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Klaus Schmidt: "Trainereffekt? Den gibt es nicht!"

Altachs "Feuerwehrmann" spricht im Interview über seine Rückkehr nach Altach, den Kampf um den Klassenerhalt und die Beziehung zu seinem oft schweren Job.

Klaus Schmidt: Foto: © GEPA

Gewisse Kontinuitäten prägen das Leben und auch den Fußball. Dass der Abstiegskampf in der Admiral Bundesliga scheinbar nicht ohne Klaus Schmidt stattfinden kann, ist eine davon.

Ihm selbst ist das gar nicht so recht. 2021 rettete der 55-jährige Steirer die Admira vor dem Abstieg, 2022 den TSV Hartberg. Dieses Kunststück soll er nun auch mit dem SCR Altach vollbringen. 

Der Cheftrainer der Vorarlberger hat sich vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen die SV Ried kommenden Samstag (ab 17:00 Uhr im LIVE-Ticker) Zeit genommen, um alle Fragen über den Abstiegskampf im Ländle und seine Person zu beantworten.

Das Interview findet in den Räumlichkeiten des Altacher Nachwuchs-Campus statt. Neben den neuen Tribünen und dem Trainings-Campus der Profis ist es eines der Infrastrukturprojekte, die von den Rheindörflern in den letzten Jahren angegangen wurden.

 

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LAOLA1: Klaus, wir sind hier im neuen Nachwuchs-Campus. Wie so vieles in Altach, hat es den noch nicht gegeben, als Sie 2018 das letzte Mal hier tätig waren. Wie sehr hat sich der SCR Altach in dieser Zeit verändert?

Klaus Schmidt: Die Infrastruktur hat sich natürlich an einen hohen Bundesliga-Status angeglichen. 2017, als ich gekommen bin, war das unterste Schublade in der Bundesliga. Da hat der damalige Sportdirektor Georg Zellhofer zu mir gesagt, dass er sich gar nicht traut, mir die Möglichkeiten zu zeigen, die geboten worden sind. Wir haben trotzdem super Erfolge im Europacup gehabt und auch im Herbst sehr gut gespielt. Aber Infrastruktur schießt im Endeffekt keine Tore. Die Leute, die hier den Verein tragen und versuchen, ihn mit innovativen Möglichkeiten nach vorne zu bringen, sind großteils dieselben. Es gelingt nicht immer, weil es trotzdem beschränkte Möglichkeiten sind, das muss man so sagen. Mit der Infrastruktur versucht man, aus diesem gut fundamentierten Haus den nächsten Schritt zu machen - der geht aber nur, wenn wir die Liga halten.

LAOLA1: Sie haben schon 2018 gemeint, dass es zwar toll ist, was in Altach alles entsteht - aber im Vergleich zur Vorsaison 2017 war der Kader schlechter aufgestellt. Die Kritik, die in den letzten Jahren auch immer wieder an Altach herangetragen wurde, ist ja, dass in den letzten Jahren in Steine - und nicht in Beine – investiert wurde. Ich höre heraus, dass Sie diese Kritik teilen.

Schmidt: Es war damals so, dass wir kurz vor dem Einzug in die Europa League gescheitert sind. Das hat ein bisschen Geld in den Verein gespült. Der eine oder andere Spieler wurde verkauft, was auch einige Euro in die Kassa gespült hat. Aus diesen beiden Einnahmequellen konnte der Trainings-Campus nicht unwesentlich mitfinanziert werden. Schon damals hat man diesen Satz geprägt: "Wir investieren in Steine und nicht in Beine." Ich habe das damals auch mitgetragen, das war okay, wir waren nie in Abstiegsgefahr. Jetzt stehen die Strukturen und wenn wir es heuer noch einmal schaffen, die Liga zu halten, dann hat man mit dieser Philosophie fünf weitere Jahre in der höchsten Spielklasse Österreichs überlebt. Und dann wäre jetzt aber mal höchste Zeit, in Beine zu investieren. Das ist jetzt die Sichtweise eines Trainers. Die Sichtweise von Vereinsverantwortlichen ist vielleicht anders, aber ich sehe das aus der Perspektive, dass man letztes Jahr unter Ludovic Magnin wirklich in der allerletzten Minute den Abstieg abwenden hat können und auch zuvor schon immer im Abstiegskampf war. Das sind Phasen, die an die Substanz gehen. Die, wenn es gut geht, den Verein zusammenschweißen. Aber es wäre für alle Beteiligten klasse, wenn man mal ein, zwei Jahre hat, wo das Wasser nicht bis über die Nasenflügel drüber steht.

