Einer der besten Torhüter dieser Bundesliga-Saison spielt beim spusu SKN St. Pölten - und das wird auch so bleiben.
Nach den wilden Gerüchten um einen Wechsel zum SK Rapid verlängerte Christoph Riegler seinen 2020 auslaufenden Vertrag bei den Wölfen vorzeitig bis 2022. Sollte doch noch ein Verein sich seine Leistungen sichern wollen, müsste er nun tief in die Tasche greifen und den 27-Jährigen überzeugen. Denn eine angeblich erneut verankerte Ausstiegsklausel würde einen Transfer weiterhin möglich machen.
Doch der Keeper ist dem SKN sehr verbunden, gehört seit 2010 den Profis an und hat dem Klub viel zu verdanken. Der Klub hielt auch an Riegler fest, als dieser alles andere als unfehlbar war, nach fatalen Patzern in der Kritik stand und hinterfragt wurde.
Umso erstaunlicher ist die Entwicklung in dieser Saison. Von Zero zum Hero, vom No-Name zur umgarnten Personalie, vom umstrittenen Keeper zu einem der besten der Bundesliga. Beim LAOLA1-Interview im Zuge des Besuchs in St. Pölten führt Riegler die Leistungsexplosion auf zwei Gründe zurück.
"Das ist Jürgen Macho (Anm.: Tormanntrainer) und das bin ich selber, der wirklich eine sehr harte Zeit durchgemacht hat, wo mir schon einige die Qualität als Bundesliga-Torhüter abgesprochen haben. Das hat mich einfach extrem gestärkt, dass ich mich wirklich aus dem Loch rausgerissen habe, mich nicht fallen habe lassen und nie aufgegeben habe."
Der Perfektionist profitierte vom Misserfolg
Der Wandel ist erstaunlich. Mit LASK-Torhüter Alexander Schlager (13 Mal) spielte nur ein einziger Bundesliga-Keeper in dieser Saison öfter zu Null als der Oberleitwolf der St. Pöltner (11 Mal).
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Nachgehakt wurde zu allererst bei den Veränderungen, die Riegler selbst vollzogen hat. Denn nach intensiver Arbeit hat der Niederösterreicher selbst ein Level erreicht, mit dem er zufrieden ist und auf Basis dessen er nun die nächsten Schritte und detaillierte Arbeit folgen lässt.
"Ich war schon immer ein akribischer Arbeiter, ich war ziemlich selbstkritisch, immer ein Perfektionist. Durch den Misserfolg habe ich einfach gelernt, dass ich mich über Sachen, die passiert sind, nicht mehr so ärgere, weil ich sie nicht mehr ändern kann. Vor allem als Torhüter ist es wichtig, dass man immer nach vorne schaut. Wenn ein Fehler passiert, musst du trotzdem das Spiel zu Ende bringen. Wie es sich alle von dir erwarten und wie man es auch selbst von sich erwartet. Das hat mich ziemlich gestärkt", beschreibt Riegler sein Erfolgsrezept.
Es war lange Zeit eine Pleiten-, Pech- und Pannenshow, wie der 1,87 Meter große Schlussmann zugibt. Zu eigenen Fehlern gesellte sich in den letzten Jahren der Kampf um den Klassenerhalt, in dem man kaum glänzen konnte. Die Relegation im Vorjahr gegen Wr. Neustadt beschreibt Riegler etwa "als ganz eigenes Kapitel, das war wirklich sehr anstrengend für den Kopf." Im Nachhinein war es eine Erfahrung, die ihn stärker machte.
"Die schönsten Bälle sind die, wo man nicht weiß, wie man sie gehalten hat"
Auch diese Saison war Balsam für die SKN-Seele. Ein phänomenaler Herbst, die Qualifikation für die Meister-Gruppe, am Ende Platz sechs. Eine Erfolgsserie, die auch für den Torhüter vieles einfacher machte.
"Natürlich ist das Selbstvertrauen gestärkt, wenn du nicht Woche für Woche Spiele verlierst sondern gewinnst, einfach Punkte holst. Das stärkt einen in seiner Persönlichkeit, das spiegelt sich am Platz wider. Ich denke nicht mehr so viel nach, habe nicht mehr Ängste davor, dass ich irgendeinen Fehler machen könnte."
Dabei wuchs Riegler mehrmals über sich hinaus. Das Selbstvertrauen und die Kompromisslosigkeit beflügelten den Keeper selbst, einige Top-Paraden bleiben in Errinnerung.
"Die schönsten Bälle als Torhüter sind die, wo man nicht weiß, wie man sie gehalten hat. Da sieht man, dass Instinkt oder Spielverständnis darüber entscheidet, ob man einen Ball hält oder nicht. Und es waren halt einige Paraden heuer dabei, die wirklich sehr gut waren. Ich will mich nicht selbst loben, aber da waren wirklich schon Bälle dabei, die ich im Training gehalten habe. Jetzt habe ich es endlich geschafft, dass ich es auch im Wettkampf rüberbringe", glänzen die Augen des SKN-Urgesteins.
