Während der FC Red Bull Salzburg in der Bundesliga an der Tabellenspitze einsam seine Kreise zieht und in der UEFA Europa League auf eine perfekte Gruppenphase zusteuert, hinkt Kooperationsverein FC Liefering in der 2. Liga den eigenen Erwartungen hinterher.
Der erlösende 4:1-Erfolg gegen Wacker Innsbruck II vor der Länderspielpause war der erste Sieg nach fünf Niederlagen ins Serie - Negativ-Rekord in der jungen Klubgeschichte.
Dabei kämpfen so viele Talente wie noch nie um Spielzeit bei Liefering. Jene, die bei Salzburg nicht zum Zug kommen und andere, die aus der Akademie nach oben drängen.
"Die Pipeline ist voll", sagt Trainer Gerhard Struber im LAOLA1-Interview. Gleichzeitig ist der Kader so jung wie noch nie. Spieler machen Fehler, lassen Chancen aus und müssen zum ersten Mal in ihrer Fußballerkarriere lernen, mit mehreren Niederlagen umzugehen. Da sei Geduld gefragt, sagt Struber.
LAOLA1: Sie kennen mit Liefering die Erste Liga, jetzt kennen Sie auch die 2. Liga. Erkennen Sie von der Qualität der Spiele her einen Unterschied?
Gerhard Struber: Ich glaube nicht, dass sich von der Qualität her viel verändert hat. Es gibt Mannschaften mit mehr Erfahrung und auch jene, die im Vergleich zum letzten Jahr zulegen haben können, speziell Blau-Weiß Linz und Wattens. Dazu gibt es junge Teams, die spielerisch qualitativ viel mitbringen, aber noch nicht diese Robustheit haben, wie die gestandenen Mannschaften. Für uns ist spannend, jede Woche diese Unterschiede zu beobachten. Einmal geht es um Körperlichkeit gepaart mit Erfahrung, dann gibt es unroutinierte Teams mit Talent, aber jugendlichem Leichtsinn. Das tut eine erfahrenere Mannschaft nicht. So werden in dieser Liga unterschiedliche Reize gesetzt und das macht sie interessant.
"Wir merken gerade, dass unsere Burschen so jung sind wie noch nie. Viele Spieler hatten mit Niederlagen in der Vergangenheit noch wenig zu tun."
LAOLA1: Ihre Mannschaft hat vor dem Sieg über Wacker II fünf Mal in Folge verloren. Das hat es bei Liefering noch nie gegeben. Was hat dazu geführt?
Struber: Unsere Jungs sind teilweise 16, 17 Jahre alt und nicht 20 oder 22. Ich sehe bei vielen Spielern unglaubliches Potenzial, aber sie haben so eine Atmosphäre, auch wenn nicht immer 3.000-4.000 Zuschauer im Stadion sind, noch nicht erlebt. Wir haben natürlich den Anspruch, uns nach vorne zu orientieren und Spiele zu gewinnen. Wir merken aber gerade auch, dass unsere Burschen so jung sind wie noch nie. Bei so einem Negativlauf, den wir beim FC Liefering nicht gewohnt waren, war es in letzter Zeit schon eine Herausforderung, die richtigen Worte zu finden. Viele Spieler hatten mit Niederlagen in der Vergangenheit noch wenig zu tun. In der Akademie spielen sie meistens um die Meisterschaft, aber auch jene, die aus dem Ausland zu uns kommen, haben zumeist erfolgreiche Zeiten hinter sich.
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LAOLA1: Hat man im Training etwas verändert oder ging es nur darum, eine mentale Blockade zu lösen?
Struber: Es geht hauptsächlich um mentale Dinge. Wenn du bis auf Wattens alle Gegner über weite Strecken dominierst und am Ende deine Chancen nicht nützt, wird es schwierig. Wir haben einige Spiele auch aufgrund von Kleinigkeiten verloren bzw. Gegentore durch Schüsse aus der Distanz erhalten. Wenn man sich die Expected Goals unserer Partien in den letzten Wochen ansieht, hätten wir jedes Spiel gewinnen können, vielleicht sogar müssen. Die Jungs sind dadurch mental instabil geworden und es bestand die Gefahr, dass der Glaube ans Gewinnen verloren geht. Den haben wir letzte Woche im Training zurückgeholt. Das war am Ende der Schlüssel, dass es wieder geklappt hat.
