Die Herbst-Saison ist nicht nach Wunsch des SK Vorwärts Steyr gelaufen.
Mit 14 Toren erwies man sich in der Offensive als zu harmlos, mit 32 Gegentreffern in der Defensive als verwundbar. Ein gutes Finish brachte mit Tabellenplatz 14 aber immerhin noch eine hoffnungsvolle Ausgangsposition im Abstiegskampf.
Perspektivisch gesehen am wichtigsten ist aber wohl, dass dieser Herbst für den Aufsteiger ein besonders lehrreicher war.
"Für uns war es ein sehr spannendes halbes Jahr – ein Kennenlernen einer neuen Liga mit Profi-Teams. Wir haben das teilweise ein bisschen unterschätzt – nicht als Mannschaft, aber als Verein", gesteht Trainer Gerald Scheiblehner im LAOLA1-Interview.
Nachdem man im vergangenen Sommer vor allem am Umfeld bastelte, ist nun die Mannschaft an der Reihe. Scheiblehner verdeutlicht, welche Erkenntnisse im Winter wie umgesetzt wurden und warum die Oberösterreicher die ideale Plattform für die Kombination von Profi- und Amateur-Fußballer darstellen.
Zudem erklärt der 41-Jährige, warum er der SV Ried den Aufstieg vergönnt, der Auftakt-Gegner im Derby am Sonntag aber nicht zwingend der absolute Topfavorit ist.
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LAOLA1: Mit drei Siegen aus fünf Spielen ist Vorwärts Steyr im letzten Herbst-Drittel in Fahrt gekommen. Waren Sie traurig, dass es „zu früh“ in die Winterpause ging?
Gerald Scheiblehner: Nein, wir waren nicht traurig, sondern froh, dass wir die letzten Spiele noch erfolgreich gestaltet haben. Wir haben den Anschluss geschafft und eine Perspektive für das Frühjahr geschaffen. Für uns war es ein sehr spannendes halbes Jahr – ein Kennenlernen einer neuen Liga mit Profi-Teams. Wir haben das teilweise ein bisschen unterschätzt – nicht als Mannschaft, aber als Verein. Vor allem die Transferzeit haben wir unterschätzt. Daraus haben wir die Schlüsse gezogen und versucht, es im Winter besser zu machen.
LAOLA1: War im Sommer das Nachrüsten des Umfelds wichtiger als der Kader?
Scheiblehner: Wir sind relativ überraschend aufgestiegen. Es war ja nicht unser Ziel, dass wir aus der Regionalliga in die 2. Liga aufsteigen. Letzten Winter hat es sich so ergeben, dass wir relativ weit vorne waren, sodass wir uns natürlich mit dem Aufstieg befasst haben, und irgendwann wurde es auch ein großes Ziel. Als wir das erreicht haben, wollten wir den Spielern, die das geschafft haben, nicht die Mitteilung geben, dass sie nicht mehr dabei sind. So sind wir eigentlich mit der Aufstiegs-Mannschaft in die 2. Liga gegangen, haben uns kaum verstärkt. Mit Lukas Gabriel haben wir nur einen Spieler mit Zweitliga-Erfahrung geholt. Ansonsten haben wir mit lauter Spielern gespielt, die in der 1. Runde gegen Ried ihr erstes Profi-Spiel absolviert haben. Im Sommer musste sich der Verein generell professioneller aufstellen. Wir mussten das Stadion adaptieren, haben einen Fernsehturm gebraucht. Wir haben neue Leute in den Vorstand bekommen, uns im Marketing besser aufgestellt, in der Pressearbeit Leute dazubekommen. Wir haben uns step by step weiterentwickelt. Ich denke, dass wir jetzt auf einem Niveau sind, mit dem wir einfach in diese Liga gehören.
Wir haben versucht, Spieler zu holen, die aus einer Profi-Liga kommen, weil wir ein Zeichen setzen wollten – nicht nur nach außen, sondern auch innerhalb der Mannschaft -, dass wir als Verein unbedingt in der Liga bleiben wollen.
LAOLA1: Die drei Winter-Neuzugänge üben Fußball nicht nebenberuflich aus. War es wichtig, Profi-Einflüsse in die Mannschaft zu bekommen?
Scheiblehner: Auf jeden Fall. Wir haben versucht, Spieler zu holen, die aus einer Profi-Liga kommen, weil wir ein Zeichen setzen wollten – nicht nur nach außen, sondern auch innerhalb der Mannschaft -, dass wir als Verein unbedingt in der Liga bleiben wollen. Irgendwann gibt es eben auch Limits bei gewissen Spielern. Die jungen Spieler werden sich nur dann entwickeln, wenn sie von Besseren lernen. Ich glaube, dass wir drei Spieler geholt haben, von denen auch unsere Jungen wieder dazulernen.
LAOLA1: Zwei der Neuzugänge kommen vom SV Mattersburg. Was bringen Daniel Kerschbaumer und Jefte Betancor ein?