Das Entschärfen sogenannter "unhaltbarer Bälle" sei nicht ganz unerklärlich sondern die eingefahrene Ernte und der Lohn für das erfolgreiche Verbesserungsprogramm. "Man arbeitet wirklich täglich daran, dass man solche Bälle hält. Es ist natürlich umso schöner, wenn das dann im Spiel auch klappt."
"Bin Jürgen Macho unendlich dankbar, dass er mich in die Spur gebracht hat"
Der zweite Grund, den Riegler selbst nennt, ist Tormann-Trainer Jürgen Macho. Der 26-fache ÖFB-Teamtorhüter, als Aktiver bei Rapid und im Ausland bei Chelsea, Sunderland oder Kaiserslautern erfolgreich, übernahm im Sommer und bewirkte bei seiner ersten Profi-Station als Coach gleich Wunder.
"Jürgen Macho hat wirklich einen sehr großen Anteil an den Leistungen, die ich in der Saison schon geboten habe. Ich bin ihm einfach unendlich dankbar, dass er mich wieder so in die Spur gebracht hat, wie ich mich selber gerne sehen würde. Er hat mich wieder auf den richtigen Weg gebracht", lobt Riegler das Top-Verhältnis zum Ex-Goalie, der sich selbst als Rieglers schärfsten Kritiker sieht.
Wie Macho es schaffte, Riegler binnen kürzerster Zeit zu einem Top-Goalie zu formen, verriet er auf Nachfrage von LAOLA1: "Als ich meine Arbeit im Sommer begonnen habe, habe ich sehr viele Gespräche mit ihm geführt, um festzustellen, warum er in der Vergangenheit diese Aussetzer und Formschwankungen hatte. Dann probiert man einen Plan festzulegen, den zu verfolgen und ihm dabei zu helfen. Ich war lange unterwegs und weiß, wovon ich rede. Das hat sich über die Zeit gut entwickelt, er hat das auch angenommen. Man muss sich immer aufs Neue beweisen. Es geht nur über die harte Arbeit, das Endprodukt sieht man jetzt."
Der 41-jährige Wiener betont, wie viel Riegler selbst investiert hat. Von der Vorbereitung an sei er von Tag zu Tag besser geworden, habe eine Brust gekriegt, was ihm einiges erleichtert hat. Es sei ein ständiger Austausch entstanden, ein respektvolles Miteinander.
Macho über Arbeit mit Riegler: "Ich bin knallhart"
Die persönliche Komponente spielt für Macho eine entscheidende Rolle. "Für mich ist es wichtig, dass man einen Zugang zu den Torleuten hat, auch versteht, was in den Menschen vorgeht, nicht nur auf dem grünen Rasen. Es ist sind so viele Aspekte auch nebenbei wichtig", verrät der Tormann-Coach.
Trotz Ehrgeiz und Siegergen findet Macho viele lobende Worte. "Ich bin knallhart, wenn etwas nicht funktioniert, aber ich bin auch der Lobende, wenn was gut ist. Das hat eigentlich vom ersten Tag an sehr gut funktioniert. Mit 'Riegs' ist dieser ständige Austausch wichtig. Er nimmt viele Sachen auf, versucht viel umzusetzen. Ich glaube, es ist eine sehr gute Zusammenarbeit und im Endeffekt lügen Zahlen und Fakten nicht. Diese Saison hat er schon sehr, sehr gute Leistungen gezeigt."
Riegler selbst will seine Tormanntrainer nicht vergleichen, bestätigt aber schon, dass Macho andere Methoden hat, einen akribischen Plan, wann was genau gefordert ist. "Er ist ein sehr direkter Mensch, sagt was gut war, aber auch wenn etwas nicht gut war. Das ist eine sehr gute Mischung", merkt Riegler an, während Macho unterstreicht, dass man manchmal der Strenge sein muss, jedoch auch hin und wieder Verständnis für gewisse Umstände haben muss, wenn es nicht so läuft.
Vom Torwartspiel her war Riegler vielleicht vor Macho auch gar nicht so schlecht aufgestellt. Allerdings wurde im mentalen Bereich ein enormer Sprung hingelegt, der dem Torhüter Sicherheit gibt, wodurch die Qualitäten besser zum Tragen kommen.
Mental gestärkt! Hinter der Haustür hat Fußball keinen Platz mehr
Riegler betont, dass ihn sein Coach "im mentalen Bereich unheimlich stärkt". Nach dem Kennenlernen und der ersten Einschätzung war auch Macho klar, dass er den SKN-Einser vor allem geistig auf ein höheres Niveau verhelfen muss.
"Für mich war extrem wichtig, dass er sich speziell im mentalen Bereich verbessert. Wenn man diese gravierenden, krassen Fehler der Vorsaison hernimmt, nagt das am Selbstvertrauen. Ich habe versucht, ihn mental zu stärken und festigen. Der mentale Aspekt ist für mich im Torwartspiel extrem wichtig. Da hat er sich sehr gesteigert. Wir haben natürlich immer noch Luft nach oben, aber der mentale Faktor ist sehr entscheidend. Das weiß ich aus eigener Erfahrung", gibt Macho zu.
