Das Stadtbild von Mattersburg prägen die Pfarrkirche, ein Hochhaus und das Viadukt.
Daneben hat sich ein Fußballklub einen Namen gemacht, der vor nicht allzu langer Zeit bedeutungslos war.
"Wir waren am Tiefpunkt in der 2. Liga Mitte, das ist die fünfthöchste Spielklasse. Und sogar dort waren wir im Niemandsland", erinnert sich Franz Lederer an das Jahr 1988.
Der Klub brauchte einen neuen Obmann. Martin Pucher, damals 32 Jahre alt, war bereit, die Geschicke zu übernehmen. "Der erste Ansatz war, die Nummer eins im Bezirk zu werden. Das war eigentlich schon unrealistisch, weil viele Mannschaften vor uns waren", so Lederer.
Am 10. Juli 2018 ist Pucher seit 30 Jahren Vereinsobmann und der SV Mattersburg ist längst nicht nur im Bezirk die Nummer eins. Der Klub geht in seine 14. Bundesliga-Saison.
"Heast, willst net helfen?"
Hans-Georg Deischler, heute Vizepräsident, stieß 1991 zu Puchers SVM. Man kannte sich "von früher" und machte schnell gemeinsame Sache.
"Irgendwann samma ins Gespräch gekommen und dann hat er g'sagt: Heast, willst net helfen? Sog i: Jo, heast. Ka Problem. Wenn du wieder a Sitzung machst, kannst mi nehmen. Uns so war's dann. Er hat ang'rufen und g'sagt: Du stehst auf meiner List'n. Kommst hin, wirst g'wählt", erinnert er sich im breiten Burgenländisch.
Mit Elan und Enthusiasmus habe der Bankier seine Mitstreiter sofort mitgerissen. Die Mannschaft um Franz Lederer dankte es ihm bereits wenige Monate nach Puchers Amtsantritt auf ihre Weise und beschenkte ihn mit einer lebenden Gans.
Die Gans im Karton
"Der 11. November ist bekanntlich Landesfeiertag. Daher haben wir die Idee gehabt, wir schenken unserem Obmann ein Gansl. Das ist ja traditionell im Burgenland und er hat an diesem Tag Namenstag. Also haben Hannes Reisner (heute Nachwuchsleiter, Anm.) und ich eins für ihn gefangen", schildert Lederer.
Pucher habe sich zunächst erschrocken, als die "Gretl", so der Name des Tieres, mit einer grünen Schleife um den Hals aus dem Karton schnatterte. Im Buch "Mein Burgenland" erzählt Pucher, dass er guten Gänsebraten schätzen würde. Dem ihm geschenkten Federvieh habe er den Watschelgang unters Schlachtmesser letztlich aber erspart.
"Er hat sich liebevoll um sie gekümmert und wir haben eine Riesenhetz gehabt", so Lederer über die burgenländische Brauchtumspflege im SVM-Vereinshaus.
Sportlich kehrte Mattersburg zunächst in die Landesliga und 1994 in die Regionalliga zurück - auch dank eines namhaften Neuzugangs. Peter Hannich, 27-facher ungarischer Nationalteamspieler, ließ seine Karriere im Burgenland ausklingen.
Neuzugang persönlich abgeholt
"Zur damaligen Zeit ein Riesentransfer. Pucher hat den Namen gehört und ist den Burschen mit dem Trainer persönlich in Ungarn holen gefahren. Dort hat er ihm erklärt, was er vorhat. Das ist die Qualität von ihm. Er redet nicht nur, er handelt", so Lederer.
"Ganz Österreich hat damals gesagt: Was wollt's mit dem? Der kann ja nimmer laufen!"
Ähnlich dürfte es sich bei weiteren Legionären abgespielt haben, die den Weg nach Mattersburg gefunden haben. Lederer hebt Goce Sedloski (2006-2010, "damals 100-facher mazedonischer Teamspieler") und Carsten Jancker (2006-2009) hervor: "Auch so ein Wagnis , das Pucher eingegangen ist. Ganz Österreich hat damals gesagt: Was wollt's mit dem? Der kann ja nimmer laufen! Trotzdem hat er noch drei Jahre lang wichtige Tore gemacht."
Von seinen Vorhaben ist der Obmann nur schwer abzubringen, wie auch Vize-Präsident Deischler weiß: "Er is' a Sturschädl. Wenn er sich was in den Kopf setzt, dann ist das so. Wenn du das nicht hast, komm'st nicht so weit." Dass diese Strategie allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt ist, hat etwa die Causa Onisiwo vor zwei Jahren gezeigt.
Im Nachwuchs hat Pucher den Klub in all seinen Jahren definitiv voran bringen können. Das Engagement gipfelte in der gemeinsam mit dem Land Burgenland und der Stadt Mattersburg errichteten Akademie im Jahr 2008.
Gesundheitlicher Rückschlag: "Er klopft uns immer noch auf die Finger"
Damals hatte der SVM noch gleich viele Zuschauer in Heimspielen wie Einwohner (7.315), nach dem Aufstieg in die Bundesliga lag das Team von Werner Gregoritsch mit 11.117 Besuchern sogar hinter Rapid in der Fan-Tabelle auf Platz zwei. 2017/18 kamen hingegen durchschnittlich nur rund 3.300 Zuschauer ins Pappelstadion.
Sind infrastrukturelle Maßnahmen nötig? "Darüber müssen wir reden, aber das ist eine Geldfrage. Der Verein alleine wird sich das nicht leisten können", meint Deischler. "Wir können die Zuschauer nur mit sportlichen Topleistungen zurückholen. Aber die Zuschauerproblematik ist eine Challenge für alle Klubs", sagt Lederer.
Auf den Einsatz seines Obmanns kann er sich weiterhin verlassen, auch wenn er vor drei Jahren einen schweren gesundheitlichen Rückschlag erlitt: "Er hat nicht mehr jene Präsenz im Tagesgeschäft, die er selbst gerne hätte. Dennoch ist er der Letzt-Entscheider und klopft uns auf die Finger, wenn es notwendig ist."
Dass der frühere Bundesliga-Präsident trotz körperlicher Schwächung nicht amtsmüde ist, zeigt die Verpflichtung von Ex-ÖFB-Teamgoalie Robert Almer als Tormanntrainer, die der heute 62-Jährige persönlich einfädelte.
Ein SVM ohne seinen Obmann? Für Deischler schwer vorstellbar: "Ich wüsste nicht, dass er aufhören wollte. Er hängt mit ganzem Herzen so am Klub, dass er nicht von einem Tag auf den anderen aufhören würde. Aber wir werden alle älter, irgendwann kommt die natürliche Auslese. Das steht aber auf einem anderen Blatt Papier."