"Wenn ich sehe, wie zum Beispiel Peter Pokorny, der gerade einmal 17 Jahre alt ist, Dinge bewerkstelligt, dass mich danach aus der deutschen Bundesliga Trainer anrufen oder sich auch Trainer aus der österreichischen Bundesliga nach unseren Burschen erkundigen, dann sind das Hinweise darauf, dass wir viel richtig machen."
LAOLA1: Wie sehr hat es auch einen Dominik Szoboszlai in Topform benötigt, um diese Serie zu beenden?
Struber: Natürlich tut uns Dominik mit seiner individuellen Qualität gut. Aber die ganze Mannschaft hat einen Schulterschluss gezeigt. Von der ersten Minute an hatte ich nie das Gefühl, dass es daneben gehen kann. Auch nach dem Ausgleich habe ich gespürt, dass wir den Sieg mehr wollen als der Gegner. Davor haben wir oft nicht die richtige Balance gefunden, um Tore zu machen bzw. den Gegner nicht wieder aufkommen zu lassen. Wir schauen ganz genau hin, wie sich jeder einzelne entwickelt. Wenn ich sehe, wie zum Beispiel Peter Pokorny, der gerade einmal 17 Jahre alt ist, Dinge bewerkstelligt, dass mich danach aus der deutschen Bundesliga Trainer anrufen oder sich auch Trainer aus der österreichischen Bundesliga nach unseren Burschen erkundigen, dann sind das Hinweise darauf, dass wir viel richtig machen. Wir hinterfragen uns trotzdem, brauchen Ergebnisse und wollen so auftreten, wie man es von Liefering gewohnt ist. Obwohl man festhalten muss, dass wir vom Reifegrad der Spieler im Vergleich zum letzten Jahr noch ein bisschen nach unten gegangen sind.
LAOLA1: Hat sich auch der Konkurrenzkampf im Vergleich zur Vorsaison noch einmal verschärft?
Struber: Er hat sich dadurch verschärft, dass sich unser Kooperationsverein FC Red Bull Salzburg, wie es aktuell der Fall ist, in eine Richtung galoppiert, die fulminant ist. Sie haben kaum Verletzungen. Das heißt, es gibt immer wieder einige Spieler, die dann zum FC Liefering stoßen. Demzufolge fallen auch Jungs, die bei uns top trainieren aus dem Kader. Nach den ersten drei Runden, in denen wir gut gespielt haben, mussten Spieler raus, die es sich auch verdient hätten, weiter zu spielen. Die Situation ist aber so, dass wir Spielern des Kooperationsvereins weiter Spielzeit anbieten wollen und werden.
LAOLA1: Wie schwierig ist es unter diesen Voraussetzungen eine Mannschaft zu formen, die in Wahrheit aus lauter Einzelsportlern besteht, die um ihren Weg nach oben kämpfen?
Struber: Das ist ein Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Die Spieler wissen, dass Liefering keine Plattform ist, auf der man sich drei, vier Jahre lang aufhält. Die Spielzeit beim FC Liefering ist ein "Heiligtum" und für jeden Spieler ein Gütesiegel für den nächsten Schritt in seiner jungen Karriere. Den Jungs ist klar, dass sie davon profitieren können, mit so hochtalentierten Spielern zusammenzuarbeiten. Sie kommen aber auch mit Sorgen zu uns und befürchten, dass sie es bei Salzburg nicht schaffen. Da müssen wir auch sehr verständnisvoll agieren, wenn manch einer enttäuscht durch die Hallen schreitet.
LAOLA1: Wie oft kommt es vor, dass Spieler sagen, sie wollen sich verändern, weil sie glauben, es nicht "nach oben", sprich zu Salzburg, zu schaffen?
