Ein Derby ist für einen Spieler der beiden Wiener Erzrivalen Austria und Rapid noch immer etwas ganz Spezielles.
"Unglaublich, man merkt schon den ganzen Tag, dass eine andere Stimmung herrscht, dass beide Fan-Gruppierungen richtig heiß sind. Da geht es um alles und beide Teams schenken sich keinen Zentimeter. Das ist richtig geil und ich hoffe, das werde ich noch öfter erleben", strahlte Benedikt Pichler nach dem 2:2 im Allianz-Stadion vor dem LAOLA1-Mikrofon.
Der 22-Jährige steht sinnbildlich für den leichten Aufschwung bei den Veilchen in den vergangenen Wochen. Bundesliga-Debüt in der Schlussphase gegen die Admira mit zwei vergebenen Großchancen, beim Startelf-Debüt gegen Hartberg beim 5:0 an vier Toren beteiligt und nun sein erstes Derby-Tor - die vergangenen Wochen verliefen für den offensiven Außenbahnspieler wie im Traum.
Auch Manprit Sarkaria ist in diesem Atemzug zu nennen. Der 23-jährige Gegenpart von Pichler auf der anderen Seite erzielte sein erstes Bundesliga-Tor und bereitete den Treffer von Pichler auch noch vor. "Das ist ein schönes Gefühl, ich werde den Moment nie vergessen."
Doch beide stellen unisono klar: "Aber es wäre mir lieber gewesen, wir hätten gewonnen."
Pichler: "Ein unglaublicher Start ins Derby"
Zeit, sich an die eigenen Gesetze im Wiener Derby zu gewöhnen, gab es für beide Startelf-Derby-Debütanten (Anm.: Sarkaria kam im Oktober 2017 bereits 14 Minuten gegen Rapid zum Einsatz) nicht, denn nach vier Minuten stand es in einer turbulenten Anfangsphase bereits 1:1.
"Ein unglaublicher Start ins Derby!", war Pichler, der bis Oktober noch bei den Young Violets, vergangenes Jahr für Austria Klagenfurt in der HPYBET 2. Liga und vor zwei Jahren in der Regionalliga für Grödig spielte und im Sommer nur einmal in der Europa-League-Quali gegen Limassol bei den FAK-Profis schnuppern durfte, überwältigt.
Blindes Verständnis zwischen den "Young Violets"
Schon bei den Young Violets funktionierte das Gespann Pichler-Sarkaria prächtig, gegen Hartberg und Rapid klappte das Zusammenspiel dann auch in der Bundesliga. Pichler beschreibt sein Tor ausdrücklich mit lobenden Worten für seinen Offensiv-Partner.
"Wie so oft zieht Mani in die Mitte. Ich weiß eigentlich mittlerweile schon, dass er ihn nach innen bringen wird, spekuliere auf den Ball und er kommt wieder – dann muss ich ihn eh machen", gesteht der Salzburger nach dem Flugkopfball-Treffer, bei dem er völlig frei vor Rapid-Torhüter Richard Strebinger zum Abschluss kam.
"Die letzten Spiele und die letzten Tore sind eigentlich ähnlich gewesen. Es war meistens eine Flanke vom Mani nach innen und die sind richtig schwierig zum Verteidigen. Ich weiß halt auch, wo ich dann hingehen muss, weil die Flanken sind meistens gleich gekommen. Von dem her denke ich: Das passt gut!"
Sarkaria und Pichler - ähnlich unkonventioneller Weg
Sarkaria selbst hatte das Rapid-Stadion früh in der Partie mit dem 1:0 zum Schweigen gebracht - kurzzeitig zumindest. "Monschi (Anm.: Monschein) hat mir den Pass rübergespielt und dann habe ich ein Eins-gegen-Eins gegen Strebinger gehabt, da habe ich ihn schön überlupft. Es ist ein schönes Gefühl, ein Tor zu schießen vor so einer großen Kulisse", schwärmte der Torschütze.
Der allerdings auch mit der Tatsache haderte, dass er das zwischenzeitliche 3:1 auf dem Fuß hatte, welches die Partie in andere Bahnen lenken hätte können. "Ich habe mir den Ball ein bisschen zu weit vorgelegt und hatte dann zwei Gedanken - ob ich ihn wieder überlupfe oder schieße. Den hat er gut gehalten", lobt er die Parade, bei der Strebinger den Ball gerade noch mit den Fingerspitzen über die Latte drehte.
Nicht nur der momentane Erfolgslauf der beiden Shootingstars verläuft in ähnlichen Bahnen, auch der bisherige Werdegang ist ähnlich unkonventionell - wenn auch mit leichten Unterschieden. Während Sarkaria nach seinen Anfängen bei Donaufeld und Großfeld zumindest ein Jahr in der Austria-Akademie verbrachte, hat es Pichler völlig ohne die Hilfe einer "Fußballschule" geschafft.
Keine Akademie, kein Problem: "Vieles muss man sich selber erarbeiten und beibringen"
So spielte er in der Jugend von USK Gneis, Anif und arbeitete sich ohne akademische Fußball-Ausbildung über Grödig ins Profi-Geschäft. Zwar ist er mit 22 Jahren nicht mehr der Jüngste, der den Durchbruch schafft, in den vergangenen zwei Jahren ist es jedoch rasant nach oben gegangen.
"So wie es jetzt für mich gelaufen ist, sehe ich es natürlich als Vorteil, weil ich nicht sagen kann, wie es gelaufen wäre, wenn ich einer Akademie gewesen wäre. Aber ich habe mir meinen Weg so geebnet, habe immer Gas gegeben und vielleicht ist das in der einen oder anderen Situation auch ein Vorteil", nimmt Pichler zu seinem Werdegang Stellung und sieht es nicht als Nachteil, anders ausgebildet worden zu sein.
Im Gegenteil. Näher darauf angesprochen, glaubt der Mittelfeld-Akteur durchaus daran, dass sich die Lehren dieser Zeit positiv auf seine Karriere auswirken können. "Man muss sicher sehr ehrgeizig und richtig geduldig sein. Es geht vielleicht der eine oder andere Schritt ein bisschen langsamer, Vieles muss man sich selber erarbeiten und beibringen. Aber so taugt es mir und so geht es hoffentlich weiter", blickt Pichler auf seinen Aufstieg zurück.
Geschafft hat er es trotzdem noch nicht, es sind erst seine ersten Schritt im Profi-Geschäft - auch wenn er schon Fußstapfen hinterlassen hat. Allerdings weiß Pichler, dass er nur mit harter Arbeit auch auf diesem Weg verweilen kann. "Ich muss das jetzt jeden Spieltag beweisen, damit ich auch genauso weiterspiele und weiter in der Mannschaft drin bleibe. Ich hoffe es und werde alles geben."