2017 verpasste Schmidt mit Altach um Haaresbreite die Europa-League-Gruppenphase
Foto: © GEPA

LAOLA1: Bei Ihrem ersten Engagement in Altach sind Sie fast in der Europa-League-Gruppenphase gelandet, bei Tabellenplatz sieben hätte sich Ihr Vertrag automatisch verlängert - geworden ist es Platz acht, in Altach war dann Schluss. Das dürfte damals schon auch sehr enttäuschend für Sie gewesen sein.

Schmidt: Wir waren am Weg nach Europa - wenn das Spiel sieben, acht Minuten länger gedauert hätte, wäre Altach in der Europa League gewesen und der Verein hätte einen ganz anderen Weg gemacht. Aber so ist Fußball. Wenn man sich in dem Geschäft zu viel umdreht und sich fragt, wie enttäuscht, traurig und niedergeschlagen du damals warst, dann kommt man nicht weiter. Durch dieses Engagement habe ich sehr viel gelernt als Trainer, als Mensch, als Leader von so einer Gruppe. Ich habe in dem einen Jahr in Altach acht europäische Spiele gehabt, eine ganze Saison durchgearbeitet. Das war ein Jahr, in dem ich mich weiterentwickelt habe.

LAOLA1: Ich muss natürlich auf den Titel "Feuerwehrmann" ansprechen – ein Wort, das Sie vermutlich öfter hören, als Ihnen lieb ist. Aber es ist eine Schublade, in die Sie gesteckt werden. Und Sie meinen ja auch selbst: So ganz ungerechtfertigt ist das nicht.

Schmidt: Wenn ich die Frage zum 164. Mal gestellt bekomme, beantworte ich sie auch. Ich sehe mich als Fußballtrainer mit einer Qualität, die vielleicht nicht alle haben. In erster Linie geht es auch darum, den Mut zu haben, solche Dinge anzugreifen. Bis jetzt ist das ja immer gut gegangen. Andererseits geht's aber auch enorm an die Substanz. Man kann sich auf sowas nicht vorbereiten, man wird von einer Minute auf die andere - vor zwei Jahren bei der Admira, letztes Jahr in Hartberg, heuer in Altach - mit einer Situation konfrontiert, wo der Verein hinter den Erwartungen geblieben ist. Wo Spieler enttäuscht sind, wo die Fans nicht zufrieden sind und wo im Endeffekt auch Existenzen auf dem Spiel stehen. Das ist ein Druck, den ich mir jedes Mal aufbürde. Es scheint, als würde ich trotzdem dafür prädestiniert sein oder vielleicht auch einfach wahnsinnig genug sein, um solche Aufgaben immer wieder anzugreifen. Das ist immer ein Spiel mit dem Feuer. Jeder, der daran beteiligt war, mich nach Altach zu holen, setzt hohe Erwartungen in mich. Und es ist auch nicht so, dass ich mich hinstelle und sage: "Ja, das wird schon irgendwie funktionieren." Irgendwie funktioniert das nicht - sondern man muss Tag und Nacht dafür leben und alles versuchen. Und ich hoffe, dass es auch dieses Mal reicht.

"Meine Wunschvorstellung ist es nicht, dass ich die nächsten zehn Jahre von März bis Juni den Rock'n'Roller mache. Das wird sich auch bis ans Ende nicht ausgehen."

Klaus Schmidt, über die Engagements im Abstiegskampf

LAOLA1: Aber wirklich gewinnen können Sie dabei ja nichts. Wenn Sie die Klasse halten, sagt jeder: "Für das haben wir den ja geholt."