Struber: Unsere Burschen merken grundsätzlich, wie schnell es gehen kann, dass sie in der Bundesliga die Chance bekommen. Im Sommer ist bei Red Bull Salzburg aber versucht worden, Spieler nicht mehr in dem Umfang zu verlieren, wie in den letzten Jahren. Das hat die Wirkung, dass die Mannschaft in ihren Automatismen noch einmal stärker geworden ist. Gleichzeitig es ist dadurch auch für den einen oder anderen schwieriger geworden. Unser entscheidender Auftrag ist, dass sie bereit sein müssen zu liefern, wenn sie die Möglichkeit bekommen. Ich bin sehr gelassen, wenn ich mir ansehe, welche Talente hier schlummern. Die Pipeline ist voll.
LAOLA1: Sie haben vor der Saison in einem Interview gesagt, dass jetzt "Routiniers" wie Dominik Stumberger und Philipp Sturm Verantwortung übernehmen müssen. Erfüllen die beiden Ihre Erwartungen?
Struber: Stumberger war verletzungsbedingt im letzten Jahr mit Rückschlägen konfrontiert. Dazu hat er mit Igor und Luca Meisl Konkurrenz gehabt, die ihm wenig Spielzeit ermöglicht hat. Jetzt ist er aber gut in diese Rolle hineingewachsen. Er übernimmt diese Verantwortung, das macht er so, wie wir uns das vorstellen. Sturm hat ebenso starke Konkurrenz auf seiner Position. Beispielsweise, wenn Romano Schmid zu uns ins Team kommt oder junge Spieler von unten nachsprießen. Da bewegt sich jede Woche etwas. Eine Stammplatzgarantie gibt es bei uns sowieso nicht.
"Romano Schmid hat im Sommer erlebt erlebt, dass Salzburg nicht nur in Österreich eine Klassemannschaft ist, sondern auch in Europa."
LAOLA1: Romano Schmid hat im Sommer die Vorbereitung beim FC Red Bull Salzburg mitgemacht, kam aufgrund einer Verletzung zuletzt aber auch beim FC Liefering nicht zum Einsatz. Wie schwierig ist die Situation für ihn im Moment?
Struber: Als Romano von Sturm Graz geholt wurde, war es unser gemeinsamer Plan, dass wir ihn in unsere Idee hinein entwickeln. Dafür sollte er auch die notwendige Zeit bekommen. Bis zum Sommer ist uns das gut gelungen. Er hat eine richtig gute Vorbereitung gemacht. Dann hat auch er erlebt, dass Salzburg nicht nur in Österreich eine Klassemannschaft ist, sondern auch in Europa. In seinen Einsätzen beim FC Liefering sehe ich, dass eine Entwicklung stattgefunden hat. Leider steht er uns in diesem Jahr aufgrund einer Schambeinentzündung nicht mehr zur Verfügung. Aber klar ist: Die Mannschaft von Salzburg ist on top, da ist es nicht leicht, mithalten zu können. Ich bin davon überzeugt, dass Romano, wenn er fit ist und dort spielt, sofort in der Bundesliga Leistung bringen kann. Aber es gibt auch noch Spieler wie Enock Mwepu oder Patson Daka, die auf Einsätze lauern. Die Qualität ist top, das macht es schwierig.
LAOLA1: Dazu kommen hochtalentierte Neuzugänge längst nicht mehr nur aus Österreich, sondern auch aus Frankreich und Deutschland, wie im Sommer der 16-jährige Karim Adeyemi. Wie gelingt es ihm bislang, hier Fuß zu fassen?
Struber: Er wird in Europa als Talent sehr hoch gerankt. Er ist ein Hochgeschwindigkeitsspieler, wir haben ihn mit 38 km/h gemessen. Er kann aber nicht nur sprinten, sondern hat auch noch Gefühl im Fuß. Das macht ihn zu einer richtigen Waffe im modernen Fußball. Am Ende ist aber auch er ein ganz junger Mensch, der bei uns erstmalig professionell trainiert. Trotz großen Wettbewerbs wenn es um die Verpflichtung von jungen Talenten geht, spricht mittlerweile aber nicht nur der gute Job in der Ausbildung, sondern auch die Entwicklungsmöglichkeit der Spieler für einen Wechsel nach Salzburg. Das macht uns am Markt interessant. Es ist für uns gar nicht mehr so eine große Überraschung, dass wir solche Talente verpflichten können. Es ist sogar ein bisschen normal geworden.
