie gegeben. Nagel wird zum neuen, alten Präsidenten gewählt. Doch es ist knapp: 119 sind für ihn, 107 gegen ihn. Nagel kann seine Enttäuschung nicht verbergen, nimmt die Wahl nicht an, der gesamte Vorstand tritt zurück. „Mit Dankbarkeit hat es wenig zu tun, was hier passiert ist“, ärgert sich der scheidende Präsident. Der Klub ist ab diesem Zeitpunkt de facto führungslos und steht unter Schock.

19. Jänner

Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage stellen sich alle in der Vorarlberger Marktgemeinde. Nicht zuletzt die finanzielle Situation bereitet Kopfzerbrechen. Laut "Neue" schuldet der Klub Nagel noch 200.000 Euro, zudem soll der nunmehrige Ex-Präsident eine Bankgarantie in der Höhe von 400.000 Euro für die laufende Saison abgegeben haben. Nagel soll auch Transferrechte an Spielern besitzen, was eigentlich den FIFA-Regularien widersprechen würde. Die Lizenzierung steht schon bald an. Es sind so viele Fragen offen.

Hubert Nagel
Foto: © GEPA

21. Jänner

Nagel schließt eine Rückkehr definitiv aus. „Es gibt definitiv keine Rückkehr mehr als Präsident. Ich bin durch die Vordertür gegangen und habe die Wahl gewonnen, aber moralisch war es eine Niederlage für mich. Ich hätte so gerne weitergemacht, aber unter solchen Voraussetzungen ist dies nicht möglich“, sagt der 67-Jährige in den „VN“.

22. Jänner

Der Fan-Zusammenschluss „Nordtribüne“ richtet sich mit einem offenen Brief „an die Austria Familie“ (Hier Nachlesen >>>). Es sind mehr oder weniger versöhnliche Worte, gleichzeitig wird aber Nagels Verhalten in den vergangenen Wochen kritisiert. „Die Gruppe ist bereit Verantwortung zu übernehmen, jedoch verhielt sich Hubert, als es konkret wurde, wie schon so oft, unkooperativ. Und dies obwohl er in den letzten Wochen auch öffentlich immer wieder betonte, an einem geordneten Übergang arbeiten zu wollen. Er beschädigt dadurch nicht nur sein eigenes Image - sondern auch jenes der Austria“, ist zu lesen. Am selben Tag dementiert Nagel in den „VN“, dass er Transferrechte an Spielern hält. Und er sagt: „Ich möchte, dass die Nachfolgeregelung so friedlich und so schnell wie möglich über die Bühne geht.“ Alain Bauwens von Hauptsponsor „Planet Pure“ verrät indes, dass bei der Vertragsunterzeichnung eine Veränderung an der Klubspitze vereinbart worden sei.

"Vielleicht habe ich die Strömungen innerhalb des Vereins unterschätzt"

Bernd Bösch


23. Jänner

Die Gespräche und Verhandlungen zwischen Nagel und den Reformern laufen. „Wir wollen einen konstruktiven Weg finden, wie wir miteinander umgehen. Das, was auf der Jahreshauptversammlung passiert ist, kam für mich total unerwartet, vielleicht habe ich die Strömungen innerhalb des Vereins unterschätzt“, sagt Bösch in der „Neuen“. Horst Lumper, Präsident des Vorarlberger Fußballverbandes berichtet indes bei einer Podiumsdiskussion, dass ihm Nagel in Aussicht gestellt habe, so lange Geschäftsführer der Austria Lustenau GmbH zu bleiben, bis die Lizenzierung (Abgabetermin der Unterlagen ist der 4. März) für die kommende Saison erledigt ist.

26. Jänner

Nach weiteren Verhandlungen zwischen Nagel und der „Gruppe Bösch“ zeigt sich Bösch in den „VN“ zuversichtlich, dass es in die „richtige Richtung“ gehe. Er formuliert zudem das Ziel, mit einem ähnlichen Budget wie bisher (2,8 Millionen Euro) in die neue Saison zu gehen. Gesucht wird unterdessen weiterhin ein Termin für eine außerordentliche Hauptversammlung.

29. Jänner

In einem Geheimtreffen der bisherigen Führungsriege und der Gruppe der Reformer wird klar, dass Nagel auch sein Amt als Geschäftsführer der GmbH nicht mehr ausüben wird. Wer das Budget für die Saison 2019/20 erstellt und die Lizenzunterlagen einreicht, ist völlig unklar. Fest steht unterdessen, dass die außerordentliche Jahreshauptversammlung am 8. Februar stattfinden soll.