Schmidt: Stimmt. Aber wenn's klappt, kann's sein, dass es nächstes Jahr wieder jemanden gibt, der sagt: "Der Himmel brennt, hol ma den Klaus Schmidt." Mir hat auch jede dieser Stationen - ich mache das glaube ich zum achten Mal - einen unheimlichen Schatz mitgegeben. Ich durfte in ganz Österreich Leute kennenlernen, mit denen ich durch Extremsituationen gegangen bin, die mich auch dorthin getragen haben, dass wir es geschafft haben. Ich bin nicht der, der das realisiert - sondern der, der das begleitet. Die, die das wirklich schaffen, zu denen baut man eine gute Bindung auf. Und bei jeder dieser Stationen sind mir Leute geblieben, die ich heute als Freunde bezeichnen kann. Ich kann sagen: "Der Klaus Schmidt kann überall noch die Nase bei der Tür reinhalten und sagen: Da bin ich!". Und es wird höchstwahrscheinlich immer Leute geben, die sich freuen, wenn sie meine Nase sehen.

LAOLA1: Wenn Sie sagen: "Wenn's dieses Mal klappt, dann ruft vielleicht nächstes Jahr wieder jemand an." Das klingt nicht so, als ob Sie sich in der Rolle komplett unwohl fühlen.

Schmidt: Ich sehe es als eine zusätzliche Qualität, die ich habe. Wenn das funktioniert, ist es eine Backup-Situation in meinem Berufsleben. Aber meine Wunschvorstellung ist es nicht, dass ich die nächsten zehn Jahre von März bis Juni den Rock'n'Roller mache. Das wird sich auch bis ans Ende nicht ausgehen. Aber wie's ausschaut, ist das jetzt schon wieder zum Thema geworden. Obwohl ich nach dem ersten Anruf gedacht habe: "Na, ned scho wieder." Aber ich hab's dann doch wieder angegriffen.

LAOLA1: Ist das schon ein bisschen ein Zwang?

Schmidt: (lacht) Na, es ist kein Zwang, gar nicht. Es hätte die Liga auch ohne mich fünf Mannschaften an den Tag gebracht, die die Liga halten dürfen und eine, die runter muss. Da hätte der Klaus Schmidt nicht unbedingt dabei sein müssen. Bei der Bundesliga-Trainer-Konferenz vor zwei Wochen haben die Kollegen schon wieder gelacht, dass ich wieder da bin. Es scheint so, dass es sein müsste - aber es war von mir gar nicht herbeigesehnt.

Foto: © GEPA

LAOLA1: Haben Sie im Herbst schon im Hinterkopf, wer da im Frühjahr wieder anrufen könnte?

Schmidt: Im Herbst war mein größter Wunsch, mit Hartberg zu überwintern. Das war damals mein Ziel, daran habe ich gearbeitet - aber es ist nicht geglückt. Da war ich dann einen Monat am Grübeln und Reflektieren, um die Ursachen für diese Situation herauszufiltern. Und dann musste ich mich wieder neu aufstellen. Aber wenn du dann siehst, was in der Bundesliga passiert, kann's natürlich sein, dass du dir denkst, dass der eine oder andere Verein vielleicht mal anruft. Dass dann der Klub anruft, bei dem du schon mal warst, das ist ja auch nicht selbstverständlich.

LAOLA1: Wobei es auch nicht das erste Mal war (Anm.: Die Admira holte Schmidt für die Schlussphase der Saison 2020/21, nachdem er ein Jahr zuvor beurlaubt wurde).

Schmidt: Nein. Und deswegen passieren einem Klaus Schmidt halt auch Dinge, die anderen nicht passieren.

"Das sind Dinge, die kriegt man im echten Leben ganz schwer. Wer sowas lebt, dafür brennt, wer sowas schon einmal erlebt hat, der kommt davon schwer weg. Das ist nicht gesund, das weiß ich. Aber es scheint so, als würde ich es brauchen."

Klaus Schmidt, über das Besondere am Trainerdasein

LAOLA1: Klaus Schmidt - gibt es einen Trainereffekt?