Scheiblehner: "Kerschi" ist Oberösterreicher, passt perfekt in unsere Philosophie, hatte schon einige Stationen im Profibereich. Er hat eine super Mentalität, die uns im Abstiegskampf auf jeden Fall helfen wird. Er ist ein schneller und kampfkräftiger Spieler, der einfach ein guter Typ für das Team ist. Von dem her ist er sicher eine absolute Verstärkung. Er war schon mal in Steyr, ist Publikumsliebling gewesen, das wird er sicher auch wieder werden. Jefte ist ein Spieler, der sich in Mattersburg nicht ganz durchgesetzt hat. Vielleicht kam die Bundesliga zu schnell für ihn. Er hat in Steyr eine gute Möglichkeit zu zeigen, was in ihm steckt. Wir freuen uns, dass wir beide von Mattersburg loseisen konnten, wobei ich da dem SVM ein Lob aussprechen möchte. Sie haben sich sehr fair verhalten und haben uns auch finanziell ein bisschen geholfen, damit wir das stemmen können.
Der dritte Neuzugang ist der Brasilianer Jackson. Was Scheiblehner zu diesem „Projekt“ zu sagen hat, kannst du in folgendem Text lesen:
LAOLA1: Insgesamt acht Spieler haben Steyr im Winter verlassen oder wurden verliehen. Musste man dem einen oder anderen sagen: "Wir haben uns das ein halbes Jahr angeschaut – es reicht leider nicht."?
Scheiblehner: Es ist menschlich oft nicht leicht, sich von Spielern zu trennen. Im Sommer war es eben das Thema: Wir wollten alle belohnen, dass sie die 2. Liga miterleben dürfen. Wir haben jedoch gesehen, dass wir nicht wirklich etwas davon haben – weder die Spieler, weil sie einfach nicht gespielt haben, noch wir als Verein. Nach einem halben Jahr haben auch die Spieler selbst erkannt, dass sich das einfach nicht ausgeht. Denn wenn du 100 Kilometer entfernt von Steyr bis 17 Uhr in einer Bank arbeitest, dann über eine Stunde zum Training fährst und hier fünf Mal in der Woche Training hast, wird es irgendwann einmal nicht mehr reichen – auch von der Regenerationszeit her. Wir haben gesehen, dass wir zwar öfter knapp dran waren, aber es hat dann letztendlich oft nicht gereicht. Man kann nicht immer alles auf fehlendes Glück schieben, sondern das hat auch andere Gründe. Dahingehend denke ich schon, dass wir zumindest versucht haben, gut zu reagieren.
LAOLA1: Kurzfristig ist natürlich der Klassenerhalt das vorrangige Ziel. Muss es in Steyr perspektivisch das Ziel sein, Schritt für Schritt immer mehr Profi-Fußball(er) zu implementieren?
Scheiblehner: Vorwärts Steyr soll einfach eine gute Rolle in der 2. Liga spielen. Natürlich wollen wir mehr Profis in die Mannschaft holen, weil es auch notwendig ist, um in der Liga zu bleiben. Aber: Vor allem wollen wir ein gesunder Verein bleiben, der wir jetzt seit zwei Jahren sind. Vorwärts Steyr war immer als hochverschuldeter Verein bekannt. Wir haben jetzt einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Wir setzen extrem auf den Nachwuchs, wollen in die Infrastruktur investieren, wollen in Steyr ein Trainingszentrum bauen, sind jetzt schon gute Spielgemeinschaften mit umliegenden Vereinen eingegangen. Wir wollen der Verein für die besten Nachwuchsspieler in der Region werden. Wir wollen eine Mannschaft haben, die interessant ist und die 2. Liga widerspiegelt. Denn das ist eine interessante Liga. Kurzum: Wir wollen uns einfach stetig weiterentwickeln.
"Wenn du nicht mehr ganz jung bist, sagen wir 23 oder 24 Jahre alt, und du bist immer noch Profi mit Kollektivvertrag in dieser Liga, dann glaube ich, dass es unseren Spielern besser geht, weil sie abgesichert sind und am Ende des Monats mehr rausschaut – und trotzdem können sie trainieren, spielen und diese Liga genießen. Dabei haben sie aber nicht die große Existenzangst wie vielleicht ein paar andere, die unbedingt im Profi-Fußball bleiben müssen."
LAOLA1: In der Mannschaft ist ein guter Spirit spürbar. Die Spieler verkaufen beispielsweise Lose, um bei der Finanzierung des Trainingslagers zu helfen. Besteht die Gefahr, dass dieser Spirit abnimmt, wenn mehr Profitum einkehrt?
Scheiblehner: Nein. Denn das ist eine Liga, die einfach wie geschaffen für unsere Mannschaft ist. Es ist ja nicht immer ein Nachteil, wenn du einen Job hast – ob das 20 oder 30 Stunden sind, ist nicht so wichtig. Es gibt viele Profis in dieser Liga, die nicht gut leben. Der Kollektivvertrag in dieser Liga ist nicht so hoch, dass du gut davon leben kannst. Für die meisten jungen Spieler ist es ein Sprungbrett. Aber wenn du nicht mehr ganz jung bist, sagen wir 23 oder 24 Jahre alt, und du bist immer noch Profi mit Kollektivvertrag in dieser Liga, dann glaube ich, dass es unseren Spielern besser geht, weil sie abgesichert sind und am Ende des Monats mehr rausschaut – und trotzdem können sie trainieren, spielen und diese Liga genießen. Dabei haben sie aber nicht die große Existenzangst wie vielleicht ein paar andere, die unbedingt im Profi-Fußball bleiben müssen. Unseren Burschen geht es gar nicht so schlecht, wie man vielleicht glaubt.
