Und am Ende fliegt wieder einmal der … Coach!
Der Trainerfriedhof des SK Rapid ist seit Sonntag um eine Personalie reicher, Ferdinand Feldhofer heißt das nächste Opfer der nicht zukunftsträchtigen Philosophie der Hütteldorfer.
Kommt dieser Schritt überraschend? Keineswegs, denn in der grün-weißen Seele brodelte es schon längst, unter normalen Umständen hätte die Blamage gegen den FC Vaduz im Conference-League-Playoff bereits gereicht, damit die üblichen Mechanismen beim Traditionsverein greifen.
Hat Rapid dazugelernt in all den Jahren? Diese Frage kann man getrost mit Nein beantworten. Immer wieder dieselbe Leier, immer wieder dieselben Probleme, immer wieder ist der Trainer schuld.
Lieber Trainer, die sich fügen als etwas bewirken
Dabei wird aus meiner Sicht viel zu oft vergessen, in welcher Situation Ferdinand Feldhofer sich überhaupt auf diesen in der Vergangenheit steckengebliebenen Verein eingelassen hat. Die aufstrebende rot-weiß-rote Trainer-Hoffnung hatte sich bei Lafnitz und dem WAC in den Fokus trainiert, Auslandsangebote ausgeschlagen, um bei seinem Ex-Verein die Nachfolge von Didi Kühbauer anzutreten. Auch weil die großen Alternativen fehlten, die naheliegende Lösung auch finanziell stemmbar war.
Oft drängt sich auch das Gefühl auf, dass Rapid in letzter Zeit lieber Trainer wählt, die nicht sofort aufmucken, sich einordnen und viel mehr dankbar sind, überhaupt die Chance zu bekommen - Didi Kühbauer ausgeklammert, traf dies zumindest vor Feldhofer auch auf Goran Djuricin zu. Das war nicht immer so bzw. haben die Hütteldorfer damit nicht die besten Erfahrungen gemacht, Stichwort Canadi oder Büskens.
Aber zurück zum Feldhofer-Start: Die Corona-Folgen waren ebenso bekannt, wie die zweistellige Anzahl an auslaufenden Verträgen und der angekündigte Umbruch im Sommer 2022. Im Endeffekt waren es zwei Umbrüche in einem halben Jahr, da sowohl im Winter als auch nach Saisonende kein Stein auf dem anderen blieb.
Der 42-jährige Steirer war mittendrin, obwohl viele Entscheidungen bereits im Hintergrund besiegelt waren, stellte sich in den Dienst der guten Sache und trug diesen Weg mit. Dass in einer prekären Situation im Frühjahr fast nur "Endspiele" auf Rapid warteten, betonte Feldhofer bei seinem Abschied.
Sie ALLE haben Rapid aufgrund von mehr Weitsicht überholt
Diese setzten sich im Sommer fort – die Liste an Zu- und Abgängen im vergangenen halben Jahr liest sich für andere Vereine wie Transfers aus fünf Spielzeiten. Ob Kara, Fountas, Ullmann, Aiwu, Ljubicic, Greiml oder Stojkovic – um nur einige zu nennen – da waren durchaus Führungsspieler und Zukunftshoffnungen dabei, die Rapid nicht annähernd Eins-zu-Eins ersetzen konnte.
Rapid kündigte nach viel Kritik und Protesten auch endlich an, einen neuen Weg einzuschlagen, eine Philosophie zu kreieren und für Durchgängigkeit zu sorgen. Im Hintergrund passierte mehr, als viele wirklich mitbekamen, die Weichen wurden gestellt, die Nachwuchsakademie fertiggestellt und Feldhofer war ein wichtiger Baustein dieser neuen Herangehensweise, um sich endlich von der Erfolgslosigkeit der vergangenen Jahre zu lösen.
"Ähnlich schwierige Situationen wurden bei der Austria weit ruhiger bearbeitet und die ersten Teilerfolge können sich sehen lassen, was Sturm und LASK in den letzten Jahren aufgebaut hat, spricht für sich. Sie ALLE haben Rapid aufgrund von mehr Weitsicht, Ruhe, Geduld und dem Blick über den Tellerrand hinaus überholt."