Schmidt: Nein, den gibt es nicht. Jeder Vereinsverantwortliche erhofft sich sowas. Es gibt sicher einen Impuls. Die Mannschaft sieht ein neues Gesicht, kriegt neue Ansprachen. Aber auf Sicht gibt's keinen Trainereffekt. Wenn man meine Stationen sieht: Es ändern sich vielleicht zwei, drei Positionen im Vergleich zum vorherigen Trainer, aber am Ende nicht wirklich viel. Es kommt auch auf's Momentum drauf an und auf die eine oder andere Spielsituation. Wenn da ein bisschen Glück dabei ist, kannst du das als Trainereffekt verkaufen. Aber in Wahrheit glaube ich nicht daran.

LAOLA1: Es heißt ja immer, im Abstiegskampf braucht es Spieler mit besonderen Qualitäten. Wie schaut denn der perfekte Feuerwehrmann-Spieler aus?

Schmidt: Ich glaube nicht, dass es am Spieler selbst liegt. Ein Spieler allein kann kein Feuerwehrmann sein. Da geht es um die Gruppe, die im Bus sitzt - oder halt im Feuerwehrauto. Die muss wissen, welche Tugenden man als Team braucht, damit man das Haus löschen kann. Wenn einer reinrennt und versucht, Leute rauszuholen, brennt das Haus trotzdem noch nieder. Je mehr Leute im Feuerwehrauto drinsitzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die größte Katastrophe verhindert. Ich muss 22, 23 Leute haben, von denen jeder zu jeder Zeit bereit ist, jeden Job zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es drei Feuerwehrmännern nicht gelingen würde, ein brennendes Hochhaus zu retten. Da braucht es eine ganze Gruppe und die muss funktionieren.

"Wenn einer reinrennt und versucht, Leute rauszuholen, brennt das Haus trotzdem noch nieder. Je mehr Leute im Feuerwehrauto drinsitzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die größte Katastrophe verhindert."

"Feuerwehrmann" Klaus Schmidt, über den Klassenerhalt

LAOLA1: Im Interview mit dem "Kurier" haben Sie gesagt, Sie reden nicht gern vom Abstiegskampf, sondern von einem "Klassenerhaltskampf" - um den Druck wegzunehmen. In einer Welt, in der Leute im Stadion sind, Social Media existiert, die Presse da ist - so wirklich funktionieren wird das nicht, oder?

Schmidt: Es ist sowieso Druck genug dabei, aber man kann versuchen, den Druck von außen bestmöglich wegzuhalten. Auch in dieser Gruppe, die liefern muss, muss eine gewisse Leichtigkeit und Normalität herrschen. Und wenn ich bei meiner Antrittsrede sag: "Ja, wir stecken mitten im Abstiegskampf." Und am nächsten Tag vor dem Training sage: "Wenn wir so weitertrainieren, dann steigen wir ab", dann wächst der Druck noch mehr. 

LAOLA1: Sie haben auch gemeint, Sie werden in den verbleibenden Wochen komplett unter Strom stehen; schlecht und wenig schlafen, permanent mit der Arbeit beschäftigt sein. Das klingt ja furchtbar. Wieso tut man sich das an? 

Schmidt: Ich habe mich in einem Interview mal weit rausgelehnt und gesagt, das ist, wie wenn man Drogen nimmt. Habe ich Gott sei Dank noch nie gemacht, aber so stelle ich es mir vor. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, vor einer Mannschaft zu stehen und ein Training zu machen. Noch besonderer ist es, am Samstag um 16:30 in eine Kabine zu gehen, wo sich eine Mannschaft auf ein Bundesliga-Spiel vorbereitet. Und noch viel besonderer ist, wenn es um 17:00 Uhr losgeht. Und das ganz besonderste ist, wenn man nach Hause geht und so ein Spiel gewonnen hat. Das sind Dinge, die kriegt man im echten Leben ganz schwer. Wer sowas lebt, dafür brennt, wer sowas schon einmal erlebt hat, der kommt davon schwer weg. Das ist nicht gesund, das weiß ich. Aber es scheint so, als würde ich es brauchen. Man kann das nur runterbrechen und sagen: Das ist wie bei jemandem, der davon abhängig ist. Abhängigkeit ist jetzt kein positiv besetztes Wort. Aber wenn ich es nicht hab, dann fehlt mir was. Ich habe immer wieder Zeiten, in denen ich keinen Job habe. Und da weiß ich ganz genau, dass mir eines abgeht: Auf einem Fußballplatz zu stehen.