LAOLA1: Zumindest wenn sie sich im Brotberuf nicht verletzen wie Yusuf Efendioglu, der in seinem Job als Maurer einen Arbeitsunfall hatte.
Scheiblehner: Efendioglu ist schon ein besonderer Fall. Er arbeitet auf der Baustelle als Maurer. Das wird so in dieser Form wahrscheinlich auch nicht mehr lange funktionieren, weil er einfach nie eine Regenerationszeit hat. Er arbeitet von 7 bis 17 Uhr auf der Baustelle, kommt dann ins Training, er arbeitet auch an Samstagen und Sonntagen. Jetzt ist ihm eine Baumaschine mit 100 Kilogramm auf die Hüfte gefallen. Er hat eine starke Hüftprellung, die natürlich sehr schmerzt. Er hat lange davon gelebt, dass er Fußball als Ausgleich zu seinem schweren Job gesehen hat. Er hatte in der Regionalliga eine hervorragende Saison. In der 2. Liga tut er sich schwerer, weil die Gegner einfach genauso schnell oder schneller als er sind. Ich hoffe und wünsche ihm, dass er bald wieder fit wird und uns weiterhelfen kann.
"Mir taugt ja die SV Ried, und ich wünsche mir, dass die SV Ried aufsteigt. Denn das ist ein Verein, der in die Bundesliga gehört, schon lange dort war, super Erfolge gefeiert hat, ein super Fußball-Stadion und eine ganz gute Akademie hat."
LAOLA1: Der Frühjahrs-Auftakt steigt beim LAOLA1-Topspiel in Ried. Wie sind Ihre Erwartungen?
Scheiblehner: Mir taugt ja die SV Ried, und ich wünsche mir, dass die SV Ried aufsteigt. Denn das ist ein Verein, der in die Bundesliga gehört, schon lange dort war, super Erfolge gefeiert hat, ein super Fußball-Stadion und eine ganz gute Akademie hat. Trotzdem ist es unser Ziel, dass wir ihnen Punkte wegnehmen, weil es für uns egal ist, wo wir Punkte holen, wir brauchen jeden. Die Ausgangslage ist nicht so, dass sie der absolute Topfavorit sind, weil ich glaube, dass es schwer ist, im ersten Spiel, bei dem der Druck sehr hoch ist, gegen einen Außenseiter wie Vorwärts Steyr zu spielen und gleich zu funktionieren – auch wenn dort jetzt ein neuer Trainer arbeitet, der sicher viel umgedreht und Positives in die Mannschaft gebracht hat. Am Ende zählt es trotzdem auf dem Platz, und wir sind momentan ganz gut drauf.
LAOLA1: Steyr ist für Ried ein wichtiges Spiel, das Spiel des Frühjahrs für die Innviertler steigt jedoch fünf Tage später gegen die WSG Wattens. Besteht die Hoffnung, dass Ried bereits einen Schritt zu weit schaut?
Scheiblehner: Das glaube ich nicht. Ried weiß, dass sie sich überhaupt keinen Umfaller leisten dürfen – schon gar nicht zu Saisonbeginn, denn sonst kann es ganz schnell gehen und Wattens ist doch kein Topspiel mehr. Wenn sie gegen uns Punkte liegen lassen, kann es sein, dass die Meisterschaft schon in der ersten Frühjahrs-Runde eine erste Vorentscheidung erlebt – zumindest wenn Wattens in Lafnitz gewinnt, was schwierig wird, aber trotzdem möglich ist. Ried hat den Nachteil, dass sie in dieser Liga – anders als andere Vereine, die rauf wollen - sehr viele Derbys haben. Aber Ried wird uns sicher nicht unterschätzen, weil sie in der ersten Herbst-Runde gesehen haben, dass wir ganz gut gegen sie gespielt haben.
LAOLA1: Welchen Stellenwert hat dieses Derby generell? Wenn man den Support der Fans einrechnet, ist es wohl eines der Highlight-Spiele dieser Liga.
Scheiblehner: Ried hat tolle Fans. Vorwärts hat tolle Fans. Ich hoffe, dass man die paar wenigen, die das falsch auslegen, auch in den Griff bekommt, sodass es bei diesem Spiel keine Gewalt gibt. Denn das brauchen wir nicht! Jede Fangruppe soll ihren tollen Verein unterstützen. Ich hoffe auf 4000 bis 5000 Fans. Es ist eine Sonntags-Matinee, es ist also angerichtet. Ich hoffe, dass wir unseren Teil dazu beitragen, dass es wirklich ein Topspiel wird.
<<<2. Liga LIVE: SV Ried vs. Vorwärts Steyr - Sonntag, 24. Februar, 10:30 Uhr>>>