Alle Jahre wieder gräbt der SK Rapid Wien ein Juwel hervor, um es mit Bedacht zu schleifen.
In der jüngeren Vergangenheit waren es Spieler wie Dejan Ljubicic, Maximilian Wöber, Mert Müldür oder Yusuf Demir, die allesamt die Rapid-Schule durchliefen und den Bundesliga-Klub in weiterer Folge als Sprungbrett für die internationale Karriere nutzten.
Auf einem ähnlich angelegten Pfad reist nun eines der vielversprechendsten Talente der "grün-weißen" Gegenwart: Jovan Zivkovic.
Rapids "Diamant" erhält ersten Profivertrag
Ende Mai diesen Jahres unterschrieb der 17-jährige Angreifer seinen ersten Profivertrag. Zeitgleich wurde der vorläufige Fahrplan offenbart: Zivkovic wird zur kommenden Saison in den Profikader hochgezogen – Rapids neuer "Diamant", wie Sport-Geschäftsführer Markus Katzer ihn benannte, darf seine Offensivkünste zunächst einmal während der Sommervorbereitung unter Beweis stellen.
Die vertragliche Bindung an seinen Jugendklub erfülle Zivkovic mit "Stolz". Er sei "dankbar für das Vertrauen, das mir der Verein entgegenbringt, und ich werde hart arbeiten, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen", wurde der Youngster in einer Vereinsmeldung zitiert.
Den Vorschuss an Kredit hat sich der technisch versierte Jungstürmer in der Rapid-Akademie verdient, wo er unter anderem unter den Fittichen von U18-Trainer Jürgen Kerber reifen konnte und in weiterer Folge auch bei Rapid II unter Coach Stefan Kulovits erste Gehversuche im Erwachsenenfußball absolvieren durfte.
LAOLA1 hat sich bei den zwei Jugendförderern erkundigt, um einen ersten Eindruck zu erlangen, welche Qualitäten das verheißungsvolle Talent besitzt:
Zivkovic "will immer gewinnen"
"Man hat gleich gesehen, dass er Eigenschaften mitbringt, die ein Stürmer braucht. Er versprüht irrsinnige Spielfreude, hat seine Stärken im Eins-gegen-Eins. Seine ganzen Bemühungen mit dem Ball sind immer in Richtung Tor gegangen", schwärmt Kerber von seinem ehemaligen Schützling, der in der abgelaufenen Spielzeit mit acht Treffern in 14 Spielen für die U18 einen Beweis seines Könnens erbrachte.
Zivkovic, der seine Fußballerkarriere im zarten Alter von sechs Jahren bei der Wiener Austria (von 2012 bis 2014) startete und anschließend bei der Admira (von 2014 bis 2019) fortsetzte, bringe zudem das nötige Sieger-Gen mit. "Er will immer gewinnen", so Kerber.
Das Gefühl des Triumphs ist dem 17-Jährigen Stürmer derweil nicht fremd. Bereits nach seinem Wechsel aus der Südstadt in die U15 der Hütteldorfer offenbarte er seinen eingebauten Torinstinkt mit 22 Treffern.
In der Folgesaison 2021/22 setzte der dribbelstarke Jungspund sogar noch einen drauf und erzielte im U16-Team unter Cheftrainer David Gattinger 27 Tore in 23 Meisterschaftsspielen – ein maßgeblicher Anteil am ersten grün-weißen Meistertitel in der U16-ÖFB-Jugendliga seit sechs Jahren.
Dank eines furiosen Saison-Finishs mit zwei entscheidenden Siegen gegen die Akademie des Wolfsberger AC (5:0) und einem 4:0 am finalen Spieltag gegen St. Pölten – Zivkovic markierte dabei einen Doppelpack - überholten Rapids Nachwuchskicker letztlich den direkten Konkurrenten Red Bull Salzburg und setzten sich die Meisterkrone auf.
"Ich habe Länderspiele von ihm gesehen, in denen er gegen Gleichaltrige gespielt hat und man klar sehen konnte, wie reif er bereits für sein Alter ist. Mit Sicherheit ist er in seinem Jahrgang eines der größten Talente Europas."
Kulovits: "Was mich überrascht hat..."