LAOLA1: Und trotzdem klingt es nicht so, als ob Sie den Job mit etwas verbinden würden, was andere unter „Spaß“ verstehen.

Schmidt: In so einer Situation ist man hochemotional. Natürlich gibt es auch Phasen, wo ein gewisser Rhythmus vorhanden ist, der Spaß macht und eine gewisse Normalität ins Leben bringt. Das, was ich von mir gebe - das sind die Spitzen, die emotionalen Momente, die dich begleiten. Wenn man so eine Laufbahn irgendwann mal Revue passieren lässt, dann erinnert man sich viel mehr an diese Spitzen. An das, was im Leben normal ist, erinnert man sich ja nicht. Und zum Glück erinnert man sich auch an die positiven Dinge besser als an die negativen Dinge. Diese emotionalen Sachen passieren halt in einem Stadion vor mehreren Tausend Zuschauern. Wo eine Mannschaft etwas erreichen will und sich mit Händen und Füßen dafür aufopfert, ein Ziel zu erreichen. Das sind Dinge, die machen nicht immer Spaß. Aber es macht schon Spaß, wenn man auf den Platz rausgeht, ein Training macht, zufrieden wieder runtergeht. Wenn die Mannschaft versucht hat, das umzusetzen, was wir als Trainerteam von ihr wollen. Das macht Spaß. Zu gewinnen ist etwas ganz Einzigartiges, das man nicht als Spaß bezeichnen kann. Aber zu verlieren, kann man mit traurig sein auch nicht vergleichen. Es sind Wellentäler da - und der Spaß ist mittendrin.

Klaus Schmidt bei der Antritts-Pressekonferenz seiner zweiten Altach-Amtszeit - rechts Assistent Joachim Standfest
Foto: © GEPA

LAOLA1: Sie haben den Abstiegskampf mal als Messerstecherei bezeichnet. Man könnte sagen, durch die Bundesliga-Reform ist diese noch brutaler geworden. Hat man sich da wirklich etwas Gutes damit getan?

Schmidt: Das muss man immer aus zwei Positionen sehen. Den Konsumenten vor dem Fernseher und in den Stadien - hat man ohne Frage etwas Gutes getan. Das Publikum will unterhalten werden. Will, dass jedes Spiel Spannung hat, dass es in jedem Spiel um sehr viel geht. Und das ist mit dieser Punkteteilung wunderbar gelungen. Und dann gibt es eine Minderheit, das sind pro Verein 50-60 Leute, die durch dunkle Täler gehen müssen - und denen hat man nichts Gutes getan damit. Denen hat man drei Monate Stress beschert. Wenn man das relativiert, sagt, dass in jedem Stadion zwischen 2000 und 5000 Leute sind - hochgerechnet je sechs Spiele in zehn Runden sind das dann vielleicht 150.000 Zuschauern - denen hat man eine Freude gemacht. Und 300 andere Leute kämpfen um den Klassenerhalt, mit allen Strapazen. Das kann man in Relation stellen und sagen, dass man sich auf alle Fälle etwas Gutes getan hat. Aber ich bin halt meistens nicht auf der Seite von den 150.000 (lacht).

LAOLA1: Sie sagen, dass Ihre Authentizität Ihre größte Stärke ist. Wird Ihnen diese Authentizität nicht auch zum Verhängnis?

Schmidt: Ja, auf alle Fälle. Ich bin ein Mensch, der wahrscheinlich sehr leicht zu durchschauen ist, der sein Herz auf der Zunge trägt. Den man auch gerne interviewt, weil er halt auch oft mal etwas sagt, was ihm zwei Minuten später leidtut. Ich bin ein Mensch, von dem weiß man, was man kriegt. Nach einem Vorstellungsgespräch, weiß man, was man von mir erwarten kann, was man bekommt. Wenn ich in eine Kabine reingehe, weiß die Mannschaft 20 Minuten später, mit wem sie es zu tun hat. Wenn das gut ankommt, kriege ich den Job und erwische die Mannschaft so, dass sie mitzieht. Wenn das nicht funktioniert, dann geht's nicht. Diese Authentizität braucht man aber trotzdem, um Leistung zu bringen. Wenn ich anfange mich zu verstellen, kann ich nicht verkaufen, was ich auch von der Mannschaft will: Ehrlichkeit und Geradlinigkeit. Dass meine Charakterzüge nicht immer dienlich für eine Karriere sind, ist mir schon klar.

