Diente die Länderspielpause als willkomene Nachdenkpause für die Bundesliga-Referees?
Nicht nur der Cheftrainer von BW Linz ärgerte sich zuletzt lautstark über die Schiris und den VAR. Gerald Scheiblehner forderte Österreichs Schiedsrichterwesen nach dem Spiel von Blau-Weiß in Klagenfurt zu einer Art Nachdenkpause auf.
Der 47-Jährige erklärte: "Es ist höchste Zeit, dass die Schiedsrichter auch einmal über ihre Leistungen nachdenken. Ich sage nur schöne Grüße an den Herrn Kassai (Anm.: ÖFB-Schiedsrichter-Chef), der immer alles schönredet."
Das heimische Schiedsrichterwesen stand zuletzt oft in der Kritik. Zu oft.
Vereine, Trainer, Spieler, Medien und die Fußballfans waren in den ersten fünf Runden der Saison mit vielen Entscheidungen am Spielfeld, sowie erfolgten bzw. nicht erfolgten Eingriffen des VAR alles andere als einverstanden.
Noch größeres Kopfschütteln lösten allerdings dann teilweise die nachträglichen Auflösungen auf der Website "VAR Österreich" aus.
Dort wird nach jeder Runde die Öffentlichkeit über einzelne Entscheidungen der Unparteiischen "aufgeklärt". Selbst Fachleute staunen über die regeltechnischen Ergebnisse, die oft fernab des Fußball-Hausverstands liegen. Für Interessierte zeigt sich dabei eine Fortsetzung der bereits im Frühjahr gezeigten Linie.
"Aufklärung" auf "VAR Österreich"-Seite gibt neue Rätsel auf
Auch wenn niemand vermuten will, dass hier "Lieblinge des Systems" geschützt werden sollen, um ihre Karriere nicht weiter zu behindern, die "Aufklärung" zum einen oder anderen Pfiff lässt die Beobachter mit noch mehr Rätseln zurück.
Dazu kommt das eine oder andere Interview eines auskunftsfreudigen Referees vor der TV-Kamera, das sich im Nachhinein als "Rohrkrepierer" herausstellt.
Dabei wird der Sachverhalt sogar fallweise von auf der hauseigenen "VAR Österreich"-Seite diametral zu den Aussagen des Schiedsrichters dargestellt. So beispielsweise von Referee Petru Ciochirca nach dem Spiel Rapid gegen Salzburg in der letzten Saison, als den Salzburgern unmittelbar vor dem Rapid-Treffer ein glasklarer Elfmeter vorenthalten wurde.
Stefan Ebner sorgt für konfuse Erklärung bei Austria gegen WAC
Oder aktuell in der 2. Bundesliga-Runde als Stefan Ebner nach dem Spiel Austria gegen den WAC mit seiner konfusen Erklärung über ein Handspiel, welches das nachfolgende Abseits aufgehoben haben soll, alle Fußballinteressierten verwirrte.
Auf der "VAR Österreich"-Webseite fanden die Regelhüter den Vorfall jedenfalls nicht der Mühe wert aufzuklären.
Ebenfalls in der 2. Runde nahmen die Betreiber der Website "VAR Österreich" die wohl am Spielfeld zurecht nicht gegebene Rote Karte für eine Torchancenverhinderung des Klagenfurters Thorsten Mahrer gegen den Rapid-Spieler Furkan Dursun (war es überhaupt ein Foul?), zum Anlass, um festzustellen, dass hier der Ausschluss von Mahrer richtig war und der VAR-Eingriff ebenso. Lächerlich.
Trainer und Spieler kennen sich bei Handspiel-Regel nicht mehr aus
Diese nur schwer nachvollziehbare Linie setzt sich bei weiteren "Torchancenverhinderungen" fort und findet in der Auslegung der Handspiel-Regel ihren Höhepunkt.
Kein Wunder also, dass einige Trainer und Spieler nach Abpfiff der Partie vor laufender Kamera immer öfter erklären, dass sie sich nicht mehr auskennen würden.
Es gibt auch einige interessante Szenen in vergleichbaren Situationen, in denen Schiedsrichter am Spielfeld ganz anders entscheiden, als es die Videos auf "VAR Österreich" vermuten lassen. Diese werden erst gar nicht gezeigt oder als richtig durchgewunken.
Zuletzt beobachtet bei Referee Walter Altmann im Spiel Hartberg gegen WAC bei einer Torchancenverhinderung oder der nicht gegebener Elfmeter von Markus Hameter nach einem klaren Handspiel eines Altachers im Spiel gegen die Wiener Austria.
Schützen die Regelhüter ihre Schiri- und VAR-Lieblinge?
Auch hier will den heimischen Regelhütern niemand unterstellen, dass von den Offiziellen die als VAR eingesetzten "Lieblinge" geschützt werden sollen.
Sei's drum. Noch im September muss der ÖFB die Neubesetzung der FIFA Referee Liste bekanntgeben. Der vakante Platz von Top-Referee Harald Lechner soll nachbesetzt werden. Geeignete Kandidaten sind Mangelware.
Das Fehlen von nominierungswürdigen Referees fällt noch in die Verantwortung des früheren Schiedsrichter-Chefs Robert Sedlacek und dessen Kommission.
Neuer FIFA Referee Jakob Semler? Jakob, wer?
Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2023 sucht Viktor Kassai nach geeigneten Personen. Der 49-jährige Ungar hat eine Vielzahl mehr oder weniger talentierter Schiedsrichter, die zumindest vom Alter geeignet wären, bei den Bundesliga-Spielen zum Einsatz gebracht.
Jetzt liegt sein Augenmerk offenbar auf Jakob Semler. Der 33-jährige Steirer weist aber ein wesentliches Manko auf: er erfüllt die bisher geltenden Kriterien der FIFA für eine Aufnahme nicht, da er nicht wie vorgegeben zwei Jahre in der höchsten Spielklasse im Einsatz ist.
Sein erstes Bundesliga-Spiel leitete Semler mit der Partie Austria gegen BW Linz vor knapp einem Jahr am 7. Oktober 2023. Nun soll er – nach insgesamt bisher nur sechs Spieleinsätzen in Österreichs höchster Spielklasse - für internationale Einsätze qualifiziert sein.
In der aktuellen Herbstsaison hat der Steirer gerade einmal ein Spiel geleitet. Semler war bei Altach gegen Wolfsberg in der 3. Runde im Einsatz. In der Saison 2023/24 stand er bei drei Heimspielen der Wiener Austria sowie jeweils zwei Spiele mit Beteiligung von BW Linz und Altach auf dem Spielfeld. Ob das für eine internationale Karriere als österreichischer Schiri ausreicht?
Der Leiter des Schiedsrichterwesens ist gefordert
Selbst wenn der ehemalige Top-Referee Kassai diese Umstände ignoriert, sich für ihn stark macht und die Schiedsrichterkommission sich der Meinung des Ungarn anschließt, wird wohl mit Ali Hofmann der Leiter des Schiedsrichterwesens als Vorgesetzter von Kassai eingreifen müssen, um glaubwürdig zu sein. Zur Info: Hofmann selbst hat keine Erfahrungen als Referee gesammelt.
Letztlich will sich wohl auch ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer durch so eine Entscheidung nicht angreifbar machen, wenn der Jurist die Nominierungen für 2025 an die FIFA unterschreibt und abschickt.
Wenn doch, dann können sich die Hauptverantwortlichen des heimischen Schiedsrichterwesens nicht erwarten, dass sie von der Öffentlichkeit - aber noch viel wichtiger - im "eigenen Haus" in Zukunft noch ernst genommen werden.