Altach, Admira, Absteiger St. Pölten und die Wiener Austria. Das sind die vier Teams, die in den vergangenen zwei Saisonen jedes Mal den Einzug in die Meisterrunde der Bundesliga verpasst haben.
Diese Statistik sagt schon viel über die Lage der Veilchen aus. Der Bundesliga-Rekordmeister ist aktuell meilenweit von der Spitze des heimischen Fußballs entfernt.
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Doch das gilt nicht nur für den Sport. Auch finanziell ist die Lage nach wie vor äußerst brenzlig. Eine Wirtschaftsprüfung von „pwc“ erklärt: „Die Bilanz zum 30. Juni 2020 weist ein negatives Eigenkapital in Höhe von EUR 29.679.397,11 aus. Das Jahresergebnis (Jahresfehlbetrag) vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 beläuft sich auf EUR -11.017.735,10.“
Das negative Eigenkapital konnte durch einen Gesellschafterzuschuss des Vereins Austria Wien an die FK Austria Wien AG in der Höhe von 15 Millionen Euro reduziert werden.
Bekanntlich wurden nach dem negativen Lizenzbescheid in erster Instanz in einer Hau-Ruck-Aktion Finanzmittel aufgestellt. Per Optionsverträgen konnten Anteile an der FK Austria Wien AG erworben werden. Die Kosten für ein Prozent belaufen sich auf 250.000 Euro. Insgesamt wurde so ein Betrag von 4,68 Millionen Euro erzielt. Überlebenswichtig, aber freilich keine Erlösung.
Wenig Vertrauen, große Verunsicherung
Frank Hensel wurde dennoch als Präsident des FAK wiedergewählt. Wobei das Vertrauen der Mitglieder in den Deutschen enden wollend ist. Während er vor drei Jahren noch 94 Prozent der Stimmen bekommen hat, als er die Nachfolge von Wolfgang Katzian antrat, waren es diesmal nur noch 66 Prozent.
Die Verunsicherung im Verein ist groß. Nicht wenige, teils langjährige Mitarbeiter haben den Verein verlassen. Die Stimmung in der Geschäftsstelle am Verteilerkreis wird nicht gerade als gut beschrieben. Immer noch zittern einige Mitarbeiter um ihre Jobs.
Krisch und Insignia
Gerhard Krisch, der neue Vorstand, spricht von einem „großen wirtschaftlichen Rucksack“. Der Mann, der zuletzt Generalsekretär des Wiener Eislauf-Vereins war, ist Nachfolger von Markus Kraetschmer.
Krisch ist in einer schwierigen Situation. Einerseits fehlt dem ehemaligen General Manager des First Vienna FC die Erfahrung, einen Klub von der Größe der Austria zu führen, andererseits fand praktisch auch keine Übergabe statt. Was Kraetschmer mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung aus dem Ärmel geschüttelt hat, muss sich Krisch erst aneignen. Da geht es oft um Kleinigkeiten im Tagesgeschäft.
Darüberhinaus muss der Neo-Vorstand das Thema „Insignia“ in den Griff bekommen. Der strategische Partner hat sich bislang als Rohrkrepierer erwiesen. Zwar sind mit Aleksandar Bursac und Luka Sur zwei Insignia-Männer mehr oder weniger ständig in Wien-Favoriten präsent, die Leistung des strategischen Partners ist bisher aber überschaubar. Und das ist noch positiv ausgedrückt.
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Doch Krisch ist nicht der einzige, dem die Erfahrung fehlt. Mit Sportdirektor Manuel Ortlechner, Cheftrainer Manfred Schmid und Akademieleiter Florian Mader wurden drei weitere Schlüsselstellen mit Männern besetzt, die in ihren jeweiligen Jobs wenig bis gar keine Praxis aufweisen können.
Das mag grundsätzlich nicht negativ sein, jedem muss zugestanden werden, einen Job zum ersten Mal auszuüben. Das Trio hat zweifelsohne großen Fußball-Fachverstand, ist gut ausgebildet und hat zudem bei der violetten Anhängerschaft Steine im Brett. In Summe ist die Unerfahrenheit allerdings augenscheinlich.
Die sportlich Verantwortlichen haben mit Ralf Muhr, Leiter der Profi-Lizenzabteilung, immerhin einen Mann zur Seite, der Expertise und Erfahrung in der Abwicklung von Transfers und der Nachwuchsarbeit beisteuert.
Die neue Führungsriege tut gut daran, die Fans auf ganz schwierige Zeiten einzustellen. Trainer Schmid spricht davon, dass es „ein, zwei Scheißjahre werden können“. Er ergänzt: „Ich bin der Trainer, der die schwierigste Ausgangssituation hat, seit es die Austria gibt. Aber ich habe keine Angst.“
Unerfahrener Kader
Was er hat, ist eine sehr unerfahrene Mannschaft. Nur die Kader von Aufsteiger Austria Klagenfurt, Vorjahres-Aufsteiger SV Ried und WSG Tirol haben weniger Bundesliga-Einsätze in den Beinen.
Lediglich Alexander Grünwald, Markus Suttner, Georg Teigl, Patrick Pentz und Manfred Fischer haben mehr als 70 Meisterschaftsspiele, also umgerechnet zwei volle Saisonen als Stammkräfte, absolviert.
Es wäre keine Überraschung, würde die Austria einen Fehlstart in die Saison hinlegen. Und es darf niemanden wundern, wenn die Violetten wieder im unteren Playoff landen und sich nach der Punktehalbierung zumindest vorübergehend im Abstiegskampf befinden.
Steile Lernkurven gefragt
Die Führungskräfte müssen jedenfalls über sich hinauswachsen und steile Lernkurven an den Tag legen.
Vorstand Krisch muss sich schnellstmöglich Erfahrung aneignen, um sich abseits des Tagesgeschäfts strategischen Themen zu widmen und die Austria Schritt für Schritt aus der finanziellen Bredouille führen.
Sportchef Ortlechner muss in Sachen Kaderplanung weiterhin kreativ bleiben und beweisen, dass er in Zeiten des sportlichen Misserfolgs bei gleichzeitig steigendem Druck von Fans und Medien die Ruhe bewahren kann, um seinem Trainerteam den Rücken zu stärken.
Trainer Schmid muss zeigen, dass er auch als unpopuläre Entscheidungen treffender Trainer sein gutes Verhältnis zu den Spielern bewahren kann und an vorderster Front bei steigendem Druck die Nerven behält.
Und Akademieleiter Mader muss der zuletzt gegenüber der Konkurrenz ein wenig ins Hintertreffen geratenen Talenteschmiede neue Impulse verleihen, die sie mittelfristig wieder zu einer der unumstritten besten Ausbildungsstätten des Landes machen.
All diese aufgezählten Dinge sind den handelnden Personen zuzutrauen, sie alle haben das Zeug dazu, das zu schaffen. Aber es bedarf gewiss vieler Kraftakte und langen Atem, um die Austria wieder in die Nähe der heimischen Spitzenklubs zu führen.