Die Nachrede, die Sinan Kurt in Deutschland hat, ist keine gute. Er habe sein Talent verschleudert, sagen sie über ihn.
Vor vier, fünf Jahren war der Blondschopf noch auf allen Listen zu finden, in denen die größten Hoffnungsträger des deutschen Fußballs vorgestellt wurden. Auch heute noch führt er Listen an, allerdings jene, in denen die am spektakulärsten gescheiterten Supertalente angeführt werden.
Im Sommer 2014 kämpfte der FC Bayern mit allen Mitteln darum, den Offensivspieler von Mönchengladbach loszueisen. Der Teenager hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein Profispiel in den Beinen, doch Lucien Favre hielt große Stücke auf ihn.
Mit Schweini, Lahm und Lewa
Die Münchner setzten sich im Gerangel um den Youngster letztlich durch, überwiesen drei Millionen Euro an die „Fohlen“. Im April 2015 feierte Kurt im Alter von 18 Jahren dann sein Bundesliga-Debüt. Pep Guardiola wechselte ihn gegen die Hertha ein, in der zweiten Hälfte stand er gemeinsam mit Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Robert Lewandowski am Rasen. Über 75.000 Fans sahen ihm in der Allianz Arena auf die Beine.
Nicht ganz vier Jahre später, Ende Februar 2019 wird Sinan Kurt wohl am Sportplatz Lafnitz zu sehen sein. Denn der mittlerweile 22-Jährige ist in die HPYBET 2. Liga zur WSG Wattens gewechselt.
Was dazwischen geschah, ist so etwas wie ein Lehrbeispiel dafür, dass man es nicht automatisch schafft, wenn man es kann, sondern, dass man es auch wollen muss, unbedingt.
Matthias Sammer, der den Youngster einst nach München gelotst hat, sagte im vergangenen September bei „Eurosport“ über Kurt: „Wenn die Qualität ohne die Mentalität gegeben war, ist es meistens nichts geworden.“
Bei Pep in Ungnade gefallen
Nach seinem ersten Auftritt für die Bayern hatte es den Anschein, als ob das Talent die Bodenhaftung verloren hätte. Im Sommer 2015 mietete er einen Helikopter, um sich von Cannes nach St. Tropez fliegen zu lassen. Die Bosse des FC Bayern fanden das nicht so toll.
Und auch um die Gunst Guardiolas war es bald geschehen. Der vielfache Nachwuchsteamspieler soll taktische Anweisungen des Star-Trainers regelmäßig missachtet haben, im November 2015 verbannten ihn die Münchner zur zweiten Mannschaft. Dort soll sich Trainer Heiko Vogel immer wieder über die Lustlosigkeit des Kickers beschwert haben.
Der begnadete Dribbler war auch in der zweiten Mannschaft nicht gesetzt, konnte in der Regionalliga praktisch nie Ausrufezeichen setzen. Im Jänner 2016 hatte der FC Bayern genug, verkaufte Kurt bereitwillig für 500.000 Euro nach Berlin.
Doch auch in der Hauptstadt fand der Linksfuß nie in die Spur. Insgesamt fünf Bundesliga-Minuten in zwei Spielen sowie eine Minute im Pokal im Herbst 2016 waren alles, was der Flügelspieler für die Hertha-Profis in seine Arbeitszeitaufzeichnung eintragen konnte.
Mit Übergewicht zum Trainingsstart
Im Sommer 2017 ärgerte sich Trainer Pal Dardai darüber, dass der Profi mit Übergewicht aus dem Sommerurlaub gekommen sei.
"Wir gehen jetzt in die dritte Saison mit Sinan – und es gibt immer wieder die gleichen Rückfälle"
„Ich bin mit Sinan unzufrieden, das weiß er auch selbst. Wir gehen jetzt in die dritte Saison mit Sinan – und es gibt immer wieder die gleichen Rückfälle. Ich verstehe nicht, warum ich ihm das immer wieder sagen muss. Ich habe ein Problem, wenn man junge Spieler immer wieder motivieren muss“, sagte der Coach der „Welt“.
Im vergangenen Sommer wollte der Offensivmann nach einer Saison in der zweiten Mannschaft der Berliner, wo er nicht sonderlich aufgefallen war, noch einmal angreifen, gab sich geläutert.
Schon wieder aussortiert
„Ich bin reifer und professioneller geworden. Meine Fitness ist auf einem Niveau wie noch nie“, erklärte er in der „Bild“. „Ich bin professioneller geworden, zum Beispiel was die Vor- und Nachbereitung des Trainings betrifft, ich achte mehr auf meinen Körper. Da habe ich zuletzt vieles dazugelernt. Auch die Ernährung habe ich etwas umgestellt, versuche beispielsweise häufiger auf Fleisch zu verzichten.“
Eine Woche später wurde Kurt bei den Profis wieder aussortiert. Er dürfe den Klub verlassen, wenn er ein Angebot vorliegen habe, das er annehmen wolle, hieß es. Doch er blieb. Und war bei den Amateuren weit entfernt von einem Stammplatz.
Jetzt hat das einstige Supertalent einen Ausweg gefunden. In Wattens kann der immer noch junge Kicker in einem neuen Umfeld beweisen, dass er das Zeug zum Profi hat.
WSG-Coach Thomas Silberberger drückt es so aus: „Das ist sowas wie die letzte Chance für ihn, zurück in den Fokus der Bundesliga zu gelangen.“