Zivkovic bewies auch im Anschluss, für größere Herausforderungen bereit zu sein und feierte Ende Februar diesen Jahres sein Debüt für Rapid II. Insgesamt kam er auf fünf Einsätze unter Trainer Stefan Kulovits.
Bereits zu Beginn des Jahres betreute der Ex-Profi Zivkovic beim Mercedes Benz Juniorcup in Sindelfingen, wo Rapids U19-Auswahl internationale Jugendmannschaften wie Benfica Lissabon (Youth-League-Sieger 2022), den 1. FC Köln, Hertha BSC oder Galatasaray in den Schatten stellte und den Titel souverän verteidigte.
"Ich habe den Spieler natürlich auch schon von der U18 gekannt, weil wir sehr eng verbunden sind, ich auch einige Spiele verfolgt und dabei gesehen habe, welcher Spielertyp er ist", sagt Kulovits im Gespräch mit LAOLA1.
"Was mich sehr überrascht hat, ist, dass er sich, obwohl er neu in der U18 war, sehr schnell adaptiert hat. Auch, dass er gegen körperlich robustere und schnellere Spieler sein Spiel durchsetzen hat können."
Besonders seine "freche Art" habe dem einstigen Mittelfeldspieler imponiert. "Ob er in der U16 spielt, gegen Akademie-Mannschaften oder in der Folge auch gegen Erwachsene, er setzt sein Spiel durch."
"Er ist mit Freude zum Training gekommen. Das ist das Allerwichtigste. Er hat immer ein Lächeln im Gesicht gehabt und wollte immer viel Zocken, viel Fußballspielen."
Doch zeitgleich ist im Fall von Zivkovic vor allem Geduld gefragt, dessen sind sich Kulovits und Kerber einig.
"Seine sportlichen Fähigkeiten sind unbestritten. Jetzt müssen wir schauen, dass er sich auch körperlich anpasst. Man darf nicht vergessen, dass er letztes Jahr noch in der U16 gespielt hat. Das dauert natürlich ein bisschen. Die Zeit werden wir ihm geben und ihn bestmöglich fördern. Dann kann er ein sehr großes Talent für Rapid werden", meint Kulovits.
Währenddessen mahnt Kerber: "Gleich zu erwarten, dass er in der ersten Mannschaft Fuß fasst und er der Spieler wird, der den Unterschied ausmacht, darf man nicht."
Mit gerade einmal 17 Jahren steckt Zivkovic ohne Zweifel in einer der anfänglichen, jedoch entscheidenden Entwicklungsphasen seiner persönlichen Laufbahn, die auch von dessen professioneller Einstellung geprägt wird.
Zivkovic glänzt mit einem Hattrick gegen die Austria-U16
"Zocker" und Musterschüler
Auf und abseits des Rasens erlebte Kulovits den Jungstürmer als "ganz demütigen, ruhigen Jungen, der immer zuhört, der viel aufsaugt und die Vorgaben des Trainers immer umsetzen will und kann".
Der ehemalige Rapid-Spieler streicht besonders die Wissbegierde des Teenagers hervor. Einheiten mit Rapids Video-Analysten mache er sich zu Nutze, um an vorhandenen Schwächen zu arbeiten.
Zugleich habe der Profi-Neuling nichts an seiner Unbeschwertheit eingebüßt. "Er ist mit Freude zum Training gekommen. Das ist das Allerwichtigste. Er hat immer ein Lächeln im Gesicht gehabt und wollte immer viel zocken, viel Fußballspielen", berichtet Kerber.
Das optimale Umfeld spielt unterdessen ebenfalls eine große Rolle bei der Weiterentwicklung des Talents, fügt Kulovits hinzu: "Das spiegelt zumeist das Auftreten eines Jungen und dessen Elternhaus wider. Ich glaube, dass das ein ganz entscheidender Faktor ist, dass er von seinem Umfeld gut beraten wird und keine Schauergeschichten hört."
Nach Kulovits' Aussagen macht es den Anschein, als würde Zivkovic in diesem Punkt ideale Voraussetzungen genießen: "Es wird genau überlegt, was der beste nächste Schritt für ihn ist." Daneben "ist es natürlich ein schönes Zeichen für Rapid, wenn man den Zuschlag für die nächsten drei Jahre erhält."