LAOLA1: Sie haben eine Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht. Haben Sie es denn jemals bereut, dass Sie nicht Physio bei Bayern München geworden sind, was ja mal Ihr Berufswunsch war? 

Schmidt: Ja, natürlich. Wenn man daheimsitzt, mehrere Monate keinen Job hat und sich denkt, dass ich eigentlich eine super Ausbildung genossen habe, alle Möglichkeiten gehabt habe, in der Berufssparte Physiotherapie Fuß zu fassen. Zu der Zeit, als ich mich in den Beruf reingearbeitet hab, hat's noch nicht viele Leute mit der Ausbildung gegeben. Es wäre sicher die Möglichkeit gewesen, mich beruflich so aufzustellen, dass ich heute ein gemachter Mann bin. Dass ich eine Praxis habe, wo ich wahrscheinlich zehn Mitarbeiter gehabt hätte. Wo wahrscheinlich heute die halbe Fußball-Bundesliga ein und aus gehen würde. Da kann man sich zusammenrechnen, dass das auch eine stressfreiere Sache gewesen wäre, finanziell wahrscheinlich einträglicher. Aber es scheint so, dass ich das einfach nicht bin. Es scheint so, dass mein Weg in eine andere Richtung gehen hat sollen. Ich bin mittlerweile 25 Jahre im Profifußball tätig und kann sagen: Ja, es war auch eine schöne Zeit. Aber es wäre chilliger gewesen, den anderen Weg zu gehen. Aber was früher war, kann man nicht mehr ändern. Irgendwann hat's geheißen: "Willst du lieber Trainer oder Therapeut sein?" Und dann bin ich statt rechts links gegangen. Dem jetzt nachzutrauern ist Schall und Rauch.

"Ich weiß, wie wichtig Konstanz und Stabilität im Leben sind. Deswegen bringen mich solche Dinge wie bei der Admira oder auch in Hartberg das ein oder andere Mal aus der Balance. Deswegen bin ich froh, dass ich zu Hause so eine Stabilität habe."

Klaus Schmidt, über mangelnde Kontinuität im Beruf

LAOLA1: In einem Interview auf LAOLA1.at (Klaus Schmidt: Der Trainerjob ist für Freaks only >>>) haben Sie im April 2022 gemeint, ein bisschen mehr Stabilität im Trainerdasein wäre schon wünschenswert. Rund ein halbes Jahr später war in Hartberg Schluss. Jetzt sind Sie in Altach wieder nur bis Saisonende unter Vertrag. Wie erklären Sie sich, dass es langfristig - zumindest aktuell - nicht sein soll?

Schmidt: Ich bin in erster Linie stolz darauf, dass ich eine familiäre Stabilität habe. Dass ich eine Frau habe, die den ganzen Wahnsinn seit 25 Jahren mitmacht. Die eigentlich der große Ruhepol in meinem Leben ist. Diese Stabilität genieße ich auch extrem. Wenn man sowas hat, sehnt man sich danach, dass es auch im Berufsleben so ist. Vielleicht kommt das ja noch - ich bin ja nicht am Ende. Ich wünsche mir nach wie vor, dass es mal einen Verein gibt, der sagt: "Okay, wir gehen mit dem Klaus Schmidt auch mal durch finstere Täler." Wo man halt am Ende trotzdem noch ein Licht sieht. Das ist ein großer Wunsch von mir - weil ich von meiner Persönlichkeit gar nicht so bin, dass ich Dinge annehme und zwei Wochen später wieder als unnötig empfinde. Ich weiß, wie wichtig Konstanz und Stabilität im Leben sind. Deswegen bringen mich solche Dinge wie bei der Admira oder auch in Hartberg das eine oder andere Mal aus der Balance. Deswegen bin ich froh, dass ich zu Hause so eine Stabilität habe, dass ich weiß, dass alle hinter meinem ganz normalen Wahnsinn stehen.