Doch wie immer sind Zeit und Geduld das höchste Gut als Trainer – diese bekam Feldhofer nicht, weil Rapid eben Rapid ist. Ähnlich schwierige Situationen wurden bei der Austria weit ruhiger bearbeitet und die ersten Teilerfolge können sich sehen lassen, was Sturm und LASK in den letzten Jahren aufgebaut haben, spricht für sich. Sie ALLE haben Rapid aufgrund von mehr Weitsicht, Ruhe, Geduld und dem Blick über den Tellerrand hinaus überholt.
Etwas Neues zu gestalten, braucht Zeit, vor allem nach einem derartigen Kaderumbruch, der ebenso hinterfragt werden muss; auch Sportdirektor Zoran Barisic, der hauptverantwortlich für diesen zeichnet.
Wer will noch Rapid-Trainer? Seit Hicke keiner mehr
Einige Spieler haben bisher noch nicht bewiesen, dass sie das Zeug für Rapid haben, andere "Mitläufer" werden seit Jahren mitgeschleppt, wenige waren einfach überspielt und konnten noch nicht wieder an gezeigte Leistungen anschließen – deshalb haben sie aber nicht das Kicken verlernt.
Ob Feldhofer wirklich so viel Einfluss auf die einzelnen Neuzugänge hatte, darf bezweifelt werden. Bei Fragen nach seinen Wünschen wurden immer wieder "Es ist kein Wunschkonzert"-Floskeln gedroschen. Auch durch voraussehbare, aber schwerwiegende Abgänge musste spontan reagiert werden, die Überraschung im Umfeld über den einen oder anderen unbekannten Namen war durchaus groß – und mittlerweile verständlich.
Trotzdem wurde immer wieder unterstrichen und auch beobachtet, mit welcher Akribie Feldhofer bei Rapid einen Plan verfolgte. Phasenweise funktionierte dieser, viel zu oft jedoch nicht, weil der Pfad des klaren Matchplans verlassen wurde. Das aktuelle Team ist keine Einheit, noch dazu auf der Suche nach Führungsspielern, Spielgestaltern und Knipsern – das sind zu viele Parameter, die fehlen, um erfolgreich Fußball zu spielen.
Feldhofer kündigte an, der erste Rapid-Trainer seit Josef Hickersberger werden zu wollen, der abgeworben wird, diesen Verein als Sprungbrett nützen zu wollen, um irgendwann im Ausland zu landen. Am Ende ist nicht nur der Ruf des Chefbetreuers ruiniert, sondern es hat sich auch wieder gezeigt, dass man als Rapid-Trainer seit Jahren nur verlieren kann. Seit 17 Jahren (!) wurden alle Trainer vorzeitig beurlaubt, danach noch jahrelang ausgezahlt, mittlerweile fast jährlich.
Stallgeruch stinkt bei Rapid zum Himmel
Von Konstanz keine Spur, von behutsamem Aufbau nicht die Rede, an Geduld ist nicht im Entferntesten zu denken – weil der Druck bei Rapid immer zu groß wird und daran nichts geändert wird. Aktuell gäbe es die Chance dafür, doch auch diese wird der SCR wieder verstreichen lassen, weil sonst gewisse Gruppen auf die Barrikaden gehen würden. Schlussendlich erfolgt wie immer das Drücken auf den Reset-Knopf, zurück zum Start, jeder Trainer startet praktisch bei Null.
Und welche Trainer reißen sich noch um den Job im Westen Wiens? Die sehr eingeschränkten Kandidatenlisten - mit immer denselben Namen - der vergangenen Jahre offenbaren mehr, als den Verantwortlichen lieb ist. Wenn in Fan-Kreisen dann Träume von internationalen Star-Trainern wach werden, die gerade vereinslos sind, zeigt das nur, wie weit weg der Verein von der Realität ist.
Denn Rapid hat weiter Strahlkraft, auch wenn diese nichts mit jüngsten Erfolgen zu tun hat. Eigenwerbung nach den Querelen der vergangenen Jahren machte Rapid aber definitiv nicht, außerdem spielt auch immer der finanzielle Aspekt mit.