Top-Klubs haben Zivkovic am Schirm
Dass Rapid einen überaus veranlagten Youngster in seinen Reihen hat, machte nämlich auch im Ausland die Runde. "Sky" zufolge sollen aus Deutschland Bayer Leverkusen und Mainz 05 mit Argusaugen beobachten, wie es Zivkovic ergeht.
"Ich habe Länderspiele von ihm gesehen, in denen er gegen Gleichaltrige gespielt hat und man klar sehen konnte, wie reif er bereits für sein Alter ist. Mit Sicherheit ist er in seinem Jahrgang eines der größten Talente Europas", meint Kulovits, der vom internationalen Interesse an Zivkovic alles andere als verwundert ist.
Desweiteren soll das 17-jährige Rapid-Talent sogar auf der Beobachtungsliste der renommierten Manchester-Klubs City und United stehen.
Letzten Endes fiel die Wahl aber zugunsten Rapids aus. In Hütteldorf konnte man "einige nationale und internationale Vereine ausstechen", durfte Geschäftsführer Steffen Hofmann mit Stolz verkünden.
ÖFB oder Serbien?
Während Zivkovic mit seiner vertraglichen Bindung an Rapid auf Vereinsebene Farbe bekannt hat, darf man unterdessen gespannt sein, welche Nation letzten Endes den Zuschlag erhält. Rapids Youngster läuft zwar aktuell in der U17-Auswahl des ÖFB unter Teamchef Manfred Zsak auf, zuvor absolvierte er aber sechs Partien für das U16-Team Serbiens.
Wenngleich sich bei einem steilen Karriereverlauf ein Nationen-Duell um seine Gunst anbahnen könnte, steht zumindest fest, dass Zivkovic am kommenden ÖFB-U17-Lehrgang teilnimmt (14. und 16. Juni - Doppelländerspiel gegen Rumänien).
Kulovits meint diesbezüglich: "Da er sich jetzt entschieden hat, den Weg mit Rapid weiterzugehen, denke ich auch, dass der ÖFB weiter große Chancen hat. Das ist aber eine sehr private Entscheidung, die er gemeinsam mit seinen Eltern fällen wird. Ich denke, beim ÖFB stehen ihm die Türen offen."
Zivkovic der "neue" Demir?
Ein Profispieler, der Zivkovic den Weg vorgezeigt hat, aber auch als Beispiel des schnelllebigen Fußballgeschäfts herangezogen werden kann, ist Yusuf Demir.
Zu diesem Zeitpunkt bereits Vergleiche zwischen Zivkovic und dem ehemaligen Rapid-Megatalent zu ziehen, ist wahrlich verfrüht und doch sind "die Vorzeichen auf jeden Fall gegeben", so Kulovits.
Jürgen Kerber hingegen fällt eine Gegenüberstellung der Anlagen beider Spieler um einiges leichter, schließlich begleitete der 37-Jährige beide Talente für einen gewissen Zeitraum. Sein Fazit: "Sie lieben es beide, Fußball zu spielen. Beide sind mit vollem Elan dahinter und stets bemüht, die Besten zu sein."
Während Zivkovic nun bei den Rapid-Profis angedockt hat, kämpft Demir mittlerweile um Einsätze im starbesetzten Team von Galatasaray in der Türkei.
Schlussendlich "liegt es natürlich immer an den Spielern, wie sie mit den Umständen zurechtkommen und umgehen. Wenn er bei den Profis reüssiert, wird der mediale Fokus natürlich auch größer", merkt Kulovits an.
Als jüngstes Beispiel nennt der 40-Jährige Rapids Bernhard Zimmermann (aktuell im Gespräch beim WAC – alle Infos HIER>>>), der nach überzeugenden Auftritten in den Mittelpunkt rückte.
Balance zwischen "Tor-Gier" und "Weitblick"
Doch was sind eigentlich konkret die spielerischen Stärken des Jovan Zivkovic, die internationales Interesse hervorbringen?
"Er hat diese Gier nach Toren. Sobald er in Strafraumnähe kommt, hat er nur mehr ein Ziel im Kopf, nämlich dass das Netz zappelt. Er hat sowohl mit rechts und links einen guten Abschluss. Er weiß, wie er sich in der Box positionieren muss", erklärt Kulovits.