LAOLA1: Aber der Trainerberuf ist schon sehr undankbar, oder? Als Held geht man selten.

Schmidt: Es gibt immer eine Heldenverehrung im Fußball. Da gibt es die Pep Guardiolas, die Arsene Wengers - und dann sind wir auch schon bald fertig. Fast alle Trainer, die das beruflich machen, gehen irgendwann als Verlierer vom Platz. Das sind auch solche, die immer wieder aufstehen. Ich bin einer davon, der immer wieder Land sieht. Es gibt immer wieder Zeiten, Situationen, wo sich Leute an einen Klaus Schmidt erinnern. Es gehört zum Beruf dazu - die Frage ist nur, wie lange man das aushalten kann. Deshalb ist es eben auch wichtig, immer wieder Erfolge zu verzeichnen. Auf welcher Ebene auch immer: Ob man die Champions League gewinnt oder mit dem SCR Altach die Klasse hält.

Klaus Schmidt bei seiner Rückkehr nach Hartberg am Wochenende
Foto: © GEPA

LAOLA1: Vor einer Woche war das Derby gegen Lustenau, am Wochenende das Spiel in Hartberg (Klaus Schmidts sentimentale Rückkehr nach Hartberg >>>). Sie sagen selbst, ein bisschen besonders ist das schon gegen den Ex-Klub, aber wollen das nicht überdramatisieren. Ihr Kapitän, Lukas Jäger, hat nach der Derby-Niederlage gemeint: "Scheißegal, dass es ein Derby war, wir haben keine Punkte geholt." Ist das alles im Abstiegskampf wirklich so simpel?

Schmidt: Ja, as simple as that. Es ist einfach so, dass wir am 2. Juni die Klasse halten wollen. Ob wir die Punkte in Wolfsberg, Hartberg, Ried oder daheim gegen Lustenau machen, ist unwichtig. Die Punkte, die wir in Lustenau gemacht hätten, wären uns verdammt gut zu Gesicht gestanden. Das sind Punkte, die kann man nicht mehr zurückholen. Das tut weh. Dass natürlich Leute im Stadion sind, für die das Spiel ganz besonders wichtig ist, ist auch gut so. Aber es sind sowieso schon so viele Emotionen dabei, dass so ein Derby zusätzlich einen Push gibt, der nicht gut ist. Natürlich hätten wir das gut verwenden können am nächsten Tag, aber wenn wir das so aufheizen, hätte es noch dreimal mehr wehgetan, wir dann ohne Punkte heimfahren. Deswegen wollte ich auch nicht, dass das Spiel am Samstag großartig für mich hochstilisiert wird. Der Markus Schopp wird das auch nicht aufheizen und sagen: Ihr spielt gegen euren Ex-Trainer. Der will auch die Liga halten - und im Prinzip ist ihm das gleich egal wie mir.

LAOLA1: Was muss passieren, dass Sie sich am 2. Juni auf die Schulter klopfen und sagen: "Okay, die Saison war gut." Braucht's da noch mehr als den Klassenerhalt?

Schmidt: Nix. Es geht um nichts anderes. Und wenn uns jetzt noch sieben Unentschieden dahin bringen, kann man immer noch sagen, der Klaus Schmidt hat ein Spiel gewonnen. Das ist jetzt egal. Es geht darum, dass der Verein sich weiterentwickeln kann, dass es nächstes Jahr weitere Verstärkungen im Kader gibt. Ein Schritt in die andere Richtung würde den Verein sicher um einige Zeit zurückwerfen. Darum geht es - und um sonst nichts. 

LAOLA1: Dem "Kurier" zufolge soll es für Sie ja nach Ende der Saison nach England gehen - als Assistent von Adi Hütter.

Schmidt: Das ist alles reine Spekulation. Ich habe in Altach eine Mission zu erfüllen - das ist, die Klasse zu halten. Nichts anderes interessiert mich aktuell.




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