"Es ist für uns gar nicht mehr so eine große Überraschung, dass wir große Talente verpflichten können. Es ist sogar ein bisschen normal geworden."
LAOLA1: Interessant haben die Gegebenheiten hier auch die Teilnahme an der UEFA Youth League gemacht. Die fiel aber in dieser Saison weg. Ein großer Nachteil?
Struber: Das war sehr schmerzhaft. Wir haben uns das selbst verbaut, weil die U18 nicht Meister geworden ist. Das wäre Spielzeit auf einem Niveau gewesen, auf dem sich die Jungs super entwickeln können. Stattdessen schieben wir jetzt Trainingsspiele gegen Bundesliga-Klubs wie den WAC ein. Dazu fliegen wir nach der Herbstmeisterschaft am 27. November nach Spanien und spielen gegen die zweite Mannschaft von Bilbao und Eibar. Wir wollen auf einem hohen Niveau in die Winterpause gehen, aber das sind eben keine Pflichtspiele. Das macht einen klaren Unterschied und ist daher besonders bitter.
LAOLA1: Statt Salzburg hat sich die Admira für die Youth League qualifiziert. Wie sehen Sie den nationalen Vergleich im Nachwuchs?
Struber: Es wird bei anderen Vereinen auch gut gearbeitet. Generell hat Österreich in den letzten Jahren, gerade wenn man über die Grenzen hinausblickt, einen richtig guten Job gemacht. Viele Klubs können darauf stolz sein. Trotzdem müssen wir uns in Österreich immer vor Augen halten, wo wir uns verbessern können. Da geht es speziell um den Übergang von der Akademie zum Profifußball. Da ist die 2. Liga eine richtig gute Plattform. Es ist schade, dass die Admira so bitter in der Youth League gescheitert ist. Genau das sind die Spiele, die solche jungen Spieler brauchen. Deshalb bemühen wir uns auch um Spielzeit gegen gute Gegner. Ich wünsche mir, dass sich das auch andere Teams in Österreich überlegen.
LAOLA1: Sie persönlich stehen mitten im UEFA-Pro-Lizenzkurs. Welche Erfahrungen konnten Sie daraus bislang mitnehmen?
Struber: Ich schließe den Kurs nächsten Oktober ab, bislang läuft es sehr gut. Der ÖFB legt sich unglaublich ins Zeug. Jedes Modul ist lehrreich und die Gespräche mit den Trainerkollegen sind sehr fruchtbar. Wir merken dabei, wie schwer der Trainerjob mittlerweile geworden ist. Vor dem Abschluss werde ich auch noch bei Lazio in Rom hospitieren.
LAOLA1: Verfolgen Sie danach den Plan, sofort den Schritt zu einem Profiteam zu machen?
Struber: Einen großen Karriereplan zu machen ist im Trainerleben total schwierig. Ich habe Wünsche, verfolge Ziele. Ich will mit Liefering richtig gute Talente entwickeln. Andererseits wird auch der Tag kommen, an dem ich den nächsten Schritt gehen werde. Aber es fehlt mir noch das genaue Bild darüber, wie dieser Schritt aussehen kann und wird. Es hat im Sommer bereits Anfragen gegeben. Es ehrt mich, wenn Klubs einer gewissen Größenordnung nachfragen, wie lange der Vertrag läuft. Ich schätze es aber irrsinnig, hier zu arbeiten. Es ist ein einzigartiger Job mit einem coolen Umfeld. Ich habe tolle Kollegen und Mitarbeiter. Dazu kommt, dass meine Familie hier in Kuchl zuhause ist. Daheim mit solchen Toptalenten zu arbeiten, da ist man schon in einer privilegierten Position.