Für Kollege Kerber ist indes die Positionierung auf der Außenbahn oder im Sturmzentrum nicht von großer Bedeutung. Das Wichtigste sei, "dass er im Laufe des Spiels in die Nähe der Box kommt, weil es dann brandgefährlich wird".
Bei allem Ehrgeiz, zum spielentscheidenden Faktor zu avancieren, ist diesbezüglich die richtige Balance gefragt. "Sobald er das Tor riecht, will er der Torschütze sein. Auf der einen Seite sehe ich das als seine größte Stärke, auf der anderen Seite hilft oftmals der Weitblick, um Mitspieler besser einzusetzen", sagt Kulovits.
Bei seinen Teamkollegen habe Zivkovic laut seinem Ex-Trainer Kerber "immer hohe Anerkennung genossen. Er will in jeder Phase des Spiels Verantwortung übernehmen. Das ist sehr löblich. Dementsprechend hat er einen großen Drang, seinen Mitspielern zu helfen".
Rapid-DNA
Neben seiner besonderen Effizienz vor dem Tor hat der jüngste Profikaderspieler der Hütteldorfer überdies die Rapid-Tugenden bestens verinnerlicht. "Er bringt die Leidenschaft auf den Platz. Wenn er auf dem Rasen steht, ist er nicht jemand, der sich auf seinen Offensivqualitäten ausruht, sondern jemand, der gerne gegen den Ball arbeitet", so Kulovits.
Derartige Qualitäten werden in der Kampfmannschaft und im gegenwärtigen Bundesliga-Fußball unabdingbar sein, um die gesteckte Zielvorgabe, sich langfristig durchzusetzen, zu erreichen.
Dabei bedarf es aber zudem, "eine gesunde Portion Selbstvertrauen und Egoismus" an den Tag zu legen, ist sich Kerber sicher.
"Ich will den Abstieg von Rapid II keinesfalls schönreden, aber es ist jetzt passiert und man muss nun anfangen, die positiven Dinge zu sehen. Wir haben den Spielern ganz klar aufgezeigt, dass ehemalige Rapid-Profis wie Maxi Wöber, Mert Müldür, Louis Schaub oder Yusuf Demir international Karriere gemacht haben und nie in der 2. Liga gespielt haben.
Regionalliga kein sportlicher Abstieg
"Es kommt auch darauf an, wie ein Spieler mit einem Leistungseinbruch beziehungsweise einer Rückversetzung umgeht", betont Kulovits.
Sollte es nicht zu mehreren Einsätzen bei den Profis reichen, darf Zivkovic Spielpraxis bei der vor Kurzem in die Regionalliga abgestiegenen Mannschaft von Rapid II "nicht als Rückschritt auffassen".
"Ich will den Abstieg von Rapid II keinesfalls schönreden, aber es ist jetzt passiert und man muss nun anfangen, die positiven Dinge zu sehen. Wir haben den Spielern ganz klar aufgezeigt, dass ehemalige Rapid-Profis wie Maxi Wöber, Mert Müldür, Louis Schaub oder Yusuf Demir international Karriere gemacht haben und nie in der 2. Liga gespielt haben. Sie haben alle zuvor in der Regionalliga gespielt", hebt Kulovits hervor.
"..., dann wird es eine schöne Geschichte"
Im Umgang mit Zivkovic ist demnach nicht nur Geduld, sondern auch Vorsicht geboten, das aufstrebende Talent nicht in Windeseile zu verheizen. Ebenso ist es wohl wesentlich, ihm in jeder Phase eine geeignete Perspektive aufzuzeigen. Der 17-Jährige wirke, Kulovits zufolge, aber "sehr klar im Kopf. Er weiß, was er will."
Im Gegenzug muss sich Zivkovic auch der Erwartungshaltung innerhalb und außerhalb des Klubs stellen.
"Die Erwartungen sind natürlich riesengroß. Gleichzeitig muss man aber auch auf die Euphoriebremse treten und nicht eine Weltkarriere voraussagen", bekräftigt der Rapid-II-Trainer.
Die Unterstützung des Klubs ist Zivkovic jedenfalls gewiss, meint Kulovits abschließend: "Wir werden ihn bestmöglich auf seinem Weg begleiten. Das Leben besteht aus Nehmen und Geben. Es müssen beide Teile, Klub und Spieler, etwas dazu beitragen, dann wird es eine schöne Geschichte mit Jovan."