Auch Riegler kann die Vorteile der neu gewonnenen mentalen Stärke nur hervorstreichen. "Wenn die Haustür bei mir zugeht, hat eigentlich der Fußball nicht viel Platz daheim. Ich schaue wirklich, dass ich mit meiner Lebenspartnerin über andere Dinge spreche und verschiedene Dinge unternehme, die mich weg vom Fußball bringen, wo ich wirklich abschalten kann. Das ist sehr wichtig, damit man eine Balance zwischen Anspannung und Entspannung findet."
Das war früher nicht immer so, wie der aus Ybbs an der Donau stammende Goalie zugibt. Eine Umstellung hat definitiv Wirkung gezeigt: "Es war leider so, dass es in unserem Haushalt speziell im vorigen Jahr sehr schwierig war. Ich habe die Probleme und den Misserfolg leider manchmal nach Hause mitgenommen. Das war ziemlich mühsam und ich habe gelernt, dass ich das trenne. Natürlich beschäftigt man sich mit Sachen, die passiert sind, aber man sollte sich einfach nicht zu viel ärgern und das nach Hause mitschleppen."
"Riegler hat die Latte hoch gelegt
Gelassenheit stellte sich ein. Die "Fußball-freie Zeit" bewirkte Wunder, ansonsten genießt Riegler den Ausgleich etwa beim Fischen, seiner großen Leidenschaft. Und so war noch mehr Power da, um auf dem Fußballplatz den neuen Christoph Riegler zu formen.
Wie Macho festhält: "Es ist jetzt nicht darum gegangen, dass ein neuer Tormanntrainer kommt und den Tormann komplett umkrempeln will. Man versucht ganz einfach das, was man hat, besser zu machen. Da sind mehrere Faktoren wichtig. Bei ihm war es so, dass er sehr viel mitbringt. Vom Trainingsehrgeiz, Eifer, sich gegenseitig zu pushen, auch die anderen, auch spezielle Faktoren im Tormannbereich. Da war er eh sehr gut. Aber jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu setzen, es noch besser zu machen und auch als Person zu reifen. In diesem Jahr ist er auch noch Kapitän geworden, was ihn zusätzlich gepusht hat. Das war auch ganz wichtig für ihn persönlich, für seine Weiterentwicklung. Er ist auf einem sehr guten Weg."
Aber genau da liegt die Schwierigkeit. Riegler hat neue Maßstäbe gesetzt und sich für einen Verbleib in St. Pölten entschieden. "Aber wenn du die Latte hoch legst, wirst du an den Leistungen auch gemessen. Das weiß er ganz genau. Ich glaube, dass ihm das heuer sehr gut getan hat, aber es ist noch Luft nach oben", sieht Macho die Entwicklung seines "Schülers" noch nicht abgeschlossen.
Wenn Riegler so weitermacht, "sich ständig weiterentwickelt und Gas gibt", traut ihm der Ex-Goalie, der seine eigenen Erfahrungen immer wieder einfließen lässt, alles zu. Ein Wechsel zu einem Top-Klub in Österreich aber auch ins Ausland sei mit seinem Potenzial im Bereich des Möglichen.
Vom Feldspieler ins Tor: "Wer weiß, was ich sonst jetzt machen würde"
Der Keeper ist auf einem Level angelangt, von dem er früher nie zu träumen gewagt hätte. Angefangen hat er als Feldspieler. Als der U9-Torhüter aufhörte, nahm das Schicksal seinen Lauf. "Vielleicht ist es an den fußballerischen Qualitäten gelegen, dass sie mich dann ins Tor gestellt haben", schmunzelt Riegler, wohlwissend, dass seine Größe ebenso ein Grund war, warum er zurückbeordert wurde.
"Seitdem ist die Karriere so verlaufen und ich bin froh, weil wer weiß, was ich jetzt machen würde, wenn das dazumals nicht so gewesen wäre", gibt der 27-Jährige zu. Riegler strahlt Ruhe aus, und Stolz nach einer eindrucksvollen Saison. Die Verrücktheit, die Torhütern oftmals nachgesagt wird, sucht man bei ihm vergeblich.
Er selbst meint: "Verrückt ist das falsche Wort. Man darf keine Angst haben, keine Angst vor Fehler, sondern muss einfach sein Spiel durchziehen. Wenn man sich seiner Stärken bewusst ist und einfach auf sein Können vertraut, dann sieht man das im Spiel, an der Körperhaltung, wie man auftritt. Es ist einfach sehr wichtig, dass man körperlich wie auch geistig fit ist."
Das hat Riegler in dieser Saison bewiesen. Dass er sich für einen Verbleib in St. Pölten entschieden hat, spricht für seine Vereinstreue. Wenn er sein Level halten kann, dann wird der nächste Schritt aber schon bald wieder Thema sein.
"Ziel ist es natürlich, dass ich konstant diese Leistung abrufe, wie ich es diese Saison gebracht habe. Dass es keine einmalige Sache war und 'Standard' wird. Dann werden wir sehen. Natürlich hat man als Sportler immer Ziele, aber man muss einfach hart daran arbeiten, um sie wirklich zu erreichen."