"Und je mehr Ex-Trainer noch auf der Payroll stehen, umso unwahrscheinlicher wird die Verpflichtung eines Kalibers, das etwas vorzuweisen hat und vielleicht auch einmal nicht jenen Stallgeruch mitbringt, der bei den Grün-Weißen zum Himmel stinkt."
Und je mehr Ex-Trainer noch auf der Payroll stehen, umso unwahrscheinlicher wird die Verpflichtung eines Kalibers, das etwas vorzuweisen hat und vielleicht auch einmal nicht jenen Stallgeruch mitbringt, der bei den Grün-Weißen zum Himmel stinkt.
Barisic wird zum Lückenfüller, obwohl er mitverantwortlich ist
Zudem ist Rapid aktuell führungslos! Es war schon unglücklich als mit Damir Canadi vor einigen Jahren ein Trainer vor dem Sportdirektor gefunden wurde. Nun aber muss die Trainersuche warten, weil es kein Präsidium gibt, dass Zukunftsentscheidungen treffen kann. Das wird erst ab der Wahl am 26. November der Fall sein.
Somit wird Zoran Barisic zum Lückenfüller. Eigentlich sah sich der Sportdirektor nicht mehr in der Trainerrolle, hat dies auch nach dem Vaduz-Aus hinausgezögert, doch nun gab es aufgrund des zu großen Drucks keinen anderen Ausweg mehr. Durch Barisic soll sich Rapid möglicherweise wieder an die letzten erfolgreichen Tage mit einem durchdachten Konzept erinnern, das auch funktioniert hat. Damals wurde es kritisiert, erst Jahre später wurde diesem nachgeweint.
Ob sich der Freistoß-Künstler vergangener Tage damit selbst einen Gefallen tut? Eher nicht. Schließlich ist er nun in der vollen sportlichen Verantwortung, in der Doppelfunktion werden wichtige Themen auf der Strecke bleiben müssen. Wobei trotz aller Kritik auch erwähnt werden sollte, dass sich "Zoki" immer mehr in seine Rolle als Sportchef vertieft hat und trotz zahlreicher Rückschläge und Abgänge stets mehr oder weniger schlagkräftige Kader geformt und Rapid auch wohlbehütet durch die Corona-Pandemie geführt hat.
Rapid muss sich von der kurzfristigen Denkweise lösen
Bei der aktuellen Kaderzusammenstellung waren es aber womöglich zu viele auslaufende Verträge, Abgänge und Fragezeichen, die hier zu einer gewissen Unausgewogenheit bei der Nachbesetzung führten, wobei auch dem aktuellen Aufgebot nicht die Qualität abgesprochen werden kann. Nur liegt es nun an Barisic, die Stärken jedes einzelnen durch das Formen einer Einheit besser zur Geltung zu bringen.
Wenn auch er das nicht schafft, steht er vor dem Scherbenhaufen seiner eigenen Erfindung. Denn Mitverantwortung an der aktuellen Situation trägt der Geschäftsführer Sport definitiv, schuldlos kann auch er sich nicht aus der Affäre ziehen.
Die Frage ist, wie es danach weitergeht? Wird Barisic vielleicht sogar zur Dauerlösung und ein neuer Sportchef nimmt seinen Platz ein? Kann er einfach so wieder den Trainerposten hinter sich lassen und weiter als Sportdirektor werken, als wäre nichts gewesen? Vor allem, wenn sich die Erfolge nicht einstellen sollten?
Fragen über Fragen, weil es Rapid nicht schafft, sich von der kurzfristigen Denkweise zu lösen, Strukturen zu hinterfragen und den Verein auf frische Beine zu stellen. Der immer wieder neu gesetzte Grundstein ist im Endeffekt nichts wert, wenn der Pfad nach dem ersten Rückschlag verlassen wird. Erst mit einem Konzept, einer Idee, einer Philosophie und den richtigen Leuten am Ruder, die sich nicht reinreden und von außen unter Druck setzen lassen, gibt es für Rapid wieder Licht am Ende des Tunnels.