30. Jänner

Wie die Übergabe des Vereins über die Bühne gehen soll, ist nach wie vor völlig unklar, die Fronten sind zunehmend verhärtet. Gegenüber "Radio Vorarlberg" erklärt Nagel, dass er im Gegenzug für eine schuldenfreie Übergabe Transferrechte an Spielern haben will. "Wenn ich die Erträge von den Spielern bekomme, dann übergebe ich die Austria gerne schuldenfrei, das ist überhaupt kein Problem. Ich habe dem Herrn Bösch angeboten, dass ich das ausgleiche, dann aber eben das Geld bekomme von denen, die wir verkaufen", so Nagel, der die Reformer als "organisierten Haufen" bezeichnet. Wenig später geht das „Team Bernd Bösch“ mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit (Hier Nachlesen >>>). Man sähe sich aktuell nicht in der Lage, „den Schuldenrucksack aus dem laufenden Saisonbetrieb (nach derzeitiger Schätzung 350.000 – 400.000 Euro bei erfolgreicher Lizenzierung – ansonsten um 250.000 mehr) zu übernehmen und gleichzeitig die Voraussetzungen für die anstehende Lizenzierung zu schaffen“. Die Vorschläge für eine „saubere Übergangslösung“ seien von Nagel abgelehnt worden. Auch der kolportierte Termin für die außerordentliche Jahreshauptversammlung wackelt wieder.

31. Jänner

Der scheidende Vorstand meldet sich mit einer öffentlichen Stellungnahme zu Wort (Hier Nachlesen >>>). Kurioserweise ist gleich zu Beginn zu lesen, man werde „weiterhin nur interne und keine öffentlichen Diskussionen führen“. Beim SC Austria Lustenau handle es sich um einen „kerngesunden Verein“, wird betont. Auch der Vorwurf, dass Nagel es ablehnte, den Verein schuldenfrei zu übergeben, entbehre jeder sachlichen Grundlage. „Wir sind weiterhin an einer Lösung mit der Gruppe um Bernd Bösch zum Wohle der Austria interessiert. Ein 'Comeback' des scheidenden Vorstands schließen wir dezidiert aus.“

"Es geht einfach nicht mehr"

Bernd Bösch


1. Februar

Deadline-Day war am 31. Jänner auch für das Angebot der Gruppe Bösch an Nagel. Am 1. Februar, um 00:01 Uhr, ist klar: Der Ex-Präsident hat es nicht angenommen. Bösch schließt somit aus, neuer Klub-Boss zu werden. „Es geht einfach nicht mehr“, sagt er in den „VN“.

2. Februar

Nagel bringt überraschend den ehemaligen Landeshauptmann Herbert Sausgruber als neuen Klub-Boss ins Spiel. "Es wäre eine Riesensache für die Austria, wenn Sausgruber das Amt des Präsidenten übernehmen würde“, sagt er in den „VN“. Der 72-Jährige winkt aber prompt ab: "Dass ich ein Thema für das Amt des Präsidenten sein soll, überrascht mich jetzt. Diese Aufgabe muss ein Jüngerer übernehmen." Ein Termin für die außerordentliche Jahreshauptversammlung steht übrigens immer noch nicht fest.

3. Februar

In der "Neuen" appelliert Bösch noch einmal an alle, die Grabenkämpfe zu beenden: "Wir müssen weg von der derzeitigen Lagerbildung, der Leitspruch muss wieder lauten: 'Wir Austrianer'. Das ist auch der Grund, warum ich mich zurückgezogen habe. Die Fronten sind verhärtet. Als ich im Radio vom "organisierten Haufen" gehört habe, wusste ich, für mich ist es genug. Aber ich bin sicher nicht der Einzige, der die Austria in die Zukunft führen kann." Konkrete Vorschläge, wie es weitergehen soll, gibt es keine. Indes berichtet "vol.at" von einem "positiven Treffen" mit den Ehrenmitgliedern des Vereins, bei dem aber auch kein Kandidat auf die Nagel-Nachfolge gefunden werden konnte.

4. Februar

Es ist noch genau ein Monat Zeit, bis die Lizenzunterlagen für die kommende Saison abgegeben werden müssen. Vincent Baur, in der Geschäftsstelle des Vereins unter anderem zuständig für die Lizenzierung, versichert gegenüber LAOLA1: "Alles, was möglich ist, wird vorbereitet. Wir arbeiten darauf hin, dass wir die Lizenzunterlagen abgeben." Allerdings brauche es eben jemanden, der die Unterlagen unterzeichne...

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