Wie in Dauerschleife werden dem SK Rapid derzeit negative Ergebnisse um die Ohren gehaut.
Der historische Tiefpunkt unterstreicht dabei, in welch aussichtsloser Position sich der Rekordmeister aktuell befindet. Mit nur 29 Punkten aus 25 Spielen hat man sogar die Lothar-Matthäus-Ära mit 30 Punkten unterboten.
Anstatt Tacheles zu reden, fahren die Grün-Weißen zumindest nach außen hin den Kuschelkurs. Dabei sind einige Faktoren in der aktuellen Situation nicht unter den Teppich zu kehren.
- So schlecht war Rapid noch nie
Dass die Tabelle Rapid nur auf Platz sechs ausspuckt, ist überraschend sowie für alle Beteiligten unzufriedenstellend zugleich. Doch das Ranking zeigt nicht einmal das ganze Ausmaß des Schlamassels auf. Rapid hat lediglich sieben Siege eingefahren, damit sogar einen weniger als der Siebente WAC und gleich viele wie der Achte St. Pölten. Trotz des neuen Stadions liegen die Hütteldorfer nur auf Rang sieben der Heimtabelle, im Allianz-Stadion reichte es nur zu fünf Siegen. Auswärts waren es gerade einmal zwei volle Erfolge, nur Ried und Mattersburg konnten in der Fremde weniger Siege einfahren. Dass insgesamt gesehen damit noch die Seuchensaison unter Lothar Matthäus unterboten wurde, unterstreicht in welch misslicher Lage sich die Grün-Weißen befinden. Und ein Turnaround ist nicht abzusehen, auch wenn Trainer Damir Canadi, Sportdirektor Fredy Bickel und Co. immer wieder Floskeln bemühen, wonach das Glück irgendwann zurückkommen muss. Bei nur zwei Siegen in elf Bundesliga-Spielen bzw. 13 Pflichtspielen unter dem neuen Coach ist Feuer am Dach. Im Umkehrschluss muss Rapid derzeit sogar froh sein, dass sich Ried überraschenderweise in den Abstiegskampf eingeschaltet hat, denn die vermeintlichen Abstiegskandidaten St. Pölten und Mattersburg sind nur mehr zwei bzw. sechs Punkte zurück. Auf die Innviertler sind es immerhin noch neun Punkte.
- Fehlende Qualität vor dem Tor
Probleme gibt es im neu installierten 3-4-3 bzw. 3-5-2 an mehreren Stellen. Vom Aufbau aus der Abwehr hinaus bis zur entscheidenden Chancen-Kreiierung im letzten Drittel. Dort zeigten sich die Hütteldorfer zuletzt verbessert. Aber was nützt es, wenn keiner den Ball im gegnerischen Tor unterbringt? Die Seuche im Abschluss zieht sich mittlerweile schon über Wochen. Im noch sieglosen Frühjahr konnte die einstige Torfabrik lediglich drei Tore in fünf Spielen erzielen. Das Versagen vor dem Tor ist nicht einmal auf bestimmtes Personal einzuschränken. Weder Giorgi Kvilitaia, noch Joelinton, der seiner Form hinterherhinkende Louis Schaub, Stefan Schwab, Andreas Kuen, Mario Pavelic und Co. machen einen Unterschied. Im entscheidenden Moment versagen die Nerven. Bezeichnend ist, dass Rapids bester Saisontorschütze Schaub bei nur fünf Treffern hält, Schwab, Joelinton und Kvilitaia kommen auf je vier. Lediglich 13 der 31 eingesetzten Spieler konnten sich in die Torschützenliste eintragen. Ein Manko, das am allermeisten zum Tragen kommt und sich in den Ergebnissen widerspiegelt. Schlechte Abschlüsse, zu komplizierte Herangehensweise und Verunsicherung spielen mit, möglicherweise aber auch die neue Rolle im neuen System, die allen Spielern mehr abverlangt, wobei das Wesentliche scheinbar auf der Strecke bleibt. Da hilft es auch nichts, dass diese Chancen im Training reingemacht werden, wenn der Knopf in den Spielen weiterhin nicht aufgeht.
- Gespaltene Zusammenarbeit der sportlichen Führung?
Die Konstellation war vom ersten Tag an eine komische. Denn mit der Trainerwahl durch eine Instanz, die aus Teilen des Präsidiums - allen voran Präsident Michael Krammer - sowie externen Beratern bestand, fehlte es an dem nötigen sportlichen Know-How. Einen Sportdirektor gab es zu diesem Zeitpunkt ja nicht, da Andreas Müller in einem Zug mit Mike Büskens aussortiert wurde und ein Nachfolger nicht zur Verfügung stand. Fredy Bickel kam erst Wochen später und musste sich mit einem vor ihm installierten Trainer arrangieren, und umgekehrt. Dass atmosphärische Störungen zumindest von Seiten der beiden neuen starken Männer der sportlichen Führung nicht offiziell an die Öffentlichkeit dringen, spricht für deren Professionalität. Zwischen den Zeilen bekommt man aber mit, dass das Verhältnis bei weitem nicht so harmonisch sein soll. Mit Bickel hat man einen erfahrenen Mann als Ruhepol, der auch in der tiefsten Krise bisher immer sachlich blieb. Auf der anderen Seite entpuppte sich Canadi nicht erst einmal als brodelnder Vulkan kurz vor der Eruption. Das führt zwangsläufig zu Reibung, die auf der einen Seite positiv mitgenommen werden kann. Auf der anderen Seite birgt diese jedoch auch enormes Konfliktpotenzial. Denn auch aktuell ist aus dem Umfeld zu vernehmen, dass sich der Chefcoach mit seiner Art bisher wenige Freunde in Hütteldorf gemacht hat, auch einige Spieler sollen nicht gerade glücklich über die harte Gangart des Übungsleiters sein.
- Ziel-Änderung als Warnsignal
Präsident Michael Krammer preschte vor, gab die "Mission 33", den Meistertitel, als großes Saisonziel aus und traf damit bei den Fans auf offene Ohren. Davon war aber schon wenige Wochen später nichts mehr zu spüren. Mit der Prolongierung der Negativserie war der erste nationale Titel seit 2008 kein Thema mehr, das Zurückrudern begann. Wie schon in den Vorjahren sollte also ein Europacup-Startplatz das Mindeste der Gefühle werden. Doch auch dieser ist mittlerweile meilenweit entfernt: Der Dritte Austria ist bereits 18 Punkte enteilt, auf den Vierten Sturm fehlen nach der 1:2-Niederlage auch schon 16 Zähler. Wohl zu viel für die ausbleibenden elf Partien der Saison. Und plötzlich bäckt man noch kleinere Brötchen: "Bei Rapid ist die Tabellen-Situation nie egal. Wir wollen uns auf jeden Fall Platz fünf sichern. Der Cup ist unsere letzte Chance, dass wir uns noch international qualifizieren könnten. Wir werden alles daran setzen, dass wir dort unsere Chancen nützen." Platz 5 als Ziel ausgeben? Das gab es bei Rapid definitiv schon lange nicht mehr, wenn sogar noch nie. In dieser Saison hat sich so gut wie alles verändert. Eingespielte Mechanismen gingen verloren, drei Trainer in wenigen Monaten trugen ihr Übriges dazu bei. Auch bei den Zielen geht die Schere weit auseinander. Denn Anspruch und Wirklichkeit passen bei Rapid heuer überhaupt nicht zusammen.
- Neuerliche Trainer-Frage ist verständlich, aber nicht zielführend
Dass man sich nach derart verkorksten Monaten Gedanken machen muss, steht außer Frage. Im Nachhinein wurde die Entlassung von Zoran Barisic indirekt als Fehler angesehen, ebenso die Verkettung von Müller und Büskens, die dadurch gemeinsam ihre Hüte nehmen mussten. Bei der Installierung von Canadi hätte Rapid definitiv einen eleganteren Weg wählen können, um den Wunschtrainer langsam an die Umstände zu gewöhnen. Doch der Wiener hätte Feuerwehrmann und Aufbautrainer für die Zukunft zugleich sein sollen. Bisher konnte er beides noch nicht unter Beweis stellen. Zudem fand seine Radikal-Kur mit der sofortigen Umstellung auf Dreierkette, weg vom Ballbesitz- und Offensivfußball noch kaum Anklang. Einige Spieler tun sich schwer und kommen nicht wie gewünscht zur Geltung - sowohl mit dem System, der Spielweise wie auch personell. Trotz der Talfahrt sollte aber kein Schnellschuss getätigt werden. Denn ein vierter Trainer innerhalb eines Jahres wäre aus unterschiedlichen Gründen nur schwer zu verdauen. Sportlich für das Personal, wirtschaftlich für den Verein. Denn ein weiterer Ex-Coach auf der Pay-Roll wäre nicht mehr so leicht zu verdauen. Wenn nichts Unvorhersehbares passiert, wird Canadi bis zum Ende der Saison das Zepter schwingen und dann nach seinen Vorstellungen, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, sein Team aufbauen. Ist dann zum Saisonstart 2017/18 keine Besserung in Sicht, wird aber wohl kein Weg an einem neuerlichen Umbruch